20. Wenig Information, aber viel zu verdauen

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,,Die Seuche der Götter?!“
Geschockt starrten die zwei Wikinger auf den Zettel, den Hicks in den Händen hielt. Gothi merkte, wie sich die Körper der jungen Erwachsenen anspannten. Die grünen und blauen Augen wandten sich nicht von dem Titel des Zettels ab. Das Paar stand nur mit offenen Mündern im Raum. Nach ein paar Sekunden löste sich das Stammesoberhaupt aus dieser Pose und gab verdutzt zu: ,,Ich habe noch nie davon gehört.“ Astrid tat es ihm gleich - Sie richtete sich wieder normal auf und verkündete: ,,Ich auch nicht.“ Genervt verdrehte die Älteste ihre Augen, um den Blicken des Paares auszuweichen und deutete mit ihrem Stock auf das Blatt Pergament. ,,Oh...Ja, natürlich“, murmelte der Braunhaarige leicht peinlich berührt. Seine Augen fixierten wieder das Papier in seinen Händen und er begann den Text, welcher vor langer Zeit geschrieben worden und daher leicht verschmiert war, laut vorzulesen: ,,Die Seuche der Götter: Heutzutage sagt dieser Name keinem einzelnen Wikinger etwas, da diese Krankheit schon seit vielen Jahrhunderten ausgestorben ist. Seitdem ein ganzes Volk wegen ihr ausgelöscht worden ist, hat niemand mehr, der dieses grausame Ereignis mitbekommen hat, diese Krankheit erwähnt. So vergaßen die Menschen die große Gefahr, die sich in der Seuche der Götter verbarg.“ Hicks musste eine kurze Pause einlegen, um zu schlucken und sich wieder zu fassen. Genauso wie das von seiner Freundin, klopfte sein Herz wie wild und ein Schauer durchfuhr seinen Rücken. Sogar jetzt schon klang diese Krankheit äußerst gefährlich und furchteinflößend. Um wie viel größer würde dieses Gefühl der Furcht erst werden, wenn der Mann die weiteren Informationen gelesen hat? Nach einem tiefen Atmenzug, der im Gegensatz zu den kränklichen von der letzten Hofferson nichts war, setzte der 20-Jährige fort: ,,Die Übertragung wird durch ein giftiges Kraut ausgeführt. Der Name der Pflanze: Unbekannt.“ Innerlich stöhnten Hicks und Astrid laut auf. Dann überlegten sie, dass Kruor dieses Kraut vermutlich mit in dieses Getränk gemischt hatte. ,,Die Seuche der Götter ist nicht ansteckend. Wenigstens etwas!“, triumphierte das Oberhaupt kurz und knapp. Die Blondine neben ihm brachte kein einziges Wort heraus, da dies ihr leichten Schmerz bereiten würde. Sie ließ stattdessen ihre schweren Atemzüge hören und blickte weiterhin auf das vorher aus dem Kasten herausgenommene und aufgerollte Pergament. ,,Es gibt drei bestimme Phasen, die als ,,Schritte“ bezeichnet werden.“ Verwundert zog der Drachenreiter seine Augenbrauen zusammen, während seine feste Freundin sich fragte, wer so einen eigenartigen Satz schreiben konnte. ,,Der erste Schritt: Hier erträgt man wiederrum einzelne, kurze Phasen, in denen man sich kaum auf den Beinen halten kann und sich irgendwo festhalten muss, um nicht umzufallen.“ ,,Das trifft zu“, presste die betroffene, junge Dame hervor. ,,Man vermutet, dass einen eine sehr heftige Übelkeit überfällt.“ ,,Trifft nicht zu“ ,,Die Gewohnheit an das Klima verändert sich und einem ist manchmal sehr kalt und ein anderes Mal äußerst warm.“ ,,Trifft zu.“, berichtete die Wikingerin wieder. In Gedanken vertieft zu wirkend las Hicks weiterhin vor: ,,Hier steht, dass der erste Schritt zwischen zwei bis sechs Tage andauert. Beim zweiten Schritt ist es unbekannt. In diesem kann man sich kaum bewegen, keinen Muskel rühren und fast kein Wort mehr herausbringen. Außerdem verspürt man durchgehend Schmerz.“ Vor Entsetzen die Augen genauso wie der junge Erwachsene neben ihr aufgerissen, wich Astrid einen Schritt zurück. Mit einer etwas zitternden Stimme fuhr der Drachenreiter fort: ,,Der dritte Schritt: Hier steht, er dauert ungefähr ein oder ein paar Stunden an. Man liegt durchgehend in purem, intensivem Schmerz, kurz bevor man...nach Wallhalla zieht.“ Kurz machte das Stammesoberhaupt eine Pause und kniff dabei wie seine Freundin fest die Augen zu, ehe er sie wieder öffnete, schluckte und zum letzten Absatz blickte. Allerdings standen dort nur zwei Worte. Zwei Worte, die seine Hoffnung in den Abgrund stürzen ließen. Zwei Worte, die die ganze Welt dazu bringen schienen, sich zu verdunkeln. In einen düsteren schwarzen Farbton. Zitternd beendete die Vorlesung: ,,Gegengift: Unbekannt“ Astrids Augen weiteten sich und sie stotterte verunsichert: ,,St-Steht da noch etwas?“ Während die Drachenreiterin fast schon hörbar schlucken musste, sprach Hicks mit einer dunklen Stimme, die seinen Pessimismus deutlich zeigte, aus: ,,Nein...“ Die blonde Kriegerin holte einen tiefen Atemzug, schloss dabei krampfhaft die Augen, verdaute dabei, über was sie gerade alles informiert worden waren. So wenig Informationen, aber trotzdem so viel zu verdauen. Nicht nur dass kein Gegengift bekannt war, sondern auch die Erkenntnis, ein ganzes Volk sei ausgestorben und man müsste viel Schmerz durchleiden, machte den aufgesammelten Schock und die Furcht noch viel größer. Nach ein paar Sekunden öffnete die Berkianerin langsam wieder ihre Augen und bemerkte gleich, wie ihr Freund seinen trüben Blick mit der hoffnungslosen Stimmung auf den Boden gerichtet hielt. ,,U-Und...was jetzt?“, fragte die Blondine um Rat, während sie versuchte die durch die Aussage ausgelösten Halsschmerzen zu verdrängen und nicht zu zeigen. ,,Wir haben zu wenig Informationen. Und die meisten, die wir parat haben, sind zu ungenau.“, lautete ihre Fortsetzung. ,,Ich...“, begann das aufgelöste Stammesoberhaupt, konnte aber nicht weitersprechen. Für ihn war die ganze Situation ebenfalls viel zu hart zu verdauen, wodurch er sich als unfähig, einen Kompromiss zu fassen, erkannte. Ein tiefer Seufzer entwich seinem Mund, bevor der Wikinger nochmal gründlich überlegte. Bald erhellte sich sein Gesicht ganz leicht, nachdem er seinen Blick starr nach unten gerichtet hatte. Mit nur ganz wenig Hoffnung informierte er sich, den Blick nun auf die vor ihm stehende Heilerin gerichtet: ,,Das ist all die Information, die wir haben, oder?“ Gothi brauchte nicht lange dafür, mit einem Nicken die Antwort zu deuten. ,,Okay...Aber andere Völker könnten doch auch Informationen darüber haben. Vielleicht sogar noch mehr als wir. Oder zumindest andere als Berk.“ Wieder zeigte die Grauhaarige ein Nicken. Nun merkte man, wie die Älteste und auch Astrid langsam verstanden, was das Oberhaupt meinte. ,,Das heißt, wir müssen einfach ein paar Inseln aufsuchen. Keine Ahnung...zum Beispiel die Berserker oder die Verbandten. Bei denen bezweifle ich zwar, dass sie Informationen haben... aber egal. Irgendein Volk wird bestimmt auch Informationen zum Gegengift haben.“ ,,Du hast recht.“, stimmte die Hofferson Hicks' Vorschlag zu. Dann setzte sie fort: ,,Aber wir wissen nicht, ob die Informationen auf diesem Zettel stimmen. Das heißt, wir sollten uns beeilen, denn vielleicht haben wir weniger Tage, als auf dem Zettel behauptet wird.“ Das Gesicht des Braunhaarigen nahm eine überlegende und wieder ernstere Miene an. Wieder mit einer etwas finsteren und düsteren Stimmlage erklärte der Drachenreiter: ,,Da muss ich dir recht geben. Aber das ist ganz sicher nicht unser einziges Problem. Das im Moment größte müssen wir noch heute bewältigen.“ Die Blonde blickte den jungen Erwachsenen fragend und etwas beunruhigt an. Sogar Gothi besaß nun einen leicht besorgten Gesichtsausdruck, ihre Augen strahlten aber auch Neugier aus. ,,Wir können dies ganz sicher nicht für uns behalten. Wir müssen es heute noch allen sagen. Sowohl den Drachenreitern, als auch all den anderen Berkianern.“

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now