30. Psychisch und Physisch

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Völlig überstürzt sprintete Hicks mit einem ,,Astrid! Astrid, was ist los?! Was ist passiert?!“ zu seiner Freundin, die hilflos am Boden lag und sich zuckend und keuchend ihren Schmerzen stellte. Ihr ganzer Körper versteifte sich bei den qualvollen Stichen, die am ganzen Körper zu spüren waren. Es fühlte sich so an, als wäre sie in Feuer gefallen, den hoch stehenden Flammen gnadenlos ausgeliefert. Es brannte. Einen klaren Kopf zu behalten, stellte sich sowohl für die betroffene als auch ihren Freund und dessen Mutter als schwer heraus. Den grausamen Lauten der Wikingerin, darunter Keuchen, Ächzen, Stöhnen und unterdrückte Schreie, zu lauschen war eine Qual. Die reinste Folter. Für Astrid äußerlich und für Hicks und Valka innerlich. Psychisch und physisch. ,,Ich hole Gothi!“, rief Valka, bevor sie sich in Windeseile auf den Weg nach unten zu ihrem Drachen machte. Als sie im Türrahmen verschwunden war blieben nur noch Ohnezahn und Hicks, der seine leidende Partnerin fest in seinen Armen hielt. Der Nachtschatten gab besorgt klingende Geräusche von sich und schnupperte vorsichtig an der Blonden. ,,A-Astrid“, murmelte der am Boden sitzende Drachenreiter und zog seine Freundin noch näher zu sich, ihren Kopf an seine Brust gepresst.
Es verging eine Minute, aber nichts änderte sich. Die Schmerzen der Kriegerin waren nur noch größer geworden. Nun folgte die 20-Jährige dem Impuls, ab und zu einen richtigen Schrei von sich hören zu lassen. Es war beinahe unmöglich, bei diesem unglaublich strengen Ziehen im ganzen Körper sein Leid nicht in Lauten in die Welt zu posaunen. Die Schmerzen waren zu stark. Noch nie hatte die Frau so etwas erlebt, genauso wie ihr mehr als nur besorgter Freund. Dieser stellte sich die Frage, ob dies zum zweiten Schritt der Krankheit dazu gehörte, oder ob die Informationen am Blatt Pergament nicht der Wahrheit entsprachen und dies das Ende war. Um es der Blondine gemütlich zu machen, rutschte Hicks in den Schneidersitz und ließ sie darin ruhen. Die Zuckungen der Hofferson konnte man mit einem unübersehbar heftigen Zittern vergleichen. ,,Alles wird gut. Ich bin hier, ich lasse dich nicht im Stich. Du musst durchhalten. Bald wird es wieder besser.“ Mühevoll redete das Oberhaupt seiner festen Freundin gut zu, obwohl er selbst nicht wusste, was genau geschehen würde. ,,Alles wird wieder gut werden“, versuchte der Braunhaarige es nochmals. Mit seinen Armen umschloss er die junge Erwachsene noch fester. Ruckartig packte Astrids Hand die Schnalle an dem Oberteil der Rüstung von Hicks und krallte sich daran fest. Bis jetzt hatte sie kein einziges Mal ihre Augen geöffnet, sondern sie nur angestrengt zusammengepresst, genauso wie ihre Lippen. Auch ihr zusammengezogenes Gesicht behielt sie bei. ,,Astrid, ich bin hier. Du wirst das schaffen. Gemeinsam schaffen wir es da durch. Die Schmerzen werden bald vorüber sein. Wir schaffen das.“ Wieder begann der junge Mann eine Art leise Motivationsrede, seine Stimme zitterte.
Anscheinend hatte es diesmal wirklich geholfen. Denn ganz unerwartet löste sich die Anspannung langsam aus ihren Muskeln. Ihre Haltung und ihre Gesichtszüge wurden wieder weicher. Nach einem letzten schmerzerfüllten Stöhnen hörten die Geräusche vollständig auf. Trotz diesen Erkenntnissen wusste Hicks, dass Astrid immer noch leichte Schmerzen hatte und beließ seine Arme daher genauso wie sie waren, nur umschlungen sie die Blondine nicht mehr ganz so fest. ,,Astrid? I-Ist alles wieder in Ordnung?“, stammelte das Stammesoberhaupt von Berk seine Frage. Als Antwort spürte Hicks nur wie die Kriegerin an seiner Brust nickte. Damit gab er sich zufrieden. Er ließ seine Freundin wieder richtige Atmenzüge nehmen und ruhig in seinem Schoß liegen, die Augen immer noch geschlossen. Genau in dem Moment erschien Valka im Türrahmen, Gothi direkt an ihrer Seite. Beide gingen ans andere Bettende und blickten auf das Paar herab. Hicks schenkte ihnen kurz seine Aufmerksamkeit und erklärte: ,,Es ist wieder alles gut.“
Nachdem sich jeder wieder von der plötzlichen Portion von Panik und Schock erholt hatte, Astrid ins Bett gelegt wurde und von Gothi noch einmal kurz untersucht wurde, verschwand diese und verkroch sich wieder in ihre eigene Hütte. Valka war nach unten gegangen, um etwas Suppe zu holen und Ohnezahn hatte sich wieder auf seine Steinplatte gelegt. Hicks hatte sofort beschlossen, die 20-Jährige nicht mehr alleine zu lassen und saß nun neben ihr am Bett und versuchte sie mit einem Gespräch abzulenken. Bald schon kam Valka mit der Suppe und verkündete dann, dass sie schlafen gehen würde. ,,Okay. Nacht“, kam von Hicks, ehe er sich wieder seiner Partnerin zuwandte.
Warum auch sollte er Gute Nacht wünschen? Nichts war gut. Auch wenn er immer Hoffnung beibehalten wollte, in diesem Moment scheiterte er darin. Nach diesem Vorfall konnte er gar nicht anders. Der Schock saß bei ihm immer noch tief. Immerhin hatte der Wikinger in diesem Moment vor ein paar Minuten auch den Gedanken gehabt, er könnte Astrid nun verlieren. Trotzdem versuchte er sich nichts anmerken zu lassen und eine halbwegs gute Stimmung am Leben zu halten, während er mit Astrid plauderte und ihr ab und zu einen kalten Lappen an die mit Schweißperlen übersehte Stirn legte. Diese allerdings gab nicht viele Kommentare von sich. Sie konnte den Schmerz von vorher noch förmlich spüren. Es war schrecklich für sie gewesen. Vorher hatte sie so einen intensiven Schmerz noch nicht gekannt. Aber jetzt hatte sie die grausame Seite des Lebens besucht und kennen gelernt. Die grausame Seite, die neben dem Tod stand. Die Seite, in der man dem Tod schon längst ausgeliefert ist, auch wenn man es nicht will. Es war kein schöner Besuch gewesen.

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Tut mir leid, dass das Kapitel erst so spät kam. Es gab ziemlichen Stress in der Schule. Ich denke, ihr kennt das. :]

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now