5. Nächtliche (miese) Überraschung

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Die Fakeln in den Händen der Wikinger leuchteten und die Menschenmasse bildete einen Weg durch sie hindurch, sodass zwei Hälften entstanden. Vier Berkianer gingen mit gleichmäßigen Schritten durch diesen Gang hindurch, zwei vorne, zwei hinten. Alle zusammen trugen ein großes und breites Holzbrett. Auf diesem lagen die zwei Verstorbenen. Die Wikinger kamen dem Meer immer näher, wo ein Boot anlegte. Tränen wurden vergossen und traurige Blicke wurden zu Boden geworfen. Ganz vorne in der Menge stand die letzte Hofferson, die aus dem Weinen nichtmehr heraus kam. Ihre Wunde im Gesicht und die auf ihrem Bein wurden gereinigt, damit es sich nicht entzündet. Die Trage wurde gerade an ihr vorbei transportiert. Niedergeschlagen schaute Astrid auf ihre Eltern, dessen Wunden versorgt worden und die Augen geschlossen waren. Dieses Bild ließ Astrids Herz verkrampfen und noch mehr schluchzten. Hicks, der neben ihr stand, nahm ihre Hand und drückte sie ganz fest. Selbst ihm war eine Träne gekommen, einerseits, da er Astrids Eltern ziemlich gerne hatte, andererseits, da dieser Anblick von Astrid tief im Herzen wehtat. Die Liege wurde auf einen großen Holzstapel am Boot gesetzt. Astrid sah traurig zu Hicks hoch, der ihr zunickte. Die junge Frau musste schlucken und trat nach vorne. Hicks ließ zwar ihre Hand los, blieb aber dicht hinter seiner Freundin. Die Wikinger, die die Hoffersons getragen hatten, legten eine seidene hellbraune Decke über das Elternpaar und stiegen dann aus dem Boot. Das war das letzte Mal, dass Astrid ihre Eltern sehen konnte. Mehrere Berkianer verteilten Bögen und Pfeile, während ein Lagerfeuer entfacht wurde. Man gab dem Boot einen Schupser und es trieb geradewegs ins Meer hinaus. Astrid wischte sich die Tränen weg und schniefte noch einmal. Sie sah dem Boot hinterher, während sie sprach: ,,Mögen euch die Valküren willkommen heißen und durch Odins großes Schlachtfeld führen...Mögen sie euren Namen preisen in Liebe und Raserei, sodass wir sie schallen hören in den Tiefen von Wallhall'. Und wissen, dass ihr an der Tafel der Krieger teilgenommen habt. Denn heute sind zwei große Menschen gefallen. Krieger, Freunde, Verwandte...Eltern" Astrid schluckte bei diesem Wort kurz. Sie hielt den Pfeil ins Feuer, wodurch sich dieser sofort entzündete. Die Wikingerin spannte die Waffe in den Bogen, ließ sie aber noch hängen. Sie kniff ihre Augen zusammen und musste sich zusammen nehmen, um dies jetzt zu tun. Schließlich vollführte sie den Schuss nach kurzem Zögern. Geradewegs schoss der Pfeil auf das Boot und traf das Holz. Langsam aber sicher begann das Material zu brennen. Die anderen Berkianer, die inzwischen ihre Pfeile ebenfalls mit Feuer entfacht hatten, richteten ihren Bogen nach vorne und schossen ab. Reihenweise trafen die Objekte das Holz und schon nach kurzer Zeit brannte das ganze Boot. Astrid flüsterte, während alle Leute schweigend zuhörten: ,,Egal was man versuchen wird, nichts wird mich daran hindern können, euch zu rächen. Wer diese Tat vollbracht hat, wird seine gerechte Strafe bekommen. Ich werde nicht aufgeben, ich werde euren Mörder suchen, bis ich eines Tages bei euch in Wallhalla ankomme." Kurz schwieg Astrid, bis sie wieder sprechen konnte: ,,Euer Tod war ehrenhaft. Ihr seid der Ehre der Familie treu geblieben und habt stets als Krieger die schwierigsten Zeiten durchlebt. Dies werde ich nun übernehmen müssen. Ich werde euch treu bleiben und weiterkämpfen bis ich ebenfalls einmal falle...Ich werde euch nie vergessen. Durch euch bin ich die Astrid Hofferson geworden, die ich heute bin. Wir alle...werden euch nie vergessen, da ihr euch viel zu tief in unseren Herzen eingesetzt habt." Schweigend blickte Astrid wieder zu Boden. Tränen nahmen ihren Weg von den Augen über die Wangen. Die junge Dame spürte, wie jemand seine Hand auf ihre Schulter legte und sprach: ,,Die Versammlung ist zu Ende. Zieht euch wieder in eure Hütten zurück und gönnt euch Schlaf." Eindeutig Hicks' Stimme. Astrid merkte, wie immer mehr Wikinger den Ort verließen und ihre Hütten betraten. Ihr Freund drehte sich wieder zu ihr und wisperte leise: ,,Na komm, wir sollten auch wieder zurück." Die junge Wikingerin wischte sich die Tränen mit ihrem Handrücken weg und nickte leicht. Sie sah in Hicks Gesicht, der sie milde, aber ermutigend anlächelte. Er nahm ihre Hand und führte sie zu seiner Hütte. Er ging die ganze Zeit über neben Astrid, ihm war es egal wie langsam sie ging. Er ließ seiner Freundin die Zeit, die sie brauchte. Ohnezahn schlief heute bei Sturmpfeil und den Drachen von Astrids Eltern, um sie zu unterstützen. Angekommen, schloss Hicks hinter ihnen die Türe und wanderte gemeinsam mit Astrid die Treppen hinauf. Oben angekommen, zündete Hicks eine Kerze an, da es so dunkel war, und beschloss: ,,Am besten wir gehen gleich schlafen." Wieder nickte die Wikingerin nur kurz und zog ihren Rock, ihre Schulterschützer mit der Kapuze und die Schuhe aus. Die Bänder und die Fellhandschuhe striff sie sich von ihren Armen. Hicks zog sich ebenfalls die Rüstung und den Schuh aus. Er legte sich auf das Bett, wo Astrid schon längst Platz genommen hat. Hicks hatte sich hingelegt, Astrid allerdings saß aufrecht an der Wand gelehnt. Sie musste sich die Tränen unterdrücken und schaute schweigend auf das Bett herab. Der braunhaarige Wikinger richtete sich wieder auf und rutschte näher zu Astrid. ,,Willst du nicht schlafen?",fragte Hicks leise,während er Astrid langsam über den Arm strich. Die Blonde schüttelte kurz den Kopf und wisperte: ,,Ich kann nicht." Ihr Freund hob leicht seine Mundwinkel und sprach leise: ,,Versuch es doch wenigstens." Astrid sah ihn kurz zweifelnd an, versuchte es dann zumindest und legte sich hin. Hicks rutschte zu ihr hinunter und beugte sich über sie, den einen Unterarm neben ihrem Kopf abgelegt. Wieder schenkte er seiner Freundin dieses ermutigende und warme Lächeln, welches Astrid nur schwach durch das Kerzenlicht erkennen konnte. Er strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und flüsterte: ,,Du schaffst das schon. Du bist doch meine tapfere und mutige Kriegerin." Endlich sah er einen Anblick, den er sehnlichst vermisst hatte. Ein kleines und mildes Lächeln. Bevor Hicks es sich ebenfalls  gemütlich machte, gab er der Blondine noch einen sanften und kurzen Kuss auf die Lippen. Dann pustete er die Kerze aus und schlief nach kurzer Zeit ein.

Es war schon nach Mitternacht, als Hicks geschockt durch einen festen Schlag auf seiner Brust aufwachte. Dieser wurde verursacht, indem sich Astrid ruckartig aufrichtete und reflexartig ihren Freund schlug. Die Wikingerin vergrub ihren Kopf in ihren Händen und zog die Beine zu sich. Blinzelnd schaute der braunhaarige Wikinger zu seiner Freundin und setzte sich zu ihr. Beruhigend streichelte er Astrid über den Rücken, während er besorgt fragte:,,Hey, Hey...Was ist denn los?" Astrid musste sich etwas beruhigen, um zu antworten. Als dies der Fall war, schluchzte sie: ,,Alptraum." ,,Oh nein...Erzähl'." Der junge Mann rückte näher zu der Wikingerin. Verweint erzählte Astrid: ,,Ich war in meinem Haus...Meine Eltern sind friedlich am Tisch gesessen, haben glücklich miteinander geredet und gelacht...aber dann sind sie ganz plötzlich...nach vorne gekippt und..." Die junge Dame vergrub ihren Kopf weiter in ihre Arme und weinte mehr. Gerade wollte sie weiter davon berichten, als Hicks sie unterbrach: ,,Ssshh...Ich weiß schon...du musst es nicht sagen..." Die Blonde sah kurz auf zu Hicks und erklärte: ,,Dann...ist plötzlich die Türe aufgesprungen und du bist herein getreten...Und auf einmal bist du vor...meinen Füßen...tot...auf den Boden gefallen..." Am Ende konnte Astrid nichts weiter als weinen und schluchzen. Dieser Alptraum war viel schlimmer gewesen, als er nun zu klingen schien. ,,Oh Astrid....", murmelte Hicks und hob Astrid leicht an. Er bildete einen Schneidersitz und setzte Astrid hinein. Fest, aber sanft, drückte Hicks die blonde Schönheit zu sich, sodass sie ihren Kopf auf seiner Brust in seinem Shirt vergraben konnte. Sie presste sich gegen ihren Freund und weinte seine Kleidung voll. ,,Ich konnte nichts tun...", zweifelte Astrid mit einer zittrigen Stimme.
Was war nur mit ihr los? Die Wikingerin verstand es einfach nicht. Sie konnte nicht aufhören, zu weinen. Es funktionierte einfach nicht. Trotz der Tatsache, dass Astrid eigentlich keine Heulsuse war. Aber wie es aussah, war sie zu einer geworden. Oder es waren tatsächlich diese schlimmen Effekte von Verlusten.
Die eine Stelle des Stoffes von Hicks' Hemd war schon ganz nass. ,,Ssshh ich bin ja da...", flüsterte Hicks leise und legte seinen Kopf auf ihrem ab. ,,Hey....Ich bin hier, mir geht es gut.",versuchte der junge Mann es weiterhin. Nach sehr langer Zeit des Weinens und leise Zuredens, ließ Astrid von Hicks ab und setzte sich wieder auf ihre Bettseite. ,,Also nochmal...Du musst vor nichts Angst haben. Ich bin hier, du bist hier und es geht uns beiden gut, wir sind nicht verletzt.", sprach Hicks leise und sah Astrid sanft an. Die blonde Frau nickte kurz. Ihr Freund seufzte leise und wisperte: ,,Solche Alpträume habe ich ein paar Tage hintereinander nach Vaters Tod auch gehabt. Das kann man irgendwie nicht vermeiden. Aber glaub mir, es wird besser." Wieder gab Astrid nur ein schwaches Nicken von sich. Der Wikinger gab seiner Freundin einen Kuss auf die Wange und flüsterte: ,,Versuch wieder zu schlafen." Zögernd nickte Astrid. Wieder legten sich die zwei hin, nur diesmal mit dem Unterschied, dass sie eng aneinander gekuschelt einschliefen.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt