❀ T H I R T Y F O U R ❀

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Angst flutete meinen zitternden Körper. Meine Atmung ging schneller. Ich spürte wie sich meine Lunge zusammenzog, immer wieder, wie ich vergeblich versuchte Sauerstoff zu atmen. Doch ich konnte nicht, als gäbe es keinen mehr. Als hätte die Dunkelheit alles verschluckt. Als gäbe es nichts um mich herum. Nichts, außer diesen Ort, die unendliche Tiefe hinter dem Abgrund, welcher nur darauf wartete mich ebenfalls zu verschlucken. Und ihn.
Ich stolperte zwei Schritte zurück, als er einen auf mich zu ging.
„Es tut mir leid!" Flehte ich, immer und immer wieder. Vergebens. Ich wollte das alles doch gar nicht! Er kam noch näher. Ein höhnisches Lachen entfloh seiner rauen Kehle.
„Du bist ein Monster!" Es klang schrecklich, wie die tiefste Hässlichkeit eines Dämons. Aber er hatte recht. Der Mann, wessen Gesicht sich hinter einem dunklen Schleier versteckte, hatte recht.
Ich war ein Monster. Und es war meine Schuld.
„Du bist eine verdammte Schlampe! Du hast nicht nur deins, sondern auch das Leben von zich anderen zerstört, dafür wirst du in der Hölle schmoren!" Die riesige Gestalt kam noch einen Schritt näher. Einen letzten, bis sie direkt vor mir stand und ihre Hand auf meine Brust legte. Eisige Kälte strömte in jede Faser meines Körpers, das Blut in meinen Adern gefror. Und dann war es zu spät. Ich wankte einen Schritt zurück, meine Hand auf der klaffenden Wunde, der gerade mein Herz entrissen wurde.
„Was-" Meine Stimme brach, Blut strömte meine Hand hinab. Ich sah zu meinem Gegenüber, das Herz in seinen Händen. Mein Herz in meinen Händen. Sie nahm ihre Kapuze ab und ich schaute in mein Gesicht.
„Was zum-" Ich stolperte noch einen Schritt zurück, sie lachte.
„Na, kennst du mich?" Ich wollte antworten, doch ich konnte nicht. Die Angst erstickte meine Stimme. Dann waren es nur noch Bruchteile von Sekunden, die an mir vorbei rasten, bevor das alles endete. Alles passierte viel zu schnell. Ich verlor das Gleichgewicht, wankte noch ein Stück zurück und trat ins nichts, ehe mich der Abgrund in die Tiefe riss. Und ich fiel. Es war zu spät um mich zu halten.

Ich fuhr hoch, ein Beben durchfuhr meinen Körper. Ich schnappte nach Luft, während mir unaufhaltsam die Tränen übers Gesicht rollten. „Shhtttt, was ist denn los?" Raunte mir David's Stimme entgegen, bevor mich zwei Arme eng umschlossen. Das war nicht echt, nur ein Traum. Nur ein verdammter Traum...
„Clara?"
„Es ist meine Schuld." Schmerzerfüllte Schluchzer erklommen meine Kehle. „Ich hätte ihr helfen müssen!" Ich wusste nicht, was ich da redete oder warum ich das sagte, auch wenn es die Wahrheit war. Aber das spielte in diesem Moment sowieso keine Rolle, denn was ergab überhaupt schon Sinn, wenn man bedachte, in welchem Bett ich hier lag...?

„Hör auf, es ist nicht deine Schuld, Clara." Flüsterte er in meinen Haaransatz, Schluchzen war meine einzige Antwort. Bitterliches Weinen und Wimmern, weil ich den Schmerz, welcher sich wie ein Fegefeuer durch meine Brust zog, nicht ertragen konnte.
„Es ist nicht deine Schuld, okay, verstehst du mich? Du kannst nichts dafür, an einem Herzinfarkt hättest du nichts ändern können."
Ich schüttelte den Kopf an seiner warmen Brust, welche bereits nass von all meinen vergossenen Tränen war. Sein Körper kam mir vor, als wäre er heißes Lava, seine nackte Haut glühte, wobei mir das vielleicht auch nur so vorkam, da ich im Gegensatz zu ihm kalt war. Ein Eisklotz, der langsam schmolz und all die Geheimnisse zum Vorschein brachte, die sich davor im verborgenen hielten.

„Doch." Erwiderte er strickt, aber ich wusste, dass er unrecht hatte.
„Du kannst nichts dafür, okay?" David umarmte mich noch fester, zog mich auf seinen Schoß und ich bekam kaum mit, wie seine Hände rundliche Formen auf meinem Rücken zeichneten, wie er alles dafür tat mich nicht auseinander fallen zu lassen.

„Ich meine nicht Carol." Flüsterte ich schließlich, aber meine Stimme klang erstickt, irgendwie leblos. Als hätte ich in diesem Moment das Schicksal angenommen, dass ich mitverantwortlich an ihrem Tod bin.
„Was?" Fragte David und ich wusste, dass ich ihm jetzt eine Erklärung schuldig war. Das war ich ab dem Moment, in dem das zwischen uns nicht mehr nur Sex war.

Ich wusste nicht wie viel ihm wirklich daran lag, die bereits gebrochenen Scherben meiner selbst zusammen zu halten und wie sehr er selber darunter litt mich so zu sehen. Mir war nicht klar, was in diesem Augenblick in seinem Herz vor sich ging, mit was für Dingen er kämpfte, nur um nicht selber unter der Last von Erinnerungen zu brechen. Nur um für mich stark zu sein. Natürlich wusste ich es nicht. Er hat mir schließlich nie davon erzählt. Genauso wenig, wie er mir erzählt hatte, was damals passiert ist. Bevor wir uns kennengelernt haben. Denn hätte ich das gewusst, dann hätte ich ihm sicher niemals erzählt, was als Nächstes kam...

„Was meinst du, Clara?"
Mein kraftloser Körper ließ sich problemlos von seinem lösen, als er mich an den Schultern von sich wegdrückte und mich ansah. Der tobende Sturm in meinen Augen war längst abgeschwächt, was zurückblieb, waren nur noch die schleppenden Überreste einer kühlen Welt, in der es nichts mehr gab, außer die erstickenden Schmerzen, welche mit jedem Herzschlag erneut in meinen Körper strömten. Hörte das jemals wieder auf?

„Bitte sei mir nicht böse, ich wollte dich da nie mit reinziehen..." Tränen tropften von meinem Gesicht, als ich in seine glitzernden Augen sah. Da wo normalerweise dieses Strahlen war, diese Wärme, von der ich mich so angezogen fühlte, da waren jetzt tausend andere Dinge, die nicht im Ansatz dem ähnelten, was da eigentlich hätte sein müssen. Freude, Licht, irgendwas, was dem David gleich kam, den ich kannte. Stattdessen tiefe Schwärze, Schmerzen die ich in ihm verursacht habe, weil ich nicht ehrlich war. Könnte ich die Zeit zurückdrehen würde ich es tun, wirklich.

„Was ist passiert?" Seine Stimme zitterte, aber er unterbrach den Augenkontakt keine Sekunde lang. Als wollte er sichergehen, dass ich nicht weglaufe, jetzt wo er wusste, dass es da etwas gab, was ich ihm verheimlicht habe. Und ich würde wahrscheinlich lügen, wenn ich sage, dass ich das gerade nicht gerne tun würde. Doch dafür war es jetzt zu spät. Ich rannte bereits mein ganzes Leben, in der Hoffnung, die Vergangenheit irgendwann hinter mir lassen zu können...

Promised Love - the stranger in my bed | LH FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt