25. Gute Fragen - Leicht zu erklären

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Das Schiff mit dem dunklen, düster wirkenden Holz knarrte, als eine kleine Welle es zur Seite taumeln ließ. Das Wetter machte zur Zeit ein eher wärmeres Klima und einen leichten Wind aus. Die Wellen konnten durch die Windstöße nicht höher als zwei Meter werden, also blieb der Großteil des Decks des Bootes trocken. Zwei ziemlich robuste Männer befanden sich auf dem Holzboden und kontrollierten, ob alles in Ordnung war. Außerdem hielten sie Ausschau nach einer Insel, wo ein paar ihrer Kumpel auf sie warteten.
Inzwischen waren drei Tage vergangen seit sie auf der Insel namens Berk angekommen waren. Seitdem spukte diese eine Frage in ihren Gedanken umher: Warum? Diese Frage ließ die beiden nicht mehr los. Warum hatte ihr Anführer diese Blondine vergiftet, obwohl es doch die Eltern waren, auf welche er es abgesehen hatte? Nun waren sie tot, also warum zog er auch noch deren Tochter in die Sache mit rein? Kruor hatte seine Rache doch schon bekommen, oder nicht?
Da die zwei Wachen wussten, wie unberechenbar ihr Anführer war, kostete es sehr viel Überwindung, ihm diese Frage zu stellen. Durch ein Spiel, welches die eine Wache namens Keuch gewonnen hatte, musste Balaso diese Aufgabe erfüllen. Mutig konnte man ihn dabei nicht nennen. Es war nämlich unmöglich sein Zittern zu übersehen, während er die Türe zum Raum unter Deck öffnete. Leise wimmernd spähte er durch den Spalt und entdeckte Kruor, seinen skrupellosen Anführer. Er war mit dem Rücken zu Balaso gedreht und machte keinen Anstand dazu, ihn wirklich wahrgenommen zu haben. Mit dieser Vermutung schlich sich Balaso noch weiter hinein und wollte die Türe ganz leise schließen. Doch plötzlich vernahm er ein: ,,Was ist jetzt schon wieder los?" Es klang genervt, den Funken von Wut etwas hervorgehoben. Aus Schreck ließ die ängstliche Wache die Türe los, sodass ein lauter Krach entstand, sobald die Türe ins Schloss fiel. Damit entfuhr ihm auch ein kurzer, schriller Schrei. ,,I-Ich...i-ich...", stammelte der Glatzkopf nervös. ,,Wird's bald?", knurrte Kruor bedrohlich, den Rücken noch immer zu der Wache gedreht. Einmal schluckte Balaso benommen, ehe er versuchte all seinen nicht vorhandenen Mut zusammenzubringen und sich erkundigte: ,,Keuch ha-hat sich g-gefragt, warum w-wir...ähm...du dieses blonde Mädchen, die Tochter d-der Hoffersons, vergi-giftet hast. Er ist zu ä-ängstlich, um das z-zu fragen, also musste i-ich das mach-",,Was murmelst du da vor dich hin? Versuch mal deutlich zu sprechen. Du willst also fragen, warum ich die Hofferson vergiftet habe?" ,,K-Keuch fragt das...", presste der Wikinger unter seiner Furcht hervor. Die Fortsetung seines Satzes lautete: ,,Er f-fragt sich, warum du die Tochter deiner Feinde anstatt s-sie selbst vergiftet hast." Der bis jetzt mit dem Rücken zu Balaso gedrehte Mann lachte und er drehte sich langsam um. Das nervöse Kribbeln und die Gänsehaut des Dieners wurden noch größer und unübersehbar, als das Gesicht mit der  beängstigend wirkenden Miene aus der Dunkelheit heraustrat. Seine Augen strahlten Selbstbewusstsein, Belustigung und Gefährlichkeit aus. ,,Du weißt doch selbst, dass ich nur noch eine Ladung von diesem Gift übrig hatte, nicht wahr?“ Der Ton in Kruors Stimme ließ einen weiteren Schauer über Balasos Rücken gleiten. ,,J-Ja...“ Die Antwort hörte sich fast wie eine Frage an, da die schüchterne Wache immer höher wurde, obwohl seine Stimme schon piepsig genug war. Fast nicht zum Aushalten. Doch Krour schien sich nicht darum zu kümmern und machte keinen Anschein dazu, seinen Untergebenen wieder wütend anzufahren. Stattdessen behielt er seine Miene mit dem leicht schiefen Grinsen und den Ton seiner Worte weiterhin bei. ,,Dann denk doch mal nach, Balsi. Ein Gift, zwei Wikinger. Wem hätte ich es geben sollen? Ich wollte mich an beiden gleichermaßen rächen.“ Kurz setzte der Mann eine Pause ein. Balaso machte sich immer kleiner, vor allem, als sein Anführer diesen gewissen Spitznamen benutzte: Balsi. Es klang so, als würde sich Kruor über ihn lustig machen wollen. Das war mehr als nur erniedrigend. Der Braunhaarige setzte fort: ,,Als ich dann erfahren habe, dass sie eine Tochter haben, hat sich für mich alles vereinfacht. Ich musste mir nicht mehr ausdenken, wem ich nun dieses Gift geben sollte. Es war einfach perfekt: Ich wollte die kleine Astrid vergiften.“ ,,I-Ich verstehe nicht ganz.“, gab der Glatzkopf kleinlaut zu. Nun entfuhr seinem Anführer ein genervtes Murren, welches den Braunäugigen zusammenzucken ließ. Doch Kruor fand seine Fassung in Windeseile wieder und erklärte alles noch ausführlicher: ,,Liegt das nicht in der Hand? Schmerz von Wunden ist schlimm, das muss man zugeben. Aber noch viel schlimmer ist innerlicher Schmerz. Der Schmerz, den du nicht mehr weg bekommst. Und wie schaffe ich es, den Hoffersons innerlichen Schmerz zu bereiten? Genau - Ich vergifte ihre eigene Tochter, damit sie diejenige ist, die langsam und qualvoll stirbt. Und ihre Eltern können dabei von Wallhalla aus zusehen.“ Als der Wikinger seinen Diener musterte, merkte er, dass der - laut ihm - dämliche Idiot es noch immer nicht ganz begriffen hatte. ,,Was verstehst du jetzt wieder nicht?“, informierte sich der 45-Jährige dem Punkt, an dem er ausrasten würde, wieder etwas näher gekommen. Kleinlaut stammelte Balaso seine Antwort: ,,Naja...Aber w-warum hast du die Eltern der Kleinen z-zuerst umgebracht und sie dann erst vergiftet?“ Verwundert zog Kruor seine Augenbrauen hoch. Er hätte nicht gedacht, dass sein Schuft auf diese Art denken konnte. Er hätte vermutet, dass er seine Tat der Wache noch um die fünf Mal erklären hätte müssen. Doch schon bald verwandelte sich der Gesichtsausdrucks des Wikingers in die alltägliche. ,,Gute Frage, aber sie ist leicht zu beantworten. Hätte ich die Hoffersons erst nach Astrids Tod umgebracht, hätten sie noch immer Hoffnung gehabt, da sie dann noch hätten versuchen können, ein Gegengift zu finden. Aber wenn sie in Wallhalla sind, dann können sie nur dasitzen und dabei zusehen, wie die anderen Berkianer diesen Job übernehmen und schließlich versagen. Die Zwei können nichts tun, nicht helfen. Das ist die perfekte geistige Folter.“ Wieder entstand eine kurz anhaltende Pause. Dann aber richtete Kruor seine bis jetzt auf den Boden gerichteten Augen auf seinen Gegenüber. Für Balaso wirkte es so, als würde der Mann ihn mit seinem Blick niederstechen. ,,Verstanden?“, erkundigte sich der Anführer. Diesmal nickte Balaso - Endlich. ,,Verstanden.“ Dann nickte Kruor zur Tür und befahl: ,,Geh jetzt zu Keuch und hilf ihm. Nur noch ein paar Tage, dann können wir nach Berk zurückkehren, um zu sehen, ob die kleine Möchtegernkriegerin schon tot ist. Bis dahin müssen wir die anderen Wachen, dessen Namen ich vergessen habe, finden.“ So wurde der Braunhaarige Balaso los, nachdem er wieder auf das Deck getreten war. Schließlich drehte sich Kruor zu seinem Schrank, in dem sämtliche Tränke gelagert waren. Die Schranktür geöffnet, stachen die verschiedensten, grellen Farben der vielen Gifte heraus. Wieder schlich sich ein Grinsen auf das Gesicht des Bösewichts, als er das leere Gefäß in seine Hand nahm. Darin hatte sich noch vor mehreren Tagen die Seuche der Götter befunden. ,,Wart's nur ab, Hofferson. Bald wird auch dein Ende kommen.“, wisperte der Braunhaarige düster und ließ den Becher fallen, als wäre es seine Gegnerin, welche in den Tod fiel. Mit einem dumpfen Geräusch krachte das Gefäß auf den Boden.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now