❀ F O R T Y T H R E E ❀

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Die Sonne war fast untergegangen, als ich draußen war. Wie viel Uhr war es? Siebzehn Uhr? Achtzehn Uhr? Ich hatte keine Ahnung, aber es war mir auch egal, wirklich egal.
Die eiskalte Winterluft strömte in meine Lungen, doch statt Schmerz oder so etwas in der Art, spürte ich nichts. Keine Impulse, die mich zwangen vor Kälte zu frösteln, keine Reize, die das Zittern meiner Muskeln veranlassten. Ich spürte einfach... nichts. Kein Gefühl für die Uhrzeit, kein Kältegefühl und keinen Schmerz. Gar nichts. Ich war taub. Eine Selbstschutz Maßnahme meines Körpers, die es mir nicht mehr erlaubte irgendwas zu fühlen. Auch die Wahrnehmung für meine Umgebung schwand mit jedem Augenblick mehr und mehr, bis ich dachte alleine auf dieser Welt zu sein.

Ich bekam nicht mehr mit, wie mich die Leute anstarrten, als ich wie eine wandelnde Leiche über die Straßen lief, ein Ziel hatte ich nicht. Ehrlich gesagt war es mir egal wo ich hinging, Hauptsache weg. Weg von hier, von dem Ort, an dem ich die Scherben meines Herzens gelassen habe. Weg von dem Ort, an dem ich alles verloren hatte. Meine beste Freundin, meinen Bruder.
„Ich hätte es wissen müssen. Alles war gelogen, von Anfang an und ich war dumm genug um dir zu glauben. Ich will dich nie wiedersehen." Kiras Worte brannten sich so tief in meine Seele, dass ich bezweifelte, sie je wieder vergessen zu können. Das einzige, was ich hatte, war diese beschissene Medaille, deren Silber selbst im Glanz der dämmrigen Dunkelheit so glitzerte, wie der Mond an manchen Tagen am tief dunklen Nachthimmel. Sie war mein Ticket zu den Meisterschaften, doch ich war mir sicher, wenn Kira Nils erzählt, was sie heute erfahren hat, dann war's das. Aber auch das war mir im Moment egal. Ich konnte jetzt nicht über was-wäre-wenn-Fragen nachdenken, wenn ich nicht einmal wusste, wie ich bis morgen durchhalten sollte.

Mir wurde erst wieder bewusst wo ich war, als ich irgendwann vor dem riesigen Baum stand, von welchem ich die kahlen Äste aus meiner Küche aus sehen konnte. Warum war ich hier?

Ich hielt mich nicht lange mit dieser Frage auf, denn es war mir gleichgültig. Also setzte ich mich in Gang, ging die Treppen hinauf in den ersten Stock zu meiner Wohnung, wo ich wieder stehen blieb. Für einen Moment starrte ich das Packet und den Stapel anderer Post vor meiner Tür reglos an, wie lange war ich nicht mehr hier gewesen...? Dann zwang ich mich selber die Tür aufzuschließen, meinen Nachbarn wollte ich jetzt nämlich auf keinen Fall begegnen. Nicht in diesem Zustand in dem ich mich gerade befand, denn erklären könnte ich mich nicht. Wie denn auch, wenn ich nicht einmal selber verstand, was passiert ist...

Beim öffnen der Wohnung kroch mir sofort der vertraute Geruch meines Waschmittels in die Nase, der sich wohl überall abgesetzt hatte, obwohl ich hier seit zwei Wochen nicht mehr war. Um genau zu sein, seitdem David und ich meine Tasche geholt haben und er meinte, er sorgt dafür, dass das Chaos beseitigt wird. Das Chaos, welches ich angerichtet hatte. Und er hielt sein Wort. Keine einzige Scherbe zierte mehr den Boden, er war blitzblank. Als wäre nie etwas passiert... Doch das war es und daran wurde ich auch erinnert, als ich die Kommode neben der Tür ansah. Der Platz, an dem normalerweise die Porzellanfigur von meiner Tante gestanden hatte war leer, ganz leer. Und es war meine Schuld, denn ich hatte sie zerstört, als mich die Emotionen überkamen und ich nicht mehr ich selbst war. Ich habe sie zerstört, als mich etwas zerstört hat, von dem ich jetzt nichts mehr spüre...

Weg von diesem Gedanken stellte ich meine Tasche ab und zog meine Jacke und Schuhe aus. Was überblieb war das Kleid. Ich musste es loswerden. Also lief ich zu meinem Zimmer, nichtsahnend, was mich dort erwartete.

Je weiter ich den dunklen Flur entlang ging, desto kälter wurde es. Ein leichter Zug strich über meine Haut und hinterließ Gänsehaut auf meinen Armen. Dann stand ich vor meiner Tür, sie war angelehnt und ich stieß sie auf.
Ein Fehler.
Die Luft, die mit nun entgegenkam, war noch kälter, denn sie kam direkt von draußen. Der leichte Wind verwirbelte meine Gardinen und hinterließ ein brennen auf meinem Körper. Warum war das Fenster offen...? Diese Frage war gut und berechtigt, doch schon im nächsten Moment kam sie mir nur noch lächerlich und unnötig vor. Ich drückte auf den Lichtschalter neben der Tür. Dunkelheit wurde vom gelblichen Licht meiner Deckenlampe abgelöst, sofort kam mir die Umgebung ein Stück wärmer vor. Aber auch diese Illusion platzte sofort, als ich merkte, dass ich nicht alleine hier war.

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFOn viuen les histories. Descobreix ara