❀ F O R T Y F I V E ❀

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Mittlerweile war es bereits spät abends. Die Menschen gingen in meiner Wohnung ein und aus. Polizisten, Leute von der Spurensicherung, die all diese komischen, weißen Overalls trugen und Sanitäter. Ich kam mir vor wie in einem riesigen Ameisenhaufen, jeder ging seiner Aufgabe nach, nur ich saß einfach nur da und tat... nichts. Die Münder der Menschen bewegten sich ohne Ton, sie liefen in Zeitlupe und bewegten sich doch viel zu schnell, als dass ich irgendwas von dem allem mitbekam. Mein Kopf hatte sich abgeschaltet und ich hatte längst vergessen, was die nette Polizistin vorhin zu mir gesagt hat.

Eine leichte Berührung an meiner Schulter ließ die Blase um mich herum platzen. Ich sah zu David auf, der vor mir stand und mit mir redete.
„Komm, lass uns nachhause gehen."
Hinter ihm wurde gerade die Leiche von Adonis rausgetragen. Ich sah seinen Körper nicht, er war mit einem weißen Tuch bedeckt, aber ich wusste, dass ich das Bild von ihm, wie er da lag, wahrscheinlich nie wieder loswerden würde.
„Nachhause..." Wiederholte ich die Worte von David noch einmal, als ich meinen Blick von den Sanitätern löste.
„Ja. Nachhause." Der junge Mann lächelte. Aber ich habe jetzt gar kein Zuhause mehr...

Er half mir seine Jacke anzuziehen, bevor wir gingen. An der Tür sagte er noch irgendwas zu der Polizistin, was ich aber nicht mitbekam, weil ich schon wieder völlig abgedriftet war. Erst im Auto wurde mir klar, dass es vorbei war. Adonis war tot, die Polizei hatte mich zu seinem Selbstmord ausgefragt und ich hatte ihnen erklärt, dass er für Heathers, als auch Carols Tod verantwortlich ist. Er würde zwar keine Strafe mehr dafür kriegen, aber ich musste das tun. Für die Gerechtigkeit, das war das mindeste. Sie hatten das verdient...

Einige Zeit später kamen wir bei seinem Apartment an. Als wir die Wohnung betraten wirkte alles so, als wäre man fluchtartig hier abgehauen. Die Lichter waren an und die Tasse Tee auf dem Esstisch nur halb ausgetrunken.
„Als du dich ewig nicht gemeldet - und nicht auf meine Nachrichten geantwortet hast, bin ich sofort los um dich zu suchen", erklärte David, als er meinen leicht verwirrten Blick bemerkte. Ich nickte etwas benommen, bevor ich in den Wohnbereich lief und mich auf eine Couch dort sinken ließ. Meine Gliedmaßen schienen Tonnen zu wiegen und ich war unendlich müde. Es war sicher auch schon spät, viel zu spät...
Für einen Moment ließ ich meinen Körper siegen und schloss die Augen. Diese Dunkelheit war genau das, nach was ich mich so sehr sehnte. Sie war friedlich, irgendwie schwerelos.
Allerdings hielt diese Ruhe nicht besonders lang, bevor mich die Schwerkraft zurück auf den Boden presste und ich meine Augen wieder öffnete. Vor mir stand David, in seiner Hand ein Glas Wasser.

„Hier, trink etwas, und dann gehen wir ins Bett." Ich widersprach nicht, als er mir das Glas in die Hand drückte. Zu spüren wie die Kälte meinen Rachen runter lief war zugegebenermaßen etwas ernüchternd, brachte allerdings trotzdem nicht die Gefühle in mir zurück, und ganz ehrlich, im Moment schien es, als würden sie nie wieder zurückkommen. Als würde ich für immer diese Taubheit in meinem Körper spüren, für immer an dem Empfinden leiden, in mir selber eingesperrt zu sein. Und auch, wenn ich eigentlich wusste, ganz tief im Inneren, dass es nicht immer so bleiben wird, glaubte ich es in diesem Augenblick nicht. Ich konnte nicht sehen, dass hinter jeder noch so dunklen Wolke Licht ist, weil die Sonne nämlich immer scheint.
Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum danach alles nur noch bergab lief, die Zeit zerstörte, was da war und ich auch das allerletzte verlor, was mich noch hier hielt...

Vor dem Schlafen gab mir David noch ein T-Shirt von sich, welches ich statt meinem Kleid anzog. Eigentlich wollte ich es ja schon vorhin ausziehen, aber...
Ich betrachtete die Blutflecken auf dem glitzernden Stück Stoff und musste sofort an Adonis zurückdenken. Als ob sich nicht sowieso schon jeder meiner Gedanken um ihn dreht... Ich dachte daran wie bleich er war, wie kalt sich seine Haut anfühlte, als ich ihn anfasste. Ich erinnerte mich an die Rose in seiner Hand, dessen weißen Blüten den roten See in sich aufsaugten. Eigentlich müssten mir diese Dinge wehtun, aber das taten sie nicht. Ich spürte nichts, als ich daran dachte. Nichts als Reue, nicht diejenige gewesen zu sein, die ihm das angetan hat.

„Wir sehen uns in der Hölle, Bruderherz." Murmelte ich, legte endlich das Kleid beiseite und ging zurück zu David, der bereits auf dem Bett saß und auf mich wartete, als ich ins Schlafzimmer kam.

„Sieht ... süß aus." Ein Funken Stolz blitzte in seinen Augen, als er sie an mir herab gleiten ließ. „Sehr süß ... Komm her." Er streckte seine Hände nach mir aus und ich folgte dieser Aufforderung wortlos. Ohne, dass sich nur ein einziger Laut meine Kehle verließ, ich genoss einfach nur diese Nähe, die er mir schenkte, als sich seine Arme um meine Taille schlangen und noch näher zu sich zogen. So sehnsüchtig, so verlangend nach Berührung und dem Gefühl jemanden zu haben. Vielleicht ging es ihm so ähnlich wie mir? In diesem Augenblick war ich mir sicher so etwas bei ihm gespürt zu haben. Einen tief sitzenden Schmerz in seiner Seele, den er irgendwie versuchte zu heilen... Womöglich war er einer der Menschen, der anderen hilft, in der Hoffnung, auch die eigenen Probleme dadurch irgendwie zu lösen?
Dann bekam ich es plötzlich mit der Angst zu tun. Sie kam aus dem nichts und mit ihr Fragen und Gedanken, die sich unter mir zu einem dunklen Loch formten, welches nur darauf wartete mich zu verschlucken. Was ist, wenn es für ihn wirklich nur das ist? Was ist, wenn ich nie mehr für ihn war, als jemand mit dem er seinen eigenen Scheiß kompensieren kann? Was, wenn er geht, sobald er mich nicht mehr braucht, wenn ihm klar wird, dass ich doch die böse Person in dem ganzen bin? Das durfte nicht passieren. Ich brauchte ihn! Als einzige Person auf dieser Welt, er ist alles was mir bleibt. Er ist der einzige, der mir helfen kann. Der einzige, der mich versteht, auch wenn ich nichts sage. Der einzige, den ich bei mir haben will, der mir je diese Gefühle gegeben hat...
Wenn er bei mir ist geht es mir gut. Er heilt ein Herz, welches nicht er gebrochen hat. Er heilt Wunden, die von jemand anderem stammen. Er ist der einzige, den ich je so geliebt habe, auf eine Weise, dass ich mir nicht vorstellen kann ohne ihn zu leben.

Ich schmiegte mich noch enger in seine Arme, zu groß war die Angst zu fallen. Aber es reichte nicht. Ich könnte noch immer fallen. Dann gaben meine Beine unter mir nach und ich ließ mich seitlich auf sein Bein sinken, umschlang seinen Hals mit dem Gewinde meiner Arme.
Verdammt, Clara, wann kapierst du endlich, dass es auch Menschen gibt die bleiben?! Ein eiskalter Schauer rieselte meinen Rücken hinunter und ich erzitterte.
Es gibt auch Menschen die bleiben... Ich musste es nur verstehen.

„Ich bin bei dir, Clara", flüsterte er irgendwann in meine Halsbeuge, wo sein heißer Atem meine Haut streifte und über sie hinweg brannte, wie ein Fegefeuer. Und als hätte er meine Gedanken gelesen und wollte mir die Angst nehmen, hängte er die Worte: „Ich bleibe, egal was passiert", hinten dran. „Ich werde nicht gehen, ich verspreche es dir..."

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Guyysssss nur noch fünf Kapitellll

Was denkt ihr wie das enden wird? Schreibst gerne in die Kommentare, ich würde mich freuen ein paar Ideen zu lesen!!

Ganz viel Liebe, See yaaaa <33

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWhere stories live. Discover now