❀ T H I R T Y ❀

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Ich glaube nicht an Schicksal. Na ja, das habe ich zumindest immer gesagt. Ich glaube nich daran, weil das die Theorie des Karmas stärken würde. Und ich glaubte auch nie an Karma. Für mich machte das keinen Sinn. Ich meine, womit hatte ich das alles verdient? Womit hatte ich all die Jahre voll Schmerz und Leid verdient, wo ich doch noch ein kind war...? Was hatte ich getan, um in der Obhut eines solchen Monsters wie meines Vaters zu stehen? Was ergab das für einen Sinn?
Nein, es ergab keinen Sinn, damals nicht und heute auch nicht. Aber das Leben hat sich geändert, und ich mich auch... Ich bin nicht mehr das Kind von damals, ich bin nicht mehr das kleine Mädchen mit dem unschuldigen Lächeln, wie es auf allen Familienfotos scheint. Damals war ich unschuldig, aber heute habe ich Blut an meinen Händen.

Vielleicht ist sie deshalb gestorben...? 

„Mein Name ist Kennedy, das ist mein Kollege Davis. Wir sind vom NYPD, sind Sie Clara Petros?"

Ich sagte nichts, starrte einfach nur meine beiden Gegenüber an und hoffte, dass gerade Fasching war. Es ist Dezember.

„David, ich glaube ich muss Schluss machen..." Ich drückte auf den roten Hörer, ohne eine Antwort abzuwarten und ließ das Handy anschließend in meiner hinteren Hosentasche verschwinden. Vielleicht hätte ich mich für immer verabschieden sollen...?

„Ja, die bin ich." Krächzte ich schließlich. Die beiden jungen Männer in Uniform sahen sich kurz an, bevor der Linke das Wort ergriff.
„Ich glaube es ist besser, wenn wir kurz reinkommen dürften... Wären Sie so nett?"

Renn, Clara, Renn! Ich tat genau das Gegenteil von dem, was meine innere Stimme sagte und ließ die beiden Polizisten rein. Ich konnte nicht für mein ganzes restliches Leben rennen, irgendwann ist es einfach an der Zeit stehen zu bleiben und dem Schicksal ins Auge zu blicken...

„Wollen Sie etwas trinken? Ich könnte Ihnen einen Orangensaft anbieten, wenn Sie wollen kann ich aber auch nachschauen, ob ich noch Traubensaft da habe oder..." Was zum Teufel redest du da eigentlich Clara? Die sind nicht hier um mit dir Kaffee zu trinken!

„Nein, danke. Vielleicht setzten Sie sich erstmal..." Ich zögerte einen Moment, bevor ich mich in Gang setzte und auf die Couch sinken ließ. Die beiden jungen Männer taten es mir gleich. In diesem Moment hoffte ich mehr denn je auf ein Wunder, doch selbst das konnte mir wahrscheinlich nicht helfen...

„Darf ich fragen, um was es geht oder..." Ich rang mir ein Lächeln ab, als ich zwischen den beiden Gesichtern hin und her sah. Beide sahen nicht besonders glücklich aus, mehr Unsicherheit und Nervosität lag in ihrem Ausdruck. Ich war auch nervös, sehr sogar...

„Also, hören Sie zu", fing der an, der sich vorhin als Kennedy vorgestellt hatte und räusperte sich, bevor er seine Stimme wiederfand.
„Es tut uns sehr leid, aber... aber wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tante heute Nachmittag einem Herzinfarkt erlegen ist."
Er sah zu Boden. Dann wieder zu mir. „Es tut uns sehr leid, die Sanitäter konnten nichts mehr für sie tun..."
„Was?" Meine Stimme brach als ein Lachen hervor. Dann Stille. Ich brauchte kurz, bis seine Worte bei mir ankamen. Sie ergaben keinen Sinn. Nichts ergab Sinn. Ich, ich hatte doch vorhin noch...
„Nein, das, das kann nicht sein. Ich habe vorhin mit Carol telefoniert..."
Ich stand auf, warum wusste ich selber nicht. „Das was Sie da erzählen sind Lügen. Meine Tante lebt! Warten Sie, ich rufe sie an, dann können Sie es selber sehen."
Die Tränen nahmen mir schon jetzt die Sicht, als ich mein Handy hervor kramte und durch meine Kontakte scrollte. Doch ich hielt sie zurück, ich dürfte jetzt nicht weinen. Es gab keinen Grund zum weinen.

„Hören Sie zu, Miss..."
Hinter mir waren Schritte, mit jedem näherte sich die Stimme. Aber ich ignorierte ihn und drückte stattdessen auf Carols Kontakt. Meine Hände zitterten, als ich mir das Handy ans Ohr hielt. Es wählte. Einmal, zweimal, dreimal. Bitte geh ran, bitte bitte bitte... Viermal, fünfmal. Nichts.

Langsam wurde mir klar, dass das hier kein schlechter Film, sondern die bittere Wahrheit war. Sie wird nicht ans Telefon gehen.
Tränen rannten über mein Gesicht und tropften auf das Display.
„Sie ist sicher gerade beschäftigt..." Ich umklammerte das Handy fester, hoffte ihren Namen gleich darauf aufleuchten zu sehen. Aber nichts passierte. Carol würde mich nicht mehr zurück rufen.

„Es tut uns sehr leid... Sollen wir jemanden für Sie kontaktieren?" Ich schüttelte den Kopf, presste die Augenlider aufeinander, doch die Tränen rannten trotzdem zwischen ihnen hervor.
„Nein. Meine Tante wird mich gleich zurückrufen..."
„Miss, ihre Tante ist-"
„Carol ist nicht tot!" Ich wollte nicht schreien, aber diese Typen machten mich rasend. „Verstehen Sie?! Meine Tante ist nicht tot, sie ist alles was ich noch habe und jetzt wollen Sie mir erzählen, dass sie nicht mehr da ist?! Das, das geht nicht..." Ich wankte ein paar Schritte zurück, bis ich plötzlich eine Tür im Rücken hatte, an der ich mich zu Boden sinken ließ. Meine Beine konnten mich ohnehin nicht mehr halten, alles in mir gab auf und ich verwandelte mich in ein Häufchen Elend, was heulend am Boden saß und sich fragte, womit sie das alles verdient hatte. Aber es war klar, Karma kommt immer dann, wenn man es am allerwenigsten erwartet...

In diesen Sekunden stürzte alles wieder auf mich ein. Gefühle von damals, Emotionen die ich nicht zurückhalten konnte und in Form von bitterlichem Schluchzen an die Oberfläche traten. Sie waren nie weg gewesen, ich war nur so lange vor ihnen weggerannt, bis ich dachte, sie hinter mir gelassen zu haben. Aber das habe ich nicht, und gestern war nur der Anfang gewesen. Jetzt holten sie mich ein und bestraften mich im Namen der Gerechtigkeit. Es war schlimmer denn je. Ich fühlte mich schrecklicher, als ich es damals - oder bei Heather getan habe.

„Es ist meine Schuld." Schluchzte ich vergebens. „Ich bin ein schrecklicher Mensch!" Völlig in meinem Wahn gefangen bemerkte ich gar nicht, dass sich die jungen Männer bereits zu mir gekniet hatten. Ich spürte nicht mal als mir einer von ihnen die Hand auf die Schulter legte. Mein ganzer Körper war taub, während mein innerstes Schmerzen in mir hervorrief, die der Hölle gleich waren.

„Es ist nicht Ihre Schuld, Sie können nichts dafür." Redeten sie auf mich ein. Immer und immer wieder, aber ich wollte davon nichts wissen. Ich wusste schließlich, dass sie unrecht hatten.
„Nein, Sie verstehen das nicht! Ich, es ist meine Schuld. Ich hätte gestern ans Telefon gehen sollen, als sie mich angerufen hat. Dann hätte ich vielleicht..." Ich brach mitten im Satz ab, als ich merkte, wie lächerlich das war. Was hätte das geändert? Vielleicht schon, womöglich wollte sie mich sehen, dann hätte ich ihr helfen können? Aber jetzt, jetzt ist es zu spät und ich kann nie wieder mit ihr sprechen. Ich kann ihr nie die Wahrheit über früher sagen, nie wie viel sie mir bedeutet hat und wie dankbar ich ihr bin, hier sein zu können.
Sie ist tot und wird nicht mehr zurückkommen.

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Hallo Freundeeeee,
Tut mir leid, dass ich hier so lange nichts hochgeladen habe, aber jetzt werde ich versuchen die ganzen restlichen Kapitel so schnell wie möglich zu veröffentlichen!

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat, lasst mir gerne eure Meinung da, darüber würde ich mich sehr freuen!!

See youuu <3

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt