Kapitel 10 | Florian
„Dieses Desaster..." Immer wieder hallten die Worte in seinem Kopf wider, bis er Joachims Hand auf seiner Schulter spürte. „Mensch Florian, was ist denn da schief gelaufen?" Er setzte sich an den Tisch und sein Vorgesetzter nahm neben ihm Platz.
„Ich glaube, Lucas hat recht. Ich habe die ersten Meilensteine zeitlich viel zu früh angesetzt. Aber muss er sich deswegen so aufführen? Schließlich sitzen wir im selben Boot." „Du kennst doch diese Kreativen. Wenn man die unter Druck setzt..." Flo schnaubte. „Ja, aber trotzdem. Ich gehe zu ihm und rede mit ihm."
Eine halbe Stunde eilte Florian durch die Gänge, schaute in Lucas' Büro, in der Cafeteria und in der kleinen Parkanlage hinter dem Gebäude nach. Aber er konnte ihn einfach nicht finden. Er saß gerade in seinem eigenen Büro, einen Schokoriegel in der Hand, als Joachim eintrat.
„Und? Habt ihr das klären können?" „Nein, ich hab ihn leider nicht gefunden. Sag mal, ähm, hast du vielleicht seine Handynummer?" „Leider nicht. Aber ich mache mich schlau."
Als Florian aus seiner Pause wiederkam, lag ein Ausdruck mit Lucas' privaten Daten auf seinem Schreibtisch. Ob das datenschutztechnisch so korrekt war? Aber darüber sollte er sich wohl gerade keine Gedanken machen. Mit zitternden Fingern wählte er Lucas' Nummer und atmete tief durch, als das Freizeichen erklang. Flo wartete, aber niemanden nahm ab. Auch bei den sechs weiteren Versuchen im Laufe des Tages.
Frustriert startete er am frühen Abend in sein Wochenende. Er hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Noch einen Versuch bei Lucas würde er heute nicht mehr wagen. Der wollte ja wohl offensichtlich nicht mit ihm sprechen. Stattdessen wählte er Claras Nummer.
„Papa!" Sofort hellte sich sein Gesicht beim Klang der Stimme seiner Tochter auf. „Hallo, mein Mäuschen. Gibst du mir mal die Mama?" Es raschelte am Ende der Leitung, als Clara das Handy wieder an sich nahm. „Hey, alles gut?" „Um ehrlich zu sein nicht. Kann ich morgen vorbeikommen? Und über Nacht bleiben?" „Klar, selbstverständlich."
Am Abend setzte er sich noch vor die Zahlen. Nach einer Stunde gab er entnervt auf. Er brauchte Angaben von Lucas zu verwendeten Materialien und ähnlichem. Scheiße, allein kam er nicht weiter. Aber der werte Herr musste ja die beleidigte Leberwurst spielen. Arschloch!
Als die Mutter seiner Tochter ihm am nächsten Nachmittag die Tür öffnete, schlug ihm der Duft von Lasagne entgegen. „Du bist die Beste", sagte er, als er Clara zur Begrüßung in den Arm nahm. „Na, wenn du dich so ankündigst, ist klar, dass du dein Lieblingsessen brauchst."
„Papa!" Er hörte die trippelnden Schritte auf sich zukommen und hob Lily dann hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. Diese fing freudig an zu kreischen, bis er mit ihr auf den Hüften ins Wohnzimmer ging.
Den restlichen Tag beschäftigte er sich mit seiner Tochter. Nach dem Essen gingen sie zu dritt spazieren und machten an einem Spielplatz Halt. Abends schauten sie noch zusammen einen Film, dessen Ende Lily aber gar nicht mehr mitbekam, da sie auf Florians Brust eingeschlafen war. Er trug sie in ihr Zimmer, legte sie behutsam in ihr Bettchen und hauchte ihr noch einen Kuss auf die Stirn.
„Sie wird sich morgen so ärgern, dass sie einfach eingeschlafen ist und du ihr deshalb nicht vorlesen konntest", sagte Clara mit einem Lächeln, als er zu ihr ins Wohnzimmer zurückkehrte. „Ich lese ihr morgen, bevor ich gehe, einfach noch etwas vor." „Da wird sie sich freuen." Clara reichte ihm ein Glas Wein. „Und jetzt erzähl mir, was los ist."
Nachdem die Flasche geleert und Flos Zunge gelockert war, rutschte ihm abschließend noch ein „Und heiß ist er leider auch" heraus. Clara hob eine Augenbraue. „Dein Ernst? Erst ist der ‚größte Arsch und Egoist auf diesem Planeten' und jetzt ist er heiß?" Nachdem Florian darauf nichts erwidern konnte und bedröppelt in sein leeres Glas starrte, begann Clara lang und ausgiebig zu lachen. „Ruf ihn an." „Jetzt? Bist du verrückt?" „Dann geh morgen bei ihm vorbei. Die Adresse hast du doch, oder?" Florian nickte vorsichtig. „Na dann!" Clara stieß ihr Glas an das von Florian.
Und nun konnte er kaum glauben, dass er wirklich hier stand. Vor Lucas' Haustür. Dreimal hob er seine Hand, nur um sie wieder sinken zu lassen. Das ist doch total bescheuert. Er sollte einfach wieder gehen. Doch dann lag sein Finger auf einmal auf dem Klingelknopf.
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Work Love Balance
RomanceFlorian und der Halbspanier Lucas müssen das nächste halbe Jahr an einem Projekt, für die neue Niederlassung ihrer Firma in Madrid, zusammenarbeiten. Dass beide sich überhaupt nicht ausstehen können, macht dieses Unterfangen nicht gerade leicht. Doc...