❀ F O U R ❀

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Mein Kopf fuhr nach oben und mein Herz machte einen Satz. Im selben Moment erblickte ich mein Gegenüber. Er war es. Sein eindringlicher Blick musterte jeden Zentimeter meines Gesichts, ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg. Um nicht in einer peinlichen Stille zu verharren, strich ich mir schnell eine Strähne hinters Ohr und setzte dann zum Reden an.

„Kann ich noch irgendwas für Sie tun?" Ich wendete mich von dem jungen Mann ab und fing an ein paar Gläser zu polieren und hinter mir ins Regal einzuräumen.
Hoffentlich erinnerte er sich nicht an mich.
Er räusperte sich. „Wir waren schon beim Du, denke ich." Er erinnerte sich an mich. Ich hörte, wie er sich einen Barhocker ran zog und drehte mich daraufhin wieder um. Aber ich brachte kein Wort heraus. Seine Augen verschluckten jeden noch so leisen Laut, bevor er überhaupt über meine Lippen getreten war. Und ich stand einfach nur stillschweigend da. Oh Gott, wie peinlich!

„Ich hoffe, du bist morgens gut nachhause gekommen..." Brach er nach nicht allzu langer Zeit die Stille. „Hättest du noch etwas gewartet bevor du gehst, hätte ich dir jemanden bestellen können, der dich nachhause bringt. Aber anscheinend hat es ja auch so geklappt..." Er lächelte und ich wurde wahrscheinlich nur noch röter.
Sein Blick flog durch das leere Restaurant, hier drin brannte kaum ein Licht. Die einzige Helligkeit kam von der gedimmten Thekenbeleuchtung und der kleinen Lampe über Tisch Nummer sieben. Ich hatte keine Ahnung wie ich auf seine Worte antworten sollte, wenn ich ehrlich war.
„Äh ja, aber trotzdem danke..." Himmel, rede doch normal, Clara?!
Ich verdammte meine innere Stimme. Sie musste mir so etwas nicht sagen, ich wusste es schließlich selber, aber es war eben nicht so einfach. Und weil ich ihm nicht länger in die Augen schauen konnte, fing ich wieder an Gläser ins Regal zu räumen. Ehrlich zugegeben wusste ich nicht einmal warum es mit peinlich war, dass er jetzt hier war. Vielleicht weil ich eigentlich ganz froh war, ihn wieder vergessen zu haben, keine Ahnung... Jedenfalls war es mir unangenehm, nicht nur von ihm beobachtet zu werden, auch die Tatsache, dass er jetzt hier sitzt und so unglaublich gut aussieht machte mich nervös.

„Ist eigentlich noch irgendjemand außer uns hier, oder bist du die letzte die abends geht?" Ich drehte mich wieder um und griff nach dem Polierlappen womit ich ein paar Abdrücke von dem Glas wischte.
„Nein, ich bin die letzte..."
Eigentlich war ich das nie, aber das erzählte ich ihm nicht. Ich arbeite hier nur als Aushilfe, es gehört nicht zu meinen Aufgaben den Laden zu schließen. Na ja, heute war das wohl anders... „Kann ich dir noch irgendwas anbieten, oder..." Ich sprach den Satz nicht zu Ende, weil ich selber nicht wusste, was ich noch hätte sagen sollen.
„Gerne..." Erwiderte der Tätowierte und lächelte. Oh Gott, dieses Lächeln...
„Ich hätte gerne zwei Mojito."
„Zwei?" Ich sah ihn fragend an, er nickte.
„Ja, ich denke du hast bald Feierabend, oder?" Wieder lächelte er und ich konnte nicht anders, als es ihm gleich zu tun.

Eine Stunde und zwei Mojitos später saßen wir noch immer da. Wir lachten, unterhielten uns und ich hatte das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Als wüsste ich alles über ihn und trotzdem nichts. Dieses warme Lächeln, seine weiche Stimme, es kam mir so bekannt vor. Wie wenn er ein verlorener Kindergartenfreund ist, doch ich wusste natürlich, dass er nichts von dem allem war. Und wenn ich ihn so ansah, fragte ich mich, wie sein Leben wohl ist. Was war sein Job? Was tat er in seiner Freizeit?
Ich fragte mich, warum er in solche Restaurants kam. Normalerweise sind hier nur ältere Leute, Menschen die ihr ganzes Geld auf den Kopf hauen. Aber er? Vielleicht war er eins von diesen Schnöselkindern mit extrem reichen Eltern? Womöglich arbeitete er selber, als Fitnesstrainer zum Beispiel. Wer weiß das schon...? Oh Gott, ich musste aufhören mir so viele Gedanken zu machen...

„Wie geht es eigentlich deiner Tante?" Diese Frage riss mich schneller aus meinen Gedanken, als ich überhaupt darüber nachdenken konnte, wie die Antwort lautet.
„Du erinnerst dich an Carol?!" Meine Augen waren groß und innerlich freute ich mich wie ein kleines Kind. Ich war mir sicher sie nur ganz kurz erwähnt zu haben, dass er sich daran erinnert überraschte mich wirklich.
„Natürlich, du hast mir doch schließlich von ihr erzählt..."
Ich strahlte über beide Ohren. Die Tatsache, dass er sich selbst so kleine Dinge gemerkt hat, setzte mir ein Funkeln in die Augen.
„Ich habe mir alles gemerkt, was du erzählt hast..." Fügte er halblaut an und schlürfte dann den letzten Rest Mojito aus dem Glas. Perplex schaute ich ihn an.
„Wirklich? Wa-warum?" Ich wusste nicht warum ich auf einmal so überfordert war, wahrscheinlich weil sich noch nie zuvor jemand Monate lang selbst die kleinsten Dinge gemerkt hat, die ich erwähnt habe...
„Keine Ahnung." Er zuckte mit dem Schultern und lächelte mich dann etwas schief an.
„Vielleicht, weil ich wusste, dass wir uns wieder sehen..." Das Lächeln wurde zu einem Grinsen und etwas in mir sagte, er würde mir nicht erzählen, warum er das wusste, wenn ich ihn frage. Und ich hatte recht, er sagte es mir nicht. Stattdessen schob er mir sein leeres Glas hin und machte eine deutende Geste. Kurz sah ich ihn einfach nur an, immer noch etwas perplex, doch mein Grinsen ließ nicht lange auf sich warten. „Also hast du dir auch gemerkt, dass Mojito mein Lieblingsdrink ist..." Es war mehr eine Feststellung für mich selber, als dass ich eine Antwort von ihm erwartete, doch er nickte trotzdem.

Nach einem weiteren Drink verliefen sich unsere Gespräche in die tiefste Philosophie und Gott und die Welt. Er erzählte mir was das Universum für ihn bedeutete, diese riesige Weite und das Ungewisse. Er schwärmte von klaren Sternenhimmeln und all diesem Zeug und ehrlich gesagt habe ich die Hälfte gar nicht mitbekommen, weil ich viel zu beschäftigt damit war das Universum in seinen Augen zu beobachten. Ihre Schönheit war unverkennbar, sie gaben mir ein vertrautes und warmes Gefühl. Am liebsten hätte ich ihm Stunden so zugehört und ihn angestarrt, für den Rest meines Lebens meinetwegen...

Irgendwann, wir sprachen gerade vom Mond und wie groß er doch für uns scheint, kam ich auf eine Idee.
„Ich kann dich ganz nah zu ihm bringen..."
Mein Gegenüber hielt inne, er sah mich verwirrt an.
„Zu wem?"
Kaum waren die Worte über seine Lippen getreten, war ich auch schon von meinem Barhocker aufgesprungen. Ich öffnete die Schleife meiner Schürze und legte diese dann auf den Tresen neben die Kasse.
„Komm mit, ich zeig es dir..."
Der junge Mann folgte meiner Anweisung mehr oder weniger stumm.

Ich schloss den Laden hinter uns ab, den Schlüssel steckte ich in die Bauchtasche meines dicken Hoodies, den ich mir für nach der Arbeit mitgenommen habe.
„Hey, wo-" Weiter kam er gar nicht, da griff ich bereits nach seiner Hand und schleifte ihn mit mir mit. Immer weiter, bis wir schließlich vor einem riesigen Gebäude standen.
„Was ist das hier?" Er legte seinen Kopf in den Nacken und sah an den dunklen Fassaden hinauf. „Keine Ahnung, wahrscheinlich Büros..." Ich ging nicht weiter auf seine Frage ein, stattdessen steuerte ich einen Seiteneingang an.

Im der Hoffnung, dass sie offen war, drehte ich den Knauf nach rechts. Die Tür sprang auf, das Schloss quietschte etwas, als ich sie weiter aufschob. Vor uns erstreckte sich ein riesiges Treppenhaus, aus Erfahrung konnte ich sagen, dass wir so bis aufs Dach kommen. Wir gingen die Stufen hinauf, meine Hand glitt über das kalte Eisengeländer und ich inhalierte den Geruch von Feuchtigkeit, welche sich an den grauen Betonwänden absetzte.
„Wo gehen wir hin?" Fragte er immer wieder, was ich dann mit einem einfachen: „wirst du schon sehen," beantwortete.

Und dann waren wir fast da. Wir erreichten den letzten Stock des Treppenhauses, wo wir nun vor einer grünen Türe standen.
„Was ist das hier?" Der junge Mann sah sich um, lehnte sich etwas über das Geländer und ließ seinen Blick die vielen Stockwerke hinab gleiten, welche wir gerade hochgelaufen sind. Ich stellte mich neben ihn an das Geländer und folgte seinem Blick, die Frage blieb unbeantwortet.
„Hast du mitgezählt wie viele Stockwerke das waren?" Ich wollte gerade Nicken, da viel mir ein, dass ich es gar nicht wusste. Ich war schon ein paar Mal hier gewesenen, doch kein einziges Mal habe ich die Stöcke gezählt, aber es waren definitiv viele...

„Nein, du?" Ich sah zu ihm, unsere Blicke begegneten sich und er begann zu schmunzeln. „Ja, siebenundsechzig."
Siebenundsechzig, wiederholte ich stumm in meinem Kopf und sah wieder übers Geländer. Siebenundsechzig Stockwerke... Wow, das ist wirklich viel.
„Machst du Sport?"
Mein Blick zuckte zu ihm, er grinste immer noch. Was wollte er damit sagen? Meine Augen sprangen zwischen seinen hin und her, ich suchte nach etwas, nur wusste ich nicht was. Vielleicht nach Antworten, Antworten für alles, was ihn betraf. Was er tat, warum er das fragte, wer er war. Einfach alles...

„Vielleicht..." Sagte ich schließlich mit einem Grinsen auf den Lippen.
„Und du?" Ich stieß mich vom Geländer weg und lief zurück zu der Türe.
„Tja, vielleicht... Wer weiß das schon?"
Ich ging nicht weiter darauf ein, weil wir ja aus einem ganz anderen Grund hier waren. Aber ich machte mir schon noch kurz Gedanken darüber, denn ich war mir ziemlich sicher, dass er Sport machte. Deshalb auch der Vorschlag mit dem Fitnesstrainer...

„Hier wären wir also..." Meinte ich halblaut, als wir durch die Tür gingen. Über uns nichts als Schwärze. Und dann, etwas links war er. Der Mond.
„Schau, ich hab dir doch gesagt, dass ich dich ganz nah zu ihm bringe..." Ich sah zur Seite und lächelte.

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Hallöchennn!
Ich hoffe natürlich wie immer, dass euch das Kapitel gefallen hat. Lasst mir gerne eure Meinung da, darüber würde ich mich sehr freuen <3

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