KAPITEL 27

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Wo warst du, als ich dich all die Stunden gebraucht habe? Wo warst du, als ich bitterlich weinte in jeder schwarzen Nacht? Wo warst du, als ich um mein Leben kämpfen musste in dem kalten leeren Saal? Wo warst du, als sie sagten ich sei frei und es ist nicht meine Schuld? Wo warst du, als ich dich jede Sekunde vermisst habe? Du warst nicht da, warst nicht bei mir. Doch ich überlebte, atmete schwer, lächelte nie. Jetzt konnte ich lächeln, konnte atmen, lebte. Und jetzt tauchst du auf und alles fühlt sich so fern an, das atmen, das lächeln, das leben. Alles fühlt sich so an, als hätte es nie stattgefunden. Es ist so, als wärst du noch immer weg, obwohl du vor mir stehst. Es ist so, als wenn ich versuche dich zu berühren, doch du nur ein Nebelschleier bist. Es ist so, als wärst du nie gewesen, nur der Schmerz bleibt bei mir.

Schnell entfernte ich mich von Jordan. Erschrocken über meine eigene Tat und dennoch selbstbewusst trat ich in das Wohnzimmer hinein. Sogleich folgte sie mir, noch immer mit den Glanz in ihren Augen und die Tränen die sich nun einen Weg auf ihrer Wange bahnten. "Willst du etwas trinken?" fragte ich sanft und doch klang meine Stimme so verletzlich. "Jack Daniels, wenn du so etwas noch besitzt." Ich verdrehte meine Augen, sie hatte ihre Trinkgewohnheiten also auch nach 2 Jahren nicht geändert. Dennoch hatte ich noch eine Flasche. Ich nahm sie aus den Schrank, öffnete sie und füllte zwei Gläser mit dem stark riechenden Alkohol. Schnell reichte ich ihr das Glas, welches sie dankend annahm und mir auf die Couch folgte. Als ich nach draußen sah, seufzte ich, denn der Sturm zog nicht vorbei und ich befürchtete, dass Jordan wohl oder übel die Nacht hier bleiben musste. Schnell schrieb ich Olivé und Audrey eine Nachricht, bat sie, dass sie die Nacht auf Mariella aufpassen würden, was sie sofort herzlich bejahten. Für Mariella waren die beiden ihre Tanten, die Lieblinge, wenn Mami schimpfen musste. Und mir war das absolut recht. Kurz lächelte ich bei den Gedanken, dass meine Tochter auch ohne Vater glücklich ist, aber mein Lächeln verblasste als die blonde Frau neben mir ihre Hand auf meine legte. Meine Augen weiteten sich, Angst, Panik und ein wenig Wut brachen in mir aus und verteilten sich durch jede Faser meines Körpers. Ich hatte Angst, ich würde ihr wieder verfallen, wieder wie vor 2 Jahren, und wieder so hart auf den Boden aufkommen, weil sie mich verlässt. Mit anften Blick sah sie mich an und strich eine braune wellige Strähne aus meinem Gesicht, ehe sie sich meinen Händen widmete und mit ihnen spielte, sie zart streichelte.

"Ich habe dich vermisst." sagte sie und sah mich verzweifelnd an. "Du vermisst mich?! Ist das dein Ernst Jordan? Du vermisst mich nach all der ganzen Zeit? Nach all dem ganzen Schmerz den du mir zugefügt hast, und das auch noch gewissentlich? Du hast mich nie vermisst! Denn dann hättest du dich gemeldet, du hättest irgend einen Weg gefunden, vor mir zu stehen wie du es jetzt tust. Du hattest so unendlich viele Möglichkeiten dich bei mir zu melden aber du hast es nicht getan. Denn alles war dir wichtig, alles nur nicht ich. Und das nach all den gottverdammten Jahren die wir miteinander verbracht haben. In all den Nächten, nachdem wir fertig waren, an der Stange zu tanzen für irgendwelche perversen alten Männer, an denen wir zusammen nach Hause gingen und zusammen einschliefen. Nach all den Momenten in denen wir uns küssten und uns ewige Treue schworen. Nach all den ganzen Jahren, kommst du nach zwei Jahren wieder zu mir, stehst vor mir und sagst du vermisst mich?! Ich kann dir das nicht glauben, ich kann dir nichts mehr glauben Jordan. Denn du hast mich so oft angelogen, so oft betrogen, beklaut, verletzt, dass es mir jetzt schwer fällt, irgend etwas aus deinem dreckigen Mund zu glauben. Du warst schon immer eine falsche Schlange, eine falsche Schlange die ich so sehr geliebt habe. Und zwar so sehr, dass ich für dich alles aufgab. Meine Verbindung zu meiner Mutter, meine Freunde, mein normal geregeltes Leben, meine Unabhängigkeit, meine Würde. Ich war besessen von dir und dem Koks, sodass ich es nicht einmal eine Nacht schaffte, ohne dich zu sein. Aber dann kam der Tag wo alles tiefhängend schwarz-weiß und schwer war, und genau an diesem Tag lässt du mich einfach sitzen und fliehst vor den Problemen. Du warst nicht für mich da, nicht einmal an dem Tag, an dem du meine Unschuld auch hättest beweisen können! Nein, lieber bist du abgehauen und hast dir irgendwo mit einer deiner neuen Huren Koks reingezogen und so getan als würde es mich nicht geben. Du bist ein verdammt schlechter Mensch und das weißt du. Und dennoch bist du so unhöflich und dreist und kommst hier her und sagst du vermisst mich?! Du hast mich nie vermisst Jordan, niemals. Du hast nie gelitten wegen mir - ich dafür umso mehr. Und nun hatte ich diese eine Frau, diese eine die mich endlich wiedee erwärmte. Und doch wurde alles zerstört, jetzt stehst du hier und alles in mir schreit nach Chaos." - "Baby..bitte lass es mich erklären.." - "Nein, nenn mich nicht so! Weißt du wie verdammt schwer es war für mich, ohne dich? Kannst du das in irgend einer Weise verstehen? Nein, das kannst du nicht. Du bist einfach gegangen, einfach wortlos verschwunden und hast mich allein gelassen. Und du kannst dir nicht vorstellen wie grauenvoll es für mich war, für mich ist. Tag für Tag denke ich an dich, an jedem Ort, mit jeder Handlung die ich tue, steigen die Erinnerung von uns beiden hoch wie Erbrochenes. Du hast keine Ahnung, wie es mir ergangen ist in den letzten 2 Jahren. Jede Frau, jede gottverdammte Frau habe ich mit dir verglichen und habe sie ziehen lassen. Doch dann kamen Frauen, 2 Frauen die so ganz anders waren als du. Für die eine Frau, war ich der Retter und letzter Stunde, und es war nur eine Frage der Zeit bis unsere Sanduhr auch das letzte Korn verloren hatte. Und für die zweite Frau, diese wunderbare und fantastische Frau, für diese war ich der Untergang, selbst bei ihr konnte ich vor meiner Vergangenheit nicht fliehn. Ich musste kämpfen, mich quälen, mich verstecken. Ich musste leiden, weinen, schreien und in nächster Sekunde die glückliche und fröhliche Mutter meiner Tochter zu spielen. Also sag mir nicht das du verstehen kannst, wie es mir geht. Du verstehst gar nichts, denn du bist gegangen."
- "Ich vermisse dich noch immer." sagte sie wieder und plötzlich, wie auf Knopfdruck und Verlangen presste ich meine Lippen auf ihre. Ohne zu wissen, ob ich all das wollte, lies ich einfach zu was auf mich drauf zukommt. Doch es war kein Kuss voller Liebe und Lust, es war ein Kuss voller Schmerz und Leid. Denn ich war endlich ehrlich zu mir, mein Leben würde nie etwas besseres werden als ein Haufen voller Scherben. Und in dem Kuss wurde ich wieder die, die ich vorher war. Ich war Theresa - eine kokainabhängige Stripperin mit einer kleinen Tochter, die unsterblich in einer Frau verliebt war, welche sie für immer verloren hat. Und ich nahm die Alternative, Jordan, in Kauf, denn ich konnte nicht länger darauf warten, dass das Monster in mir verschwinden würde.

Kennst du das, du willst der Spielemacher des Lebens sein, doch das Schicksal ändert die Spielregeln? Du fühlst dich machtlos, obwohl du immer die Kontrolle hattest. Dein Atem steigt - du schreist, weinst, bleibst doch die Welt steht nicht still. Alle gehen nur du bist versteinert. Und jetzt, jetzt bist du nicht mehr der Spielemacher, jetzt bist du ein wertloser Bauer der nach Hilfe schreit, doch nicht gehört wird.

Let me be your poem [girlxgirl]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt