35 | Selbstachtung

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Newt

Ich konnte einfach nicht fassen, dass sie das getan hatten.
Ausgerechnet Thomas?! Ich hatte ja bereits befürchtet, dass sie einen Neuen hatte, aber warum musste es ausgerechnet mein bester Freund sein? Drei verklonkte Jahre waren jetzt auch keine Ewigkeit gewesen, aber sie schienen ja alle perfekt über mich hinweg gekommen zu sein.

Ich fühlte keine Trauer, keine Wut, da war gar nichts mehr. Ich war wie betäubt und setzte mich kopfschüttelnd auf einen großem Stein, als Pfanne neben mir lächelnd Platz nahm und seine Hand auf meine Schulter legte.
„Na, Bruder? Wie ist es wieder im Land der Lebenden zu sein", scherzte er lachend und sonst wäre ich auch sicher in sein Lachen eingestiegen, doch jetzt schwirrte mir bloß eine einzige Frage im Kopf herum.

„Hast du's gewusst?", fragte ich monoton und sah ihn nicht einmal an. Ich starrte bloß auf den Sand vor meinen Füßen.
Ich spürte, wie Pfanne langsam seine Hand sinken ließ und zu verstehen begann, was ich meinte.
Eigentlich wusste ich bereits die Antwort zu meiner Frage, aber ich wollte es ihn sagen hören und er wusste es auch.
„Newt.. ich war nicht im Recht mich da einzumischen. Niemand von uns war das. Du weißt ja nicht, Violet drauf war, wie sie gelitten-"
„Nein, ich weiß es nicht", ich schnitt ihm das Wort ab „ich war nicht hier, ich habe mich fern gehalten und dann komme ich wieder und sie macht mit meinem besten Freund rum. Und denkst du, ich habe nicht gelitten?! Drei Jahre bei WCKD. Allein."

Ich hatte ursprünglich nicht vorgehabt mich direkt so zu öffnen und alle meine Gedanken förmlich auszuspucken, doch gerade konnte ich mich kaum bremsen.
Ich hatte kein Verständnis für das, was sie getan hatten. Ich hätte ihnen das niemals angetan.

Endlich hob ich den Kopf ein kleines bisschen, um Pfanne ansehen zu können.
Mein Freund blickte mir entschuldigend entgegen und meine Mimik wurde etwas sanfter, da er schließlich nichts für dieses Chaos konnte.
Ich wollte nicht so egoistisch sein und die ganze gute Stimmung verderben. All die Kinder, die endlich frei waren, waren überall am Feiern und ich saß irgendwie dazwischen. Undankbar wollte ich schließlich auch nicht wirken, da ich endlich von all dem Grauen befreit war.

Ruhig blickte ich mich überall einmal um, als mein Blick bei Gally hängen blieb.
Er sah so fröhlich aus, zu fröhlich.
Sofort verfinsterte sich mein Blick wieder. Ich hatte keine Ahnung, warum die anderen ihn überhaupt mitgenommen hatten. Er hatte es eher verdient elendig von Cranks zerrissen zu werden. Er hatte das Glas in den Bauch gerammt bekommen sollen.
Wieso waren solche Leute überhaupt immun?

Als ich ihn das erste Mal wieder gesehen hatte, da auf der Bahnstation, da hatte ich ihn beinahe umgebracht.
Ich würde die Bilder niemals aus dem Kopf bekommen. Jahrelang hatte ich von dieser Nacht geträumt.

Alles und ausgenommen alles war gerade eine absolute Katastrophe.
Kopfschüttelnd vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen, während Pfanne seine sanft auf meinen Rücken legte.
Ich konnte das alles nicht mehr, das war zu viel.
Ich wollte nicht weinen, aber jetzt konnte ich meine Tränen auch nicht mehr zurück halten, weshalb ich langsam von dieser Hülle, dieser Mauer um mich herum losließ und leise zu schluchzen begann.
Es tat unglaublich weh, da irgendwo in meiner Brust.

„Ich habe eine Tochter, die wahrscheinlich Thomas für ihren Vater hält und ich verklonkter Strunk hab mich noch nichtmal getraut sie anzusehen. Ich sollte einfach meine Sachen packen und verschwinden.", flüsterte ich und wischte mir einmal mit dem Ärmel über die Augen.

„Daran darfst du gar nicht erst denken. Ich habe keine Ahnung, wie das Ganze ausgehen wird, aber ich weiß, dass du verstehen musst, dass du auch ohne sie leben kannst.
Ich will hier nichts in Stein meißeln oder irgendwelche falschen Versprechungen machen, aber du bist ein eigenständiger Mensch, Newt.
Du bist nicht abhängig von irgendwem, egal wie sehr du die Person liebst.
Und selbst wenn alles so endet, dass die beiden zusammen bleiben, dann wirst du dich irgendwann neu verlieben. Wir sind nichtmal 20 Jahre alt!
Du bist jetzt zurück und du solltest klar machen, wo du stehst, anstatt abzuhauen. Violet hat LLu immer gesagt, dass ihr leiblicher Vater nicht Thomas ist.
Aber das Ganze solltest du mit ihr klären. Ich habe keine Ahnung, wie es gefühlsmäßig bei ihr aussieht und sie hat sich auch sehr verändert, aber sie ist nach wie vor fair und gerecht.", erklärte Pfanne mit ruhiger, aber eindrucksvoller Stimme und sah mich dabei verständnisvoll an.

Er hatte ja irgendwie recht. Ich war mir zwar sehr sicher, dass ich mich niemals wieder so verlieben würde, aber ich war in der Tat ein eigenständiger Mensch und es wurde Zeit, dass ich das endlich für mich wahrnahm.
All die Jahre hatte ich quasi für sie gelebt, ohne daran zu denken, was eigentlich mit mir selbst war und was ich wollte.
Ich dachte eine ganze Weile über das nach, was Pfanne da gesagt hatte und war doch zugegebener Maßen beeindruckt von seiner Fähigkeit seine Worte rüber zu bringen.

Damals auf der Lichtung und auch noch in der Brandwüste hatte ich immer darauf geschworen, dass ich ohne Violet sterben würde, was, wenn ich jetzt nochmal darüber nachdachte, ziemlich überdramatisch von mir gewesen war.
Ich lebte noch. Ja, ich war verletzt, aber ich lebte.

Ich wusste zwar nicht, in wie fern ich das alles auf mich selbst anwenden können würde, aber eins war mir klar: ich musste mit ihr sprechen. Über alles.
Wir waren keine Teenager mehr, wir hatten ein Kind und eine Verantwortung.
Ich war immer noch am Grübeln, auch, als sich Judie bereits zu uns gesellt hatte.
„Wie geht's dir?", fragte ,mich die junge Blondine fröhlich und drehte eine kleine weiße Blume in ihren Händen herum.

Wie ging es mir eigentlich? Darüber hatte ich mir bisher auch noch keine Gedanken gemacht. Seitdem ich wieder klar im Kopf gewesen war, hatte ich bloß daran gedacht, wie es Violet ging und wie wir wieder zusammen finden würden. Abgesehen von irgendwelchen Gedanken, die mit ihr zutun hatten, hatte ich mich nie gefragt, was jetzt mit mir war. Nun, zumal auch wirklich viele Sachen irgendwie mit ihr zusammen hing.

Ich hatte dieses Virus noch in mir, oder nicht? War ich jetzt geheilt?
Ich hatte auf jeden fall keine Schmerzen mehr. Ich fühlte mich wieder wie ein richtiger Mensch und das war etwas Gutes.

„Gut.. denk ich. Ich denke, ich weiß, was ich jetzt tun sollte."
Ich hatte eine zweite Chance im Leben bekommen und ich würde diesmal nicht davor wegrennen.

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now