❀ T W E N T Y S E V E N ❀

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Das Wetter draußen war absolut scheiße. Es stürmte, es schneite und der Wind war eisig. Trotzdem hatte ich keine andere Wahl, als mich aufs Fahrrad zu setzten und zur Arbeit zu fahren. Ich hatte gerade die Tür meiner Wohnung hinter mir zugezogen und war bereit mich in das Chaos zu stürzen, als mein Handy in meiner Tasche vibrierte. Es war sicher Kira, die mich fragen wollte ob wir heute Abend was machen, weil sie wieder vergessen hat, dass ich arbeiten muss. So wie immer...
Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, bis ich vom Gegenteil überzeugt wurde und mir anstatt Kiras Name der von David ins Gesicht sprang. Als ich auf die WhatsApp Benachrichtigung tippte öffnete sich ein Foto, was darauf zu sehen war brachte mich sofort zum Lächeln. Er und seine zwei Hunde, wenn ich mich recht erinnere hießen sie Coco und Roscoe. Und darunter stand: Wir hätten dich jetzt gerne hier...
Ich wäre jetzt auch gerne da, das konnte man mir glauben...
Schlussendlich riss ich mich von dem süßen Foto los und schickte eins zurück, was mich dick eingepackt in Jacke, Mütze und Kapuze zeigte und schrieb darunter: Ich freu mich, wenn du wieder da bist!
David war nun schon drei Tage weg und ich freute mich immer, wenn er mir Bilder von sich schickte. Dann hatte ich wenigstens ein bisschen das Gefühl ihn bei mir zu haben.

Danach musste ich aber wirklich los, wahrscheinlich werde ich dank diesem Wetter sowieso zu spät kommen. So wie ich NewYork bereits kenne, ist jetzt überall absolutes Chaos und dann war es auch noch Freitag Nachmittag. Schlimmer geht es eigentlich gar nicht, wenn man es ganz genau nimmt. Zu meinem Pech sollte sich meine Prognose bewahrheiten und ich kreuzte tatsächlich erst fünfzehn Minuten später als geplant auf. Aber was soll ich tun, so ist das eben...

„Hey, Leute!" Begrüßte ich Sam und Jasmin, die in ein Gespräch verwickelt waren, als ich reinkam und mir daher nur kurz zunickten. Ich legte mein ganzes Zeug in unseren Personalbereich, bevor ich wieder zu den beiden rauslief.
„Sorry, dass ich zu spät bin, aber da draußen ist wirkliches Chaos..." Dabei kramte ich meine Schürze hervor, welche wie immer unter dem Tresen deponiert war und band mir diese dann um.
„Alles gut, kein Stress, wir haben schon alles vorbereitet..." Sagte der Amerikaner und ich bedankte mich bei den beiden.
„Ihr seid wirklich meine Rettung!"
„Kein Problem... Aber mal was anderes", fing Jasmin an und hatte sofort meine volle Aufmerksamkeit. „Hast du mitbekommen, was da am Dienstag passiert ist?" Sie sah mich etwas geschockt an, doch ich musste passen.
„Nein, was denn?"
Als nächstes ergriff Sam das Wort. „Wir waren am Dienstag Abend ja noch was trinken, weißt du ja, und ich weiß nicht ob du das mitbekommen hast, aber es wurde eine Leiche gefunden, ganz in der Nähe von dieser Bar..." Ich nickte, jetzt wusste ich wieder was er meinte. Sie sprachen über die Leiche beim Kensley-Parkhaus, von der keiner so richtig wusste, was da passiert ist.
„Ach so, ja, aber meinten die nicht, dass sich die Sache erledigt hat?" Ich griff nach dem Buch mit den ganzen Reservierungen, und warf einen Blick hinein, während Sam weiter redete.
„Mehr oder weniger. Ich habe einen Freund, der bei der Polizei arbeitet und mit an diesem Fall dran ist. Der hat mir gestern erzählt, dass es da anscheinend voll das Drama gab..."
„Drama im Sinne von...?" Ich warf meinem Gegenüber einen fragenden Blick zu, der daraufhin mit den Schultern zuckte.
„Ich weiß auch nicht. Irgend ne Drogenabhängige die irgendwas von wegen 'er wird mich umbringen, er wird uns alle umbringen' gelabert hat, bevor sie sich selber in den Tod gestürzt hat..."

Ich schluckte schwer. Er wird mich umbringen. Dieser Worte trafen mich an einer Stelle, von der ich nicht wollte, dass sie berührt wurde. Direkt in der Magengrube und mir wurde sofort übel. Ich spürte, wie sich mein ganzes Inneres zusammenzog, krampfte und sich wieder löste, dann noch einmal von vorne. Immer wieder, immer stärker. Das durfte nicht wahr sein...

Ich wurde zurück in die Realität gerissen, als mir Sam gegen die Schulter klopfte und sagte: „Na ja, Dinge passieren, nicht wahr?" Dann ging er an mir vorbei, schnappte sich seine Schürze und machte sich an die Arbeit. Jasmin tat es ihm gleich, nur ich blieb noch einen Moment stehen, starrte ins Leere und versuchte das irgendwie zu verstehen. Oder auch nicht, ich wollte es nicht verstehen, ich wollte diesen Gedanken einfach nur loswerden, die Bilder, welche sich nun vor mir ergaben auslöschen und dieses ganze Gespräch am liebsten ungeschehen machen. Aber das ging nicht, ich konnte nicht ungeschehen machen, was passiert ist, in jeder Hinsicht...

Die nächsten Stunden vergingen. Der Abend war stressiger als erwartet, was den Vorteil hatte, dass ich tatsächlich für diese Zeit vergaß, was ich vergessen wollte. Dienstag Abend.
Doch danach, als ich auf dem Weg nachhause war, der eiskalte Wind in mein Gesicht preschte und die Stille drohte über mir einzubrechen, taten es auch meine Emotionen. Die zerreißenden Schuldgefühle, die brennende Wut und die unendliche Traurigkeit. Alles kam auf einmal. Unmengen an Gewicht, die ich nicht tragen konnte. Ich fühlte mich so schrecklich, und ich kannte das alles schon. So war es damals auch gewesen, an diesem Tag, den ich am liebsten aus meinen Erinnerungen löschen wollte. Aber das könnte ich nicht, niemals...

Ich trat schneller in die Pedale, doch das hielt die Tränen nicht auf, die mir mittlerweile in einer nassen Spur vom Gesicht liefen. Zwischendurch ein Schluchzen, aber es klang erstickt. Kein Laut schaffte es meine trockene Kehle hinauf, und wenn, dann schmerzte es, als würde alles in meinem Hals zerreißen. Auf so schreckliche Art und Weise, genau wie ich es verdien hätte... Dabei konnte ich doch nichts dafür. Das sagte ich mir immer wieder. Immer und immer wieder, bis ich es endlich selber glaubte. Aber nein, das war nicht die Wahrheit. Ich hätte es wissen müssen, es ist meine Schuld. Alles ist meine verdammte Schuld, von Anfang an. Ich hätte ihr helfen müssen, sie hatte mich doch angefleht. Und jetzt ist sie tot. Sie hat sich in den Tod gestürzt.
Es ist Heather. Heather ist tot.

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWhere stories live. Discover now