52 | ich verliere sie

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Thomas

Aus irgendeinem- nein, es war sicherlich nicht bloß irgendein Grund, sondern wegen eines ganz bestimmten konnte ich diesen Morgen nicht einmal überhaupt an essen denken.
Lluvia beim Spielen zu beobachten war so ziemlich das einzige, was mich auf andere Gedanken bringen konnte oder einfach mal dafür sorgte, dass ich für einige Minuten mal an gar nichts denken musste.
Früher oder später würde ich mit Vio reden müssen und ich hatte Angst vor dem, was sie sagen würde.
Wir hatten beide die Anspannung zwischen uns gespürt und an diesem Tage auch noch überhaupt nicht miteinander geredet.
Und das sollte sich für den größten Teil auch nicht ändern.
Selbst beim Mittagessen, bei dem wir beide halfen, sprachen wir bloß das Nötigste miteinander ab. Sie wirkte so, als bräuchte sie ihren Freiraum und ich hatte ehrlich gesagt überhaupt keine Idee, wie ich sie anzusprechen hatte, also ließ ich sie erstmal ein wenig in Ruhe.

Der heutige Tag war ein unangenehm warmer, deutlich stickiger und sonniger als die Tage zuvor und die kleineren Kinder wollten ein wenig schwimmen, also setzte ich mich mit Vi, Minho und Judie ans Wasser und beaufsichtigte die Jüngeren.
„Leo und Elliot, ihr passt auf Llu auf, dass sie nicht weiter als mit den Beinen im Wasser ist.", rief Violet den beiden Jungs hinterher, die schon freudig lachend mit unserer aufgedrehten Tochter Richtung Wasser liefen.
Sanft blickte ich zu meiner Freundin hinüber und beobachtete, wie sie mit gerunzelter Stirn, fast schon schmerzerfüllt nach vorne ins nichts sah.
Der Anblick versetzte mir direkt einen Tritt in den Magen, sodass ich gar nicht anders konnte, als sanft nach ihrer Hand zu greifen.
Violet zog sich nicht zurück, machte aber auch keine Anstalten irgendwie auf meine Geste zu reagieren.
Ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen war wusste ich nicht, aber ich versuchte es erstmal hinzunehmen, ohne es zu bewerten.
Das schlimmste an der Sache war bloß, dass ich genau spürte, wie ich... eben nichts spürte. Es war, als wäre nicht zwischen uns. Keine Gefühle, keine Gedanken, gar nichts.
Ich spürte, wie sie mir nach und nach entglitt und ich absolut nichts dagegen tun konnte.

Der Gedanke ließ mich schwer schlucken und zum Wasser starren, denn hätte ich sie weiter angesehen, hätte ich meine Tränen vielleicht nicht zurückhalten können.
Natürlich merkte Violet nichts davon. Sie war viel zu beschäftigt damit nach den Kindern zu sehen, während mir weiterhin tausende Gedanken durch den Kopf schwirrten.
„Thomas? Alles ok?" Judie's ruhige Stimme riss mich mehr oder weniger aus den Gedanken und ich blickte sie im nächsten Moment wieder aufmerksam an.
Der Gesichtsausdruck der jungen Blondine war sehr besorgt und erst da bemerkte ich, dass sich wirklich eine Träne von meiner Wange gelöst hatte.
Schnell wischte ich mir diese weg, doch Vi hatte sie natürlich dennoch gesehen und sah mich jetzt genauso fragend an, doch ich schüttelte schnell den Kopf und zwang mir ein kleines Lächeln auf, sodass mir folgende Lüge ein wenig besser abgenommen werden konnte:
„Nur ne Freudenträne. Es ist schön die Kinder so fröhlich zu sehen."

Judie nickte daraufhin bloß und sah wieder zum Meer, doch meine Freundin blickte mir weiterhin eisig in die Augen.
Sie war viel zu intelligent um mir das abzunehmen. Trotzdem merkte sie aber auch, dass ich hier vor den anderen nicht darüber reden wollte.. wenn überhaupt.
Wir sprachen nicht mehr über das Thema; sie fragte nicht und ich sagte nichts, bis wir die Kinder bereits ins Bett gebracht hatten und jetzt dabei waren, die nassen Sachen auf Wäscheleinen aufzuhängen.
Es war natürlich nicht gerade einfach ein Gespräch zu beginnen. Ich wusste die ganze Zeit über überhaupt nicht wie ich anfangen sollte.

„Können wir reden?", fragte ich zunächst vorsichtig. Ich wollte ja nicht direkt so klingen als würde ich sie angreifen wollen.
Die Dunkelhaarige sah mich ruhig an, während sie weiter die Wäsche aufhängte, doch ihr Schlucken verriet, wie aufgeregt auch sie war.
Wenigstens etwas.

„Was ist... passiert zwischen uns?
Ich meine.. ja, im generellen, da draußen, ist viel passiert aber wir sind so entfernt voneinander wie-"

„Ich habe gesehen wie du Teresa geküsst hast.", unterbrach mich Vi sofort seufzend und hörte mit ihrer Arbeit auf um sich prüfend vor mich zu stellen.
Mir blieb beinahe der Speichel im Hals stecken und ich bekam schon beinahe einen pseudo-Hustenreiz.
Ich hatte diese Situation komplett in mein Unterbewusstsein abgeschoben, war wahrscheinlich auch das beste gewesen war.
Wie anders sollte ein Mensch es auch je schaffen so viele Traumas auf einmal zu verarbeiten?
Irgendwann musste unser Kopf dicht machen und alles weg weisen.

Und jetzt war das alles wieder da, wobei ich mit allem einfach bloß Teresa meinte.
Es tat schrecklich weh an sie zu denken und es war noch schlimmer, dass ich mich deshalb auch noch schuldig fühlte.
Ich konnte nichts dazu sagen, egal wie sehr ich es wollte.
Ich wollte sofort darauf reagieren und ihr alles erklären, aber ich wusste selbst nicht, was da in mich gefahren war.
Wir dachten wir würden sterben, wir dachten, wir wären die letzte Person die die jeweils andere in ihrem Leben noch sehen würde.
Doch all das war keine Entschuldigung dafür Violet so hintergangen zu haben.

Verzweifelt starrte ich zu Boden.
Ich war ein Feigling.
Ein Feigling und ein Arschloch das sich unglaublich schämte.
„Du hast nichtmal eine Erklärung."
Sie klang verletzt und enttäuscht und genauso blickte sie mich an, als sie mit dem Wäschekorb an mir vorbei lief, sodass ich sie schnell am Arm packen musste, sodass sie nicht ganz weg rannte und die Situation so stehen gelassen werden würde.

„Es war dumm, Vi.
Ich war einfach so überfordert mit allem, ich lag im Sterben und ich war nicht klar im Kopf.", flüsterte ich erbärmlich.
Gott, war ich lächerlich, so wie ich da verzweifelt nach irgendwas zu greifen versuchte.

„So wie ich und trotzdem habe ich nicht meinen Ex geküsst.", konterte sie sofort scharf und riss sich aus meinem Griff los.
„Du hast ja recht, Violet!
Ich hätte das niemals tun dürfen und es gibt nichts, womit ich das entschuldigen könnte."

„Und trotzdem bereust du es nicht, oder?"
Jetzt sah sie mir das erste mal richtig... und wirklich richtig in die Augen, so tief und so durchdringend, dass ich ihr absolut nichts hätte vormachen können.
Mir steckte ein derartiger Klos im Hals fest, so viel Druck stieg mir zu Kopf und fiel gleichzeitig von mir, dass ich es gar nicht verhindern konnte, dass mir die Tränen in die Augen stiegen und ihr ging das offensichtlich nicht anders.

„Ich liebe dich...", flüsterte ich vollkommen aufgelöst und am Ende meiner Kräfte..
In meinem Kopf war so viel Chaos und so viel Verunsicherung.
Zum einen war da der Gedanke daran, dass sie Newt nach wie vor noch liebte und zum anderen waren da meine eigenen Gefühle, die ich nicht fassen oder verstehen zu vermochte.
Ich konnte einfach nicht mehr, es ging nicht mehr.

„Ich weiß.", erwiderte Violet hauchend und stellte sich anschließend genau vor mich, während ich vor Nervosität den Atem anhielt.
Eine kleine Träne hatte sich gelöst und tropfte nun nach unten auf meine Hand.

„Ich verstehe es nicht... und ich weiß nicht, wie ich damit leben soll, aber ich werde es lernen.
Ich versuche es zumindest."
Und erst ihr zuversichtliches Lächeln ließ mich endlich wieder atmen...

Violet 3 - The Death Cure Where stories live. Discover now