16. Plötzliche Kälte

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Die Berkianer ließen einen erschütterten Ton ihrem Mund entgleiten, während Hicks ein erschrockenes ,,Astrid!" hervorstieß. Reflexartig hielt er Ohnezahn an und starrte mit einem panischen Gesichtsausdruck ins kalte Wasser, in dem seine Freundin gelandet war. Während der Nachschatten besorgt grummelte, drehte Sturmpfeil sich durch eine schnelle, scharfe Kurve um, damit sie ihrer Reiterin zur Hilfe eilen konnte.
Diese öffnete wie auf Knopfdruck ihre Augen, als sie sich im klaren Wasser befand. Ihre Haut nahm eine unübersehbare Gänsehaut an und die Frau begann sofort zu zittern. Geschockt beobachtete die Wikingerin die rote Flüssigkeit, die sich vor ihr im Wasser langsam auflöste. Während die Blondine immer tiefer sank, spielten ihre Gedanken krampfhaft damit, wie sie es geschafft hatte, sich eine blutige Wunde einzufangen. Doch gleich darauf schoss der Drachenreiterin die Klarheit in den Kopf. Astrid merkte, wie ihre bis jetzt noch ganz leicht verzerrte Sicht wieder normal wurde. Somit erkannte sie auch wieder die einzelnen Farben. So kam die junge Dame schnell drauf, dass diese rote Flüssigkeit eigentlich orange war. Sie entpuppte sich als die Farbe der Gesichtsmalereien, die Astrid beim Drachenrennen immer oben hatte. Erst jetzt realisierte die Blonde, dass sich die Wasseroberfläche immer mehr entfernte und ihr die Luft langsam ausging. Vorher war sie anscheinend in einer Art Trance gewesen, sodass sie sich nicht um dir Außenwelt gekümmert hatte. So gut und schnell es noch funktionierte schwamm die Berkianerin nach oben, wobei ihre Bewegungen ziemlich hektisch aussahen. Als sie sich nur noch ein paar Meter vor der Oberfläche befand, verflog ihre Luft endgültig. Wegen dieser kleinen Entfernung spornte sich die Frau mit ihrer letzten Kraft an. Ihre Sicht schien wieder kurz verschwommen zu werden. Doch mit einer letzten Bewegung tauchte die Hofferson mit einem lauten Keucher auf. Stark nach Luft schnappend presste Astrid ihre Hand an ihre Brust. Somit konnte sie ihr sehr wild schlagendes Herz fühlen. Die Zuschauer fingen ebenso wie die Drachenreiter an zu applaudieren, nachdem sie erleichtert ausgeatmet hatten. Nur Hicks schien sich noch immer an das vorherige Geschehen zu erinnern. Sie war ohne Vorwarnung ins Meer gefallen - Einfach so. Trotzdem endete der Braunhaarige in einer mehr als nur erleichterten Stimmung.
Durch ein Krächzen drehte sich Astrid im Wasser um und wurde schon im nächsten Moment von Sturmpfeil gepackt. Durch den Wind wurde der Blonden nur noch kälter, da sie noch dazu vollkommen durchnässt war. ,,Danke, Süße.", wisperte die junge Erwachsene ihrer Nadderdame zu, worauf diese einen erfreulichen Ton von sich gab. Alle Drachen landeten auf dem Steg gleich neben der Tribüne. Sturmpfeil setzte zuerst Astrid ab und stellte sich dann neben sie. ,,Wow, Astrid, was war das gerade eben?", fragte Rotzbakke sichtlich verwirrt, als er von Hakenzahn abstieg. Die Anderen taten es ihm gleich. ,,Ähm...", stammelte die Blondine daher und merkte dabei, dass jeder sie anstarrte. Ihre Freunde, als auch all die Berkianer, die aber noch immer auf ihren Sitzplätzen ruhten. ,,Genau, du bist ganz plötzlich einfach ins Meer gefallen.", gab Fischbein zu bedenken. Dann ergriff Taffnuss das Wort: ,,Wie hat es sich angefühlt? Kannst du es weiterempfehlen?" Seine Schwester stellte sich neben ihn und gab ihm eine Kopfnuss, wodurch sein Helm nach vorne rutschte. Während er ihn wieder richtete, schenkte Astrid ihm einen genervten Blick. Eine Antwort ließ sie dennoch nicht von sich hören. Damit trat Hicks nach vorne und nahm seine Freundin bei den Schultern. ,,Astrid, was war da los?" Seine Stimme hörte sich sehr ernst an. Sein Gesichtsausdruck sah allerdings auch nicht gerade fröhlich aus. ,,Ich...", begann die junge Frau, konnte aber nicht weiter reden. Sie richtete ihren Blick auf den Boden und musste schlucken. Nach kurzer Zeit blickte sie wieder auf und fixierte die grünen Augen vor ihr. ,,Ich weiß nicht...Es ist so schnell passiert und dann war ich schon im Meer...Ich...ich weiß auch nicht", stotterte die Blondine. Auf der einen Seite war es gelogen, was sie sagte, auf der anderen wieder nicht. Es stimmte immerhin, dass der Schmerz ganz plötzlich gekommen war und sie nicht wusste wie oder wieso.
Allerdings hatte die 20-Jährige schon die Vermutung aufgetischt, dass sie vergiftet war. Immerhin hatte sie diese Phasen erst seit ihrem Treffen mit dem Mörder ihrer Eltern. Astrid war wieder eingefallen, dass dieser Kruor eigenartige Kräuter suchte und daraus dann anscheinend Tränke machte. Eigentlich hatte die 20-Jährige gedacht, dass dieses Gift nur für diesen einen Tag reichen würde, doch sie hatte sich geirrt. Es war viel gefährlicher, als sie vermutet hatte. Die einzige Frage war nun, was mit ihr passieren würde und was genau sie sich da eingefangen hatte.
Verzweifelt ließ Hicks mit einem tiefen Seufzer von seiner Freundin ab und schaute sie überlegend, als auch ganz leicht besorgt an. Stattdessen kam Valka und legte ihre Hand auf Astrids Schulter. ,,Solche Aussetzer passieren manchmal. Zwar eigentlich nicht in so jungen Jahren, aber egal. Vielleicht hast du ja einfach zu viel mit deiner Axt trainiert.", meinte die Braunhaarige und musste am Ende kurz lachen. All die Berkianer hörten der Frau ebenfalls zu, wodurch Valka dann rief: ,,Aber trotzdem ist Astrid heute unsere Gewinnerin!" Sofort begannen all die Dörfler zu jubeln und sprangen auf ihren Plätzen herum. Die Blondine zwang sich zu einem Lächeln und nickte den Zuschauern dankend zu. Nach einer Weile standen mehrere Wikinger auf und spazierten zurück ins Dorf. Dies machten immer und immer mehr Leute, bis nur noch die Drachenreiter dort standen und tratschten.
,,Das stimmt nicht! Du hast mich geschubst. Als hätte das der Wind sein können!", protestierte Fischbein und wurde langsam immer wütender wegen Rotzbakke. Dieser entgegnete ihm zuerst nur mit verschränkten Armen und rollenden Augen, bis er behauptete: ,,Ach was, Fischgesicht? Musst du jetzt heulen, nur weil ich besser als du bin?" Genervt wandten sich Eret und Hicks von den Streithähnen ab und starteten ein eigenes Gespräch. Während Astrid noch bei den anderen stand, fuhr ihr auf einmal ein eisiger Schauer über den Rücken. Dann verbreitete er sich in ihren ganzen Körper. Gänsehaut fing an sich zu bilden und die Frau legte sich ihre Hände verkreuzt an ihre Arme, sodass sie sich praktisch selbst umarmte. Dann begann die Berkianerin ihre Oberarme etwas zu rubbeln, damit ihr wieder warm werden würde. Doch dies war nicht der Fall. Da Eret und Hicks und Fischbein, Rotzbakke und die Zwillinge so sehr in ihre Konversationen vertieft waren, bemerkten sie das Zittern der jungen Dame nicht - Zum Glück. Es war eigenartig. Was war in diesem Gift nur noch alles drinnen? Die Sonne schien und es hatte eine wundervolle, warme Temperatur. Warum sollte der Drachenreiterin so kalt sein?
Wie sehr sich Astrid doch dafür hasste, dass sie dieses Getränk von Kruor angenommen hatte! Am liebsten wäre die Blondine zurück zu diesem Typen gegangen, um sich erklären zu lassen, was mit ihr los war. Doch seit diesem einen Tag hatte die Kriegerin Kruor nicht mehr gesehen. Sein Schiff war nicht mehr an der Küste auf der anderen Seite von Berk. Der Mörder hielt sich generell nirgends auf. Er und seine Leute waren gemeinsam mit dem Boot verschwunden.
Zitternd drehte sich die junge Erwachsene um und ging ein paar Schritte zum Ende des Steges. Schädelbrecher, Kotz und Würg und Hakenzahn tollten freudig in der Luft herum, während Sturmpfeil, Ohnezahn und Fleischklops am Boden miteinander spielten. ,,Sturmpfeil.", wisperte die Frau, wobei man ihre gebrechliche Stimme sofort bemerkte. Die Nadderdame blickte ihre Reiterin verdutzt an und grummelte dann, als sie ein paar Meter auf Astrid zu schritt. Die Frau schlenderte gleich zu der Tasche, welche an Sturmpfeils Sattel befestigt worden war. Darauf zog die Blonde eine grüne Decke, welche an den Rändern einen hellbraunen Strich mit Mustern besaß. ,,Astrid? Was machst du denn da?", fragte auf einmal jemand, als sich die junge Dame die Decke um ihre Schultern gelegt hatte. Die Berkianerin drehte sich zu Taffnuss, welcher sie fragend anschaute. Nachdem er seine Aussage zu hören gegeben hatte, drehten sich auch die anderen Drachenreiter zu Astrid um. ,,Wow...Was ist denn mit dir los? Ist dir etwa kalt?", wollte Raffnuss ungläubig wissen. Astrid verlor kurz den Faden, suchte sich dann aber eine Ausrede und versicherte: ,,Ja, genau...genau...mir ist kalt...Ich schätze das ist noch vom Meer." ,,Wie jetzt? Vorher war dir nicht so kalt aber jetzt schon?", fragte Eret. ,,Ähm...Nein, eigentlich war mir schon die ganze Zeit sehr kalt. Mir ist nur jetzt erst eingefallen, dass ich ja mal eine Decke in Sturmpfeils Tasche gelegt habe." Anscheinend waren die Wikinger gerade dabei ihr die Aussage abzukaufen, als Hicks zu Wort setzte: ,,Aber sonst ist dir doch auch nicht kalt. Du warst schon mal wesentlich länger im Wasser und das auch noch während eines Sturmes. Warum sollte dir jetzt kalt sein? Jetzt, wo doch so ein herrliches Wetter herrscht?" Der Mann war ein paar Schritte nach vorne gegangen, sein Gesichtsausdruck dabei verwirrt, als auch ernst. ,,Keine Ahnung. Mein Körper tut, was er will.", meinte die Blondine schulterzuckend. ,,Ah", war alles, was Hicks' Mund verließ, als er widerwillig nickte. ,,Uuhh....", murmelte Astrid, als die Kälte noch unerträglicher wurde als vorher. ,,Ich denke, du solltest jetzt erstmals nach Hause gehen und dich beim Lagerfeuer aufwärmen.", riet Fischbein und hob dabei seinen Finger. ,,Er hat recht, komm.", gab Hicks von sich und streckte seinen Arm nach seiner festen Freundin aus. Diese schritt nach vorne und Hicks legte seinen ausgestreckten Arm um ihre Schulter. Mit Hoffnung, dass der Kriegerin wärmer werden würde, zog der Braunhaarige sie ganz dicht an sich. Sturmpfeil und Ohnezahn kamen zu ihren Freunden, wodurch Fleischklops zu den anderen Drachen in die Lüfte abhob. ,,Wir sehen uns.", sagte Hicks und winkte seinen Freunden kurz zu, während Astrid ihnen etwas gequält zulächelte. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu der Hütte der Haddocks.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now