54 | Papa

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Newt

Sie zusammen zu sehen war jedes Mal ein weiterer tiefer Stich ins Herz und ich fragte mich ehrlich, ob das je besser werden würde.

Ich fühlte mich wie ein irrer Stalker, wie ich die beiden vom Weiten beobachtete und meine Augen gar nicht mehr abwenden konnte.
Wie sie dort standen und sich so nah waren. Ob sie sich wohl näher waren als Violet und ich es jemals gewesen sind?
Meine Gedanken schmerzten mich noch mehr und ich wusste, dass ich mich nicht weiter so abstrafen sollte.
Ich war wirklich kurz davor mich endlich zu lösen und mich wegzudrehen, als ich einer Veränderung in der Mimik der beiden erkennen konnte.
Da war kein Frieden, da war keine Ruhe und auf einmal drehte sich der Wind.
Thomas sah so.. wütend aus?
Stritten sie?
Ich konnte fühlen, wie sich meine Miene verfinsterte und sich meine Stirn in Falten legte, so wie eigentlich immer wenn ich irgendwie verwirrt oder verärgert war. Ich hatte gar keine Kontrolle darüber.

Ich war mittlerweile nicht mehr der Einzige, der zu den beiden hinüber sah, denn während ich mich langsam auf Judie und Minho zu bewegte, die etwas abseits des Strandes standen fiel mir auf, dass auch die beiden hinüber starrten.
„Oh, hey Mann!", begrüßte mich mein Freund fröhlich, während Judie mir ebenfalls freundlich zulächelte.
Ich konnte allerdings sehr gut sehen, dass das Lächeln nicht unbedingt echt war und sie sich Sorgen machte.
Mit immer noch verzogener Miene folgte ich dem Blick der jungen Blondine und sah wieder zu Thomas und Violet hinüber, die nun ganz sicher heftig diskutierten.
„Sie streiten nur noch.", murmelte Judie leise, was mich und Minho einen ernsten Blick austauschen ließ. Abgesehen von meinem eigenen Schmerz über Eifersucht und der Gleichen war da jetzt ebenfalls Sorge.

„Vielleicht solltest du hingehen.", schlug Minho nichtsahnend vor, doch ich schüttelte sofort dringlich mit dem Kopf. Null Feingefühl wäre hier eine Untertreibung gewesen.
„Das sollte ich ganz sicher nicht machen."

„Ich halte das für keine gute Idee", stimmte mir Judie zu, doch Minho hörte gerade gar nicht richtig hin.
„Thomas geht!", rief er, denn stattdessen hatte er ganz gebannt zu den beiden gestarrt und zeigte nun in die Richtung.
Und obwohl ich es nach wie vor für keine unbedingt gute Idee hielt, brachte mich der Gedanke, dass Violet so aufgelöst aussah und vielleicht jemanden brauchte dazu, mich langsam zu ihr rüber zu machen.
Mein Magen drehte sich vor Unwohlsein und Nervosität beinahe um, doch wie von alleine taten meine Füße weiter einen Schritt vor den anderen, bis ich knapp schräg hinter ihr zum Stehen kam.
Leise räusperte ich mich - Thomas war schon fast außer Sichtweite, doch Vi schien mich nicht zu bemerken, weshalb ich dann letztendlich doch schweren Herzens das Wort ergriff.
„Alles ok?", murmelte ich vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, während ich weiter nach vorn direkt neben sie wanderte, damit sie mich ansehen konnte, was sie dann auch tat.

Die Schwarzhaarige blickte mich eine ganze Weile einfach nur aus leeren Augen an, so wie sie es die ganze Zeit über schon getan hatte: müde, kühl, erschöpft.
Sie hatte es nicht verdient jetzt noch mehr zu leiden, was sie aber offensichtlich tat und das tat weh.
Tief holte sie Luft, bevor sie die Worte aussprach, die die Luft zu Eis gefrieren ließen und die Zeit in der Sekunde anhielten.
„Er hat Schluss gemacht."
Ich konnte gar nicht in Worte fassen, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, wobei es erstaunlicher Weise gar nicht so viel war.
Ich machte mir einfach Sorgen.

Nun, spätestens jetzt konnte ich ja endlich schnallen, wie stark ihre Gefühle für Thomas waren und dass sie ihn nicht verlieren wollte als Partner also würde es so sicher leichter für mich werden das zu akzeptieren und wie ein ganz normaler, neutraler Freund für sie da zu sein.
„Das tut mir-", setzte ich leise aufmunternd an, doch sie fiel mir ins Wort, als wäre sie so im Tunnel mental, dass sie mich kaum wahrnahm. Nun, sie bemerkte schon, dass ich da war, aber nicht mich, als mich, ich hätte genauso gut ein Fels sein können.
Es war wirklich schrecklich sie so aufgelöst zu sehen.
„Ich mein, ich glaube es. Ich weiß es nicht, denn er hat so einen Mist... wie auch immer.
Das... das ist gar nicht wichtig für dich. Ich muss gehen.", fast panisch riss sich Violet aus ihrer eignen Starre und ging direkt los, schneller als ich überhaupt reagieren konnte.
„Wa- was?", rief ich verwirrt hinterher.
„Kannst du auf Lluvia aufpassen?", war das letzte, was sie mir während des Gehens noch zurief, bevor sie zu rennen begann und mich völlig verdattert zurück ließ und das aus dem Grund, dass ich nun wohl die Gelegenheit bekommen sollte, meine Tochter kennenzulernen. Und das ohne, dass Violet dabei sein würde.
Aber nun gut. So würde unser Leben wohl jetzt aussehen und je schneller ich mich damit abfand, desto besser.

Nur der Gedanke an Lluvia machte mich nun total nervös.
In diesen wirklich wenigen, letzten Tagen war bereits so viel passiert, dass ich noch keine Sekunde Zeit hatte, sie endlich kennenzulernen. Im wachen Zustand.
Ich wollte mir alle Zeit nehmen, mich ordentlich vorbereiten, mir vielleicht schon ein paar Sätze vorlegen, doch dazu sollte es nicht kommen.
„HILFE! HILFE!", ertönte eine panische Kinderstimme aus dem Wasser und ohne eine Sekunde zu zögern rannte ich sofort von dort aus, wo ich gestanden hatte Richtung Wasser.
Aus dem Augenwinkel konnte ich noch erkennen, dass Minho dasselbe tat, bis ich vor mir endlich entdecken konnte, wer da um Hilfe geschrien hatte und vor allem warum.

„Elliott, komm da sofort raus!", brüllte Minho aus vollem Halse den blondhaarigen Jungen an, der nicht älter als 20 war und bis zur Brust in der Brandung stand.
„Lluvia ist da!", rief der Kleine unter Tränen und stark schluchzend zurück und deutete auf ein winziges Köpfchen, was sich gerade so über Wasser hielt, man hätte sie nicht gesehen, hätte er es nicht gesagt.
Ein Blitzschlag durchfuhr meinen ganzen Körper und so schnell ich konnte rannte ich direkt ins Wasser.
Mein Herz raste so schnell wie noch nie und eine elektrisierende Angst durchflutete mich. Ich schwöre bei allem was mir lieb ist, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst hatte und dabei hatte ich schon so viel Grausiges erlebt und gesehen.
Doch dies war eine andere Art Angst. Sie schnitt mir die Luft ab und trotzdem war mein Körper noch in der Lage zu funktionieren und zwar so richtig.
Sofort packte ich meine Tochter und stürmte mit ihr aus dem Wasser und den doch recht hohen Wellen hinaus.

Die Angst ließ sofort nach, denn Lluvia war definitiv nicht ohnmächtig, da sie laut weinte und schrie. Sie hatte sicherlich genauso starke Angst gehabt.
„Was habt ihr euch dabei gedacht?", konnte ich Minho zu Elliott sagen hören, nachdem wir wieder den Strand erreicht hatten.
Sanft setzte ich Lluvia auf einem breiten Stein ab und wickelte sie in das Handtuch, das mir Judie gereicht hatte. Vor lauter Aufregung konnte ich gar nicht mehr darüber nachdenken, dass ich ja eigentlich so verunsichert wegen unseres ersten Kennenlernen gewesen war.

Die Kleine hatte nun zum Glück aufgehört zu weinen und sah mich nun aus ihren großen Augen ganz neugierig an, beinahe als hätte sie vergessen, was gerade passiert war.
Sie hatte lange, dunkle Wimpern und ihre Augen waren genauso braun wie meine.
Ich konnte nicht so gut einschätzen, ob wir uns nun ähnlich sahen oder nicht, aber die Augen hatten was von meinen.
Schmunzelnd rubbelte ich ihr Haar trocken, obwohl ich wusste, dass ich irgendwas sagen sollte.

„Wieso seid ihr beide da einfach reingegangen?", fragte ich also sanft, um nicht das komisch "Ich bin dein Vater" Gespräch beginnen tu müssen.

„Da Fisch!", rief sie sofort mit hoher, engelsklarer und vor allem zuckersüßen Stimme, die mich beinahe zum Lachen brachte.

„Lass uns lieber die Fische fangen, hm?
Bitte geh nie wieder alleine ins Wasser, alles klar?"
Langsam nickte sie. Sie war so ein Engel, so lieb und höflich.
Violet hatte das wirklich toll gemacht.

Noch ein Grund mehr, mich schlecht zu fühlen.
Ich hatte das alles nicht nur verpasst, ich hatte sie alles alleine machen lassen.

Danach war es erstmal etwas still. Ich trocknete sie weiter ab und machte mir Gedanken, wie ich das am besten ansprechen sollte.
Sie hatte das Recht zu erfahren, wer ich bin und ich wollte auch, dass sie mich als die Person kennenlernte, die ich für sie war.

Gerade als ich zum Reden ansetzen wollte, kam sie mir aber zuvor.
„Newt?"
Überraschte blickte ich auf, direkt in ihre Augen. Wie konnte sie denn in dem Alter schon so schlau sein, diese Punkte zu verbinden?
Nun, sie war immer hin Violet's Tochter.

„Ja?", antwortete ich offen für alles, was jetzt kommen würde.
Und dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals und meine Hände wurden ganz schwitzig vor Nervosität.

„Papa?"
Ihre Augen wurden immer größer und ich hatte das Gefühl, meine auch.
Meine Atmung wurde flacher und mir stiegen beinahe die Tränen in die Augen.
Ich war so geschockt und doch so.. glücklich..
Ich wollte vor ihr nicht weinen, also hielt ich mich zurück, weswegen ich erstmal nicht direkt antworten konnte.
Dieses Wort zu hören... und damit selbst gemeint zu sein, das hatte ich mir nicht ansatzweise so wunderschön vorstellen können.

„Ja.. das.. ist richtig.", flüsterte ich zurück, sobald ich antworten konnte und schenkte ihr erneut ein Lächeln.

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⏰ Last updated: Aug 21, 2023 ⏰

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Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now