KAPITEL 26

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Was fühlen wir, wenn wir sie wiedersehen? Sie, unsere große Liebe. Sie steht einfach da, nach Jahren, lächelnd, wissend oder unwissend über unsere Gefühle, die wir damals hatten, damals vielleicht sogar vergeblich verdrängten und vielleicht sogar noch heute haben, vielleicht noch heute verdrängen. Was fühlen wir, wenn wir in die Augen sehen, in denen wir einst versanken? Fühlen wir das gleiche, was wir damals gefühlt haben oder fühlen wir doch ganz anders? Wie viel Emotionen dringen in unsere leere Hülle hinein, wenn dieser eine Mensch vor uns steht? Sind wir gelähmt von den Schock des Momentes, der Freude des Wiedersehens oder der Schmerzen der vergangenen Jahre? Sind es nicht alle Emotionen, die aus uns einschlagen wie meteoritengroße Hagelkörner? Verletzen sie uns, oder wecken sie uns lediglich aus unserer Trance? Was tun diese Gefühle mit uns, die wir doch gar nicht haben wollen? Schützen sie uns vor neuen Fehlern oder lassen sie unsere alten Narben erneut aufplatzen? Die Frage, die sich dann wie von Zauberhand selbst stellt ist; Waren die Wunden jemals geschlossen und verheilt? Und nun steht man einfach dort, starr wie ein Fels - doch die Welt dreht sich weiter. Und die große Liebe ist noch immer da, noch immer lächelnd und dieses Mal unwissend darüber, dass sich die Gedanken immer noch um sie drehen. Doch plötzlich ist es unwichtig, wie viel Zeit vergangen ist, wie viel Schmerz man gespürt hatte oder wie oft man verletzt wurde oder wie oft man selbst verletzt hat. In diesem Augenblick, in der die große Liebe vor einem steht, in diesem Augenblick zählt nur das Gefühl, während des erneuten ersten Blickes.

Es war wie in einem dieser klischeehaften kitschigen Filme, wenn Sie vor einem steht, während es bitterkalt regnet - und doch der Körper vor Gefühlschaos nur kocht. „Was tust du hier?" krächzte ich, verlor meine Fassung, sogar meine Würde. Nur durch einen einzigen Blick wurde ich die, die ich nicht mehr sein wollte. „Du bist noch schöner geworden." Flüsterte die sanfte Stimme. Ihre eiskalten Hände bahnten sich einen Weg zu meiner Wange, doch ich schlug sie leicht weg und stolperte einige Schritte rückwärts, bis ich auf den harten matschigen Waldboden vor meinem Haus fiel und ihr schutzlos ausgeliefert war - so wie damals. Sie hielt mir ihre Hand hin, doch ich nahm sie nicht. Ich wollte sie nie wieder nehmen, dass schwur ich mir. Schnell stand ich wieder auf, putzte mir oberflächlich den Schmutz von meiner Kleidung und öffnete die Eingangstür. Doch ehe ich sie wieder hinter mir schloss, drehte ich mich um und sah in ihre Augen, die mich so erwartungsvoll und flehend ansahen. „Es ist kalt und es regnet in Strömen, komm rein, aber wenn das Unwetter vorbei ist, gehst du wieder." Fauchte ich und hielt widerwillig die Tür auf. Ihre rosigen Lippen formten sich zu einem riesigen Grinsen welches ich mit Augenrollen abwertete. Mir gefiel es nicht, dass sie hier war, dass sie wusste, wo ich bin, doch ich konnte sie nicht aufhalten - das konnte ich noch nie. Langsam betrat sie mein noch dunkles Haus, befreite sich von dem durchnässten braunen Mantel und sah mich erwartend an. Mit leichtem Kopfschütteln riss ich ihr beinahe den Mantel aus ihren Händen und legte ihn auf die Warme Heizung, sodass er zumindest ein wenig trocknete, solange sie hier ist. Ich hoffte, der Sturm wütete nicht mehr allzu lang. Langsam zog auch ich meine schmutzige Jacke aus, und legte sich erst einmal auf die dunkle Kommode. Die Kommode, gegen die Catherine mich presste. Catherine - ich log sie an um sie und mich zu schützen. Ich wusste sofort, dass es das Beste für uns war, doch warum fühlte es sich denn so falsch an? Doch länger konnte ich nicht darüber nachdenken, denn die Wärme, die sie ausstrahlte, spürte ich an jeden Körperteil. Sie stand direkt hinter mir und hauchte ihren warmen Atem in meinen Nacken, was mir einen ungeheuerlichen Schauer hinterließ. „Warum?" wimmerte ich, während sie ihre Hände auf meine Schultern legte. „Weil ich dich vermisst habe, weil ich dich vermisse." - „Zwei verdammte Jahre, du hattest die ganzen verdammten zwei Jahre Zeit. Doch du bist nicht gekommen, du warst nicht an diesem Tag da, obwohl du hättest mein ganzen Leben verteidigen können und zu etwas besseren machen können, doch ich musste allein durch diese Hölle, also sag mir nicht, dass du mich vermisst hast, wenn du nichts dafür getan hast um mich zu sehen oder zu hören." Sagte ich etwas lauter und verlor somit meine Fassung. „Lass uns darüber reden, bitte Honey." 'Honey' so nannte sie mich immer und ich liebte es, doch jetzt, jetzt hasste ich es, jetzt widerte es mich völlig an. War es Schicksal, dass sie nun vor meiner Tür steht, oder war es das geplante Leben meiner Vergangenheit? Ich drehte mich zu ihr um und sah sie eindringlich an. Ihre Schönheit verblasste auch nach den 2 harten Jahren nicht, denn noch immer sah sie so wunderschön aus. Sie sah genauso aus wie an dem Tag, an dem ich sie zum ersten Mal sah, wie an dem Tag, als ich sie zum ersten Mal küsste, wie an dem Tag, an dem ich mich unsterblich in sie verliebt habe. Jordan stand vor mir, ja wahrhaftig vor mir, und sie wollte nicht gehen. Ich merkte es, dieses Mal wollte sie nicht einfach flüchten, wenn es gefährlich wird. Sie war, ist und bleibt meine erste Liebe - dies war noch heute schwer zu verkraften. Denn als sie ging, am Tag meines Schicksals, nahm sie mir alles, was ich noch hatte. Und jetzt steht sie vor mir, schuldig und doch unschuldig und es fühlte sich so an, als wenn die ganzen zwei Jahre nie gewesen wären, als wenn sie nur einen Tag oder nur einige Stunden verschwunden war. Es fühlte sich so an, als wenn sie alles wusste, was ich in den zwei Jahren durchgemacht habe - und doch wusste sie nichts. „Wer war die Frau in deinem Wagen?" fragte sie mich liebevoll und doch sah ich einen Hauch von Eifersucht in ihren Augen. Kurz dachte ich angestrengt nach, entschied mich dennoch für eine Lüge. „Niemand, eine flüchtige Bekannte." - „Habt ihr euch sehr gestritten?" - „Nein, es ging nur um.. nichts wichtiges." Sagte ich und schluckte schwer, denn an Catherine zu denken brachte mir nichts als Schmerz, obwohl Jordan vor mir stand, die mir einst das Herz in tausend Teile brach. Doch in der Rolle von Catherine und mir, war ich diejenige, die das Herz brach und Catherine war diejenige, deren Herz blutete. Doch ich konnte nicht allzu lange darüber nachdenken, denn ihre eiskalte Hand traf mein warmes errötetes Gesicht und legte sich nun auf meine Wange. In diesem Moment wurde alles um mich herum vernebelt und es fühlte sich an als wären wir, nur wir beide in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt, weit weg von hier, weit weg von der Vergangenheit - und doch ganz nah an ihr heran. Sie schaute mich ein letztes Mal an, bevor sie ihre Augen für diesen einen Augenblick schloss. Näher, immer näher kamen ihre Lippen an meine. Für einen Moment zog ich meinen Kopf zurück, doch es war bereits zu spät und ich konnte nicht anders, als zuzulassen, was nun passierte. Sie presste ihre kalten, fast schon blauen Lippen auf meine warmen rosigen. Es fühlte sich an, als wenn der Strom durch das Wasser gelangt und man in das Wasser springt. Die Stromschläge die durch meinen kalten Körper gelangten waren unmenschlich stark, ich wusste nicht, ob dies positiv oder negativ war. Langsam presste sie mich gegen die Kommode und ich stütze mich gegen diese, denn hätte ich mich nicht gestützt, wäre ich wohl möglich gefallen, tief in meine eigene pechschwarze Schlucht. Ich riss meine Augen weit auf und als ich sie von mir schubste beendete ich somit den Kuss, aus Angst, dass mir der Boden unter den Füßen verloren geht, öffneten sich auch ihre leuchtenden Augen. Ich sah sie erschrocken an, erschrocken über ihre Tat und meine Augen weiteten sich sekündlich. Mit großer Kraft traf meine Hand ihr erblasstes Gesicht. Es war ein Reflex und nun sah sie mich mit Tränen in den Augen an. Obwohl es mich innerlich auffraß wenn sie traurig war und ihre Augen sich mit Tränen füllten, faszinierte mich immer wieder welches Glitzern sich nun entwickelte.

Bild: Jordan
Song: Sexondhand Serenade - Why

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