44. Kein Zurück

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Egal wie oft Hicks Astrid ins Gesicht pikste, sie wachte nicht auf. Irgendwann gab es der Drachenreiter auf und legte seinen Kopf auf seine Hände, die wiederum auf Astrids Bauch lagen. Seine Beine baumelten dafür über dem Bett. ,,Du hast aber einen tiefen Schlaf", murmelte Hicks leise und beobachtete von Astrids Bauch aus, wie sie einen Atemzug nach dem anderen holte. Es war beruhigend.
Hicks musste lächeln. Es war ein unglaubliches Gefühl, zu wissen, dass Astrid da war. Dass sie weder irgendeine Krankheit hatte, noch sich in Wallhalla befand. Sie beim Schlafen zu beobachten, gab Hicks dieses unglaubliche Gefühl. Er sah die lebendige Astrid mit seinen eigenen Augen. Durch seine Position konnte er die lebendige Astrid auch fühlen, was ihn ebenfalls einfach nur glücklich machte.
Es dauerte noch ein paar Minuten, bis sie aufwachte. Aber Hicks war das Warten egal. Erstens: Es war gut, dass Astrid wieder normal schlafen konnte. Zweitens: Sie zu beobachten war auch nicht übel. Astrid hatte ihre Augen immer noch geschlossen und murrte. Sie wollte gerade ihren Arm heben und über ihre Augen fahren, doch sie stoppte abrupt, als sie den Arm anhob. Hicks blieb stumm und schaute zu, wie Astrid sich entspannen zu schien und ihren Arm schließlich über ihr Gesicht legte. Das Oberhaupt vernahm ihr Murmeln: ,,Ach, ja...Ich bin ja nicht mehr krank." Wissend, was Astrid damit meinte, musste Hicks noch mehr lächeln. Als sie krank gewesen war, hatte Astrid ja bei jeder einzelnen Bewegung Schmerz gespürt. Es war befreiend für sowohl Astrid als auch für Hicks, dass Astrid diese Schmerzen nicht mehr spüren musste.
Als Hicks ,,Guten Morgen" sagte, flogen Astrids Augen sofort auf und ihr Blick landete auf ihm. ,,Was machst du da?" Man konnte an ihrer Stimme erkennen, wie verschlafen sie war. ,,Ach, ich beobachte dich nur. Ignoriere mich." ,,Okay...", nuschelte Astrid und schloss ihre Augen wieder. Da reagierte Hicks schon etwas anders. ,,H-Hey, warte. Das war nicht ernst gemeint." Astrid lachte und öffnete ihre Augen wieder. ,,Ich weiß." Hicks grinste und rutschte so nach vorne, dass er ihr einen Kuss geben konnte. ,,Guten Morgen, Trottel", kam von Astrid, wodurch sie Hicks' vorige Aussage erwiderte - Nur mit einem kleinen Zusatz. ,,Hey, haben wir das mit dem Trottel nicht gestern abgeschlossen?" ,,Wir haben aufgehört, drüber zu reden, aber nicht abgeschlossen." ,,Meinetwegen", murrte Hicks. Astrid musste lachen. ,,Wie willst du denn sonst genannt werden?" Hicks schaute ihr in die Augen und überlegte kurz. Während er das tat, mahnte Astrid: ,,Wehe, du sagst jetzt, dass ich dich Drachenmeister oder Herr der Lüfte oder was weiß ich wie nennen soll." Hicks lachte. ,,Nein, so schwer mach ich es dir nicht." Kurz ließ er das letzte Lachen hören, dann sagte er: ,,Nenn mich doch einfach so, wie du es sonst immer tust." ,,Okay, Süßer.", antwortete Astrid. Hicks musste grinsen. ,,Ja, genau so. Ich mag es, wenn du mich so nennst." ,,Trotzdem werde ich dich mit deinem normalen Namen ansprechen." ,,Egal. Ich mag es auch, wenn du einfach nur meinen Namen sagst."
Nachdem Hicks und Astrid sich ihre Sachen wieder angezogen hatten, gingen sie hinunter, wo schon Brot am Tisch war. ,,Mutter muss wohl schon gegessen haben.", meinte Hicks. Er und Astrid setzten sich und nahmen sich jeweils ein Stück Brot.
Nachdem sie stumm ein paar Bissen genommen hatten, rührte Hicks sich. ,,Meinst du, du hättest Lust, auf meinem Schoß zu sitzen?", fragte er und versuchte, einen unschuldigen Ton einzuschlagen. ,,Damit du ganz genau und detailiert siehst, wie ich esse?", stellte Astrid die Gegenfrage und biss von ihrem Brot ab. Sie verurteilte Hicks nicht dafür, dass er am vorherigen Tag und an diesem Tag ziemlich viele Annäherungsmethoden probierte. Vermutlich war es einfach natürlich, dass er ihr seine Zuneigung zeigen wollte, nach allem, was passiert war. ,,Was hast du denn? Du siehst doch eh superheiß aus, wenn du isst." Hicks hatte sein Brot aufgegessen und legte sein Kinn auf seine Hand. Sein Arm war am Tisch abgestützt. Nun versuchte er gut auszusehen, nachdem er diese Stimme verwendet hatte. Astrid musste sich das Lachen verkneifen. Ihr war klar, dass das alles nur gespielt war. Sie aß ihr letztes Stück ebenfalls auf und atmete gelassen aus. ,,Heiß also?" ,,Sehr heiß.", stimmte Hicks zu. ,,Heiß, sexy, äh...scharf...und...anderes." Astrid musste kurz kichern, als Hicks' flirtende Stimme sich in eine überlegende umwandelte. ,,Tja. Das freut mich für dich. Aber leider bin ich jetzt schon fertig mit Essen, also leider kein Schoß." Sie stand auf und genoss es, ihren Freund gewissermaßen zu ärgern. Auch wenn es nur gespielt war, wollte er, dass sie auf seinem Schoß saß. ,,Hey, hey, hey. Hier geblieben." Hicks hielt Astrids Handgelenk, als diese wieder hinaufgehen wollte. ,,Weißt du, eigentlich finde ich, dass du nicht nur beim Essen heiß aussiehst. Das tust du auch, wenn du einfach gar nichts tust...Warte das klang komisch. Egal. Fakt ist, du siehst immer heiß aus. Ich bin mir sicher, du willst mir den Wunsch, dich heiße Kriegerin auf meinem Schoß zu haben, erfüllen, oder?" Im Klaren, dass Hicks nicht nachgeben würde, ließ Astrid sich auf seinen Schoß ziehen. ,,Na, endlich", murmelte Hicks und drückte Astrid an sich. Die Blondine legte ihren einen Arm um seinen Hals. Für kurze Zeit blieben sie beide still. Dann wisperte Hicks auf einmal: ,,Du weißt aber schon, dass ich dich wirklich heiß finde, oder?" ,,Ja, natürlich. Es ist ja nicht so, dass du es niemals gesagt hättest.", lachte Astrid. Dann verstummte sie wieder und legte ihren Kopf nach ein paar Sekunden an seine Schulter. Hicks schloss die Augen und lehnte seinen Kopf an ihren.
Es passte überhaupt nicht in diese tolle Stimmung hinein, aber er musste es einfach loswerden. ,,Astrid...Mir ist gestern etwas eingefallen, nur wollte ich es dich nicht fragen." ,,Was denn?" ,,Naja..." Hicks schaute zu Boden und fuhr mit seiner Hand über ihren Rücken. ,,Was ist mit Kruor? Was hast du jetzt mit ihm vor?" Astrid öffnete ihre bis jetzt geschlossenen Augen. Die Antwort kam schnell und einfach: ,,Ich suche ihn und wenn ich ihn gefunden habe, töte ich ihn." Hicks merkte, wie entschlossen Astrid war. Sie wollte um jeden Preis ihren Feind umbringen. ,,Astrid..." ,,Sag nichts dagegen, Hicks. Du weißt, dass ich mich rächen möchte. Ich muss mich einfach rächen. Ich habe meinen Eltern da oben geschworen, dass ich es tun werde. Und ich habe es mir selbst geschworen." Hicks' Stimme klang bedauernd, als er sprach. ,,Ich weiß, Astrid. Ich kenne das Gefühl, wenn man nur noch auf Rache aus ist." Astrid dachte daran, wie Drago Blutfaust damals gemeinsam mit dem Überwilden ins Meer verschwunden war. ,,Aber ich fühle mich trotzdem heute schlecht, dass ich Drago getötet habe. Beziehungsweise ihn dem Tod überlassen habe. Wir hätten ihn einsperren müssen, nicht töten." ,,Wir wissen ja nicht einmal, ob er wirklich gestorben ist...", meinte Astrid. ,,Er ist nie wieder aufgetaucht. Wäre er am Leben, wäre er jetzt auf Berk im Gefängnis. Ich habe ihn getötet. Zumindest fühlt es sich so für mich an. Und ich bereue es." Astrid nahm ihren Kopf von seiner Schulter. ,,Was willst du mir damit jetzt sagen?" Hicks merkte an ihrem Ausdruck, dass er sie reizte. Wenn Astrid sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, sollte man niemals versuchen, sie aufzuhalten. ,,Astrid, wenn du ihn tötest, könntest du dich ja auch schuldig fühl-" ,,Niemals, Hicks. Ich würde mich niemals schlecht fühlen. Er fühlt doch auch rein gar nichts und er hat meine Eltern ermordet!" Hicks wusste, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Astrid war bereit, alles zu geben, um Kruor zu töten. Es konnte nicht verhindert werden. ,,Na, schön...Aber denk doch wenigstens an mich." So begann Hicks trotzdem mit dem nächsten Argument. ,,Was?" Astrid verstand die Bedeutung seiner Worte nicht. ,,Ich mache mir große Sorgen um dich, Astrid." Sie schauten sich direkt in die Augen, weigerten sich, diesen Kontakt zu unterbrechen. ,,Du warst so krank und hilflos. Ich habe jede Sekunde Angst gehabt, ich könnte dich verlieren. Und dann bist du gestorben und mein größter Alptraum ist wahr geworden. Wir hatten so unglaublich viel Glück, dass du das Gegengift noch rechtzeitig bekommen hast. Wäre ich zu spät gekommen...Astrid, ich habe Angst davor, dich nochmal zu verlieren. Du glaubst nicht, was für einen Schmerz ich empfunden habe. Ich will diesen Schmerz nicht mein ganzes Leben lang mit mir tragen. Denn wenn du gegen Kruor verlierst und er dich tötet, dann können wir es nie wieder rückgängig machen. Du wärst für immer tot." Hicks' Stimme verkörperte all seine Gefühle, die er im Moment besaß. Astrid trafen diese Worte sehr. Aber sie wollte sich nicht beirren lassen. ,,Ich weiß. Und ich gehe dieses Risiko ein." Hicks blickte sie geschockt an, als er ihre Antwort hörte. So entschlossen und so wild darauf, jemanden zu töten...So hatte er sie noch nie erlebt. Astrid wusste nicht genau, was sie gerade in Hicks ausgelöst hatte, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, ihn verletzt zu haben. ,,Hicks...Ich muss es für meine Eltern tun. Ich kann ihren Tod nicht einfach so hinnehmen. Jetzt, wo ich in Wallhalla war, wird mir meine Aufgabe erst wieder richtig bewusst. Ja, es ist meine Aufgabe, Kruor zu töten. Und ich weiß, dass ich es schaffen kann." ,,Aber was ist, wenn du dich irrst? Was, wenn du verlierst? Was, wenn ich dich verliere?" Hicks zeigte Traurigkeit, Panik, auch Schock, aber vor allem Angst ,,Das wird nicht passieren, Hicks. Ich verspreche dir, ich werde wieder zurückkehren mit der Nachricht, dass Kruor tot ist." ,,W-Warte, warte, warte. Was hast du da gerade gesagt? Willst du dich Kruor allein gegenüberstellen?!" ,,Natürlich, will ich das. Was sonst?" Hicks sprach seinen nächsten Satz sarkastisch aus. ,,Ich weiß auch nicht...Vielleicht mit mir gemeinsam? Oder generell mit all deinen Freunden?!" ,,Niemals. Es geht hier um Kruor und mich. Niemand soll sich einmischen. Ich kann euch nicht auch noch damit belasten." ,,Uns belasten? Es ist eine viel schlimmere Last, auf dich zu warten, während du gegen Kruor kämpfst. Wir hätten keine Ahnung, ob du überhaupt noch lebst! Und von wegen, niemand soll sich einmischen. Der Typ hat doch Wachen, oder? Sie werden alle versuchen, dich zu töten!" ,,Pff, mit ein paar Wachen werde ich schon fertig." Astrid verschrenkte ihre Arme. ,,Aber das sind doch sicher um die zehn oder noch mehr!" Auf einmal verengten sich Astrids Augen und sie funkelte Hicks an. Damit machte sie ihm Angst. Astrid wusste, dass Kruor nur zwei Wachen hatte. Aber darauf wollte sie nicht hinaus. ,,Denkst du...Denkst du wirklich, ich bin zu schwach dafür?" Hicks' Miene zeigte Schock. Er hätte nicht gedacht, dass Astrid sich durch seinen Kommentar angegriffen fühlte. ,,Nein. Nein! Du bist für mich die stärkste Wikingerin auf dem ganzen Archipel! Aber so viele Wachen und dann auch noch Kruor, der vermutlich eine professionelle Kampfausbildung hatte, zu besiegen...Ich glaube, dass ist selbst für dich zu viel." Fast schon ängstlich schaute er zögernd vom Boden wieder in Astrids Augen. Er hatte sie wirklich gereizt. Als Astrid ihren Mund öffnete, glaube Hicks, sie würde ihn gleich anschreien. Doch sie atmete nur tief aus und redete in einem ruhigen Ton. Trotzdem machte er Hicks Angst. Vermutlich genau deshalb, weil er so ruhig und gelassen klang. ,,Dann werde ich euch allen eben beweisen, dass ich es alleine schaffe." ,,Astrid, w-was soll das heißen?" ,,Ganz einfach. Ich werde zu Kruor gehen und ihn töten. Genauso wie ich es auch vorher vorhatte. Niemand kann meine Meinung ändern." Der Stolz von Hoffersons war einfach zu groß. Oder einfach Astrids Liebe zu ihren Eltern. ,,Niemals. Das lasse ich nicht zu. Wir werden dir helfen, ob du willst oder nicht. Du kannst ja Kruor besiegen, so wie du es möchtest, aber lass uns zumindest die Wachen bekämpfen." ,,Nein, Hicks. Die Wachen gehören zu Kruor. Ich muss sie alle besiegen." ,,Aber Astrid-" ,,Du weißt selbst, dass ich irgendwann verschwinden werde, um Kruor zu suchen. Egal, ob ich jetzt sage, dass ihr mitkommen könnt oder nicht. Egal, ob du mich beobachtest oder nicht. Ich werde es tun." Hicks wusste, dass es kein Zurück gab. Astrid war nicht aufzuhalten. Egal, was er unternehmen würde, sie würde sich alleine auf den Weg zu Kruor machen und mit ihm kämpfen. ,,Ich werde trotzdem versuchen, dich aufzuhalten. Aber könntest du wenigstens heute noch auf Berk bleiben? Damit wir wenigstens einen ganzen Tag haben, ohne dass ich dich verfolgen muss." ,,Okay." Es war irgendwie Ironie, dass sie drüber redeten, dass Astrid abhauen wollte und dann beschlossen, dass sie noch einen Tag bleiben sollte.
Astrid saß genauso wie vorher auf Hicks' Schoß. Irgendwann verfestigte Hicks seinen Griff und flüsterte: ,,Wir sind aber jetzt nicht wütend aufeinander, oder?" ,,Nein, sind wir nicht.", besänftige Astrid ihn. Ein Streit wäre das Letzte, was sie gerade brauchten. Nicht nur, weil Kruor getötet werden musste, sondern generell einfach deshalb, weil Astrid erst vor ein paar Stunden zurückgekehrt war.
Nach einer kurzen Stille sagte Hicks: ,,Na, los. Wir müssen den heutigen Tag genießen. Bevor ich dir hinterher rennen muss, um dich davon abzuhalten, wegzurennen."

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now