32. Befehle, Stress und noch mehr Befehle

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,,Sven, bring deine Schafe in den Stall und schau, dass auch wirklich alles abgeschlossen ist! Frau Ack, bringen Sie ihren kleinen Drachen unter Kontrolle und bringen Sie ihn ins Haus! Fischbein, die Massage für Fleischklops kannst du auch nachher im Haus machen! Nicht hier, nicht jetzt!" Die Rufe des gestressten Stammesoberhaupts hallten durch das Dorf. Im Moment stand er dem enttäuscht scheinenden Ingerman gegenüber, welcher gerade mit Fleischklops am Boden saß und sie kraulte. Schließlich stand Fischbein auf und machte sich mit seinem Drachen ebenfalls an die Arbeit. Mit einem Seufzen legte Hicks sich eine Hand an die Stirn.
Es war schon so viel Zeit vergangen - Zu viel Zeit - und es war noch so viel zu machen. Es hatte zu lange gedauert, wirklich alle Bewohner von Berk über den Sturm zu informieren. Ihnen würde bestimmt nur noch eine Stunde bleiben. Eine Stunde zu wenig. Es musste noch so viel gemacht werden. Zu viel.
Trotz allem versuchte der Wikinger einen klaren Kopf zu behalten und verabreichte dem nächsten Berkianer einen Befehl. Danach wandte er sich einem anderen Bewohner von Berk zu, in Hoffnung, er hätte alles richtig gemacht: ,,Henkel, hast du nachgeschaut, ob jemand fehlt?" ,,Noch nicht, ich muss noch eine ganze Namensliste bearbeiten. Das könnte dauern, immerhin bin ich erst bei 10 Leuten." Gleich würde Hicks' Geduld sein Ende finden. ,,Was zur...?! Henkel, ich hab dir schon vor einer Stunde gesagt, dass du das machen sollst! Es bleibt keine Zeit für eine blöde Liste, jetzt geh endlich los und finde heraus, wer alles fehlt!" Schon warf der durch den Ton des Oberhaupts erschrockene Wikinger das Pergament und das Schreibzeug in seiner Hand weg und rannte los. ,,Henkel, dieser Kohlestift wird beim Sturm weggeweht. Hol' ihn nachher wieder, bevor wir unnötig etwas verschwendet haben!"
Wieder vergingen fünfzehn Minuten. Jede einzelne mit den Ausführungen von Aufträgen und Befehlen verbracht. Langsam merkte man schon, wie der Himmel dünkler würde. Immerhin war der Sturm nun weniger als eine Stunde entfernt. Auch einzelne Windsstöße nahmen ihren Weg aus dem Norden.
,,Chef, meine Schafe sind alle im Stall und ich habe alles, was draußen gelegen ist, in Sicherheit vorm Sturm gebracht.", berichtete Sven, als er in der Dorfmitte bei seinem Anführer ankam. Dieser schenkte ihm sofort seine Aufmerksamkeit. ,,Sehr gut. Jetzt schau nach all den anderen Tieren. Jemand aus dem Dorf hat ein paar Schweine rumlaufen sehen." Der Blonde nickte und machte sich sofort auf den Weg. Nun lief Hicks zur Schmiede. ,,Grobian, wie sieht's bei dir aus? Sind alle Waffen in klarer Sicherheit?" Die Frage wurde bejaht. ,,Okay, dann soll jetzt jeder seine Waffen, die irgendwo herumliegen, bei dir abgeben." ,,Alles klar.", lautete diesmal die Antwort, bis Grobian dann ganz laut schrie: ,,Hey, alle Waffen zu mir, aber schnell!" Schon bildete sich eine kleine Schlange vor der Schmiede. ,,Okay, jetzt ist fast alles geschafft.", flüsterte Hicks sich zufrieden selbst zu, während er durch das lebendige Dorf schaute. Jedes einzelne Mitglied war in Bewegung gesetzt und rannte durch's Dorf um alles wegzuräumen und dicht zu machen. Dann drehte der Braunhaarige sich zu einer Gruppe von erwachsenen Berkianern, die alle etwas kleiner als er waren: ,,Hurt, Grott, Miser, Schäba, ist die Stelle in der Hütte endlich repariert worden?" ,,Jawoll, alles gut mit Holz verriegelt.", gab der kleinste von allen, Grott, zu hören. ,,Super, dann könnt ihr euch jetzt in die Große Halle begeben und genug Proviant für die Nacht besorgen." Ein leises ,,Danke" erklang unter der Gruppe, während jeder nickte. Als sie sich zur Großen Halle bewegten, tauchte Henkel vor dem jungen Stammesoberhaupt auf. ,,Hicks, ich habe nun auf alle Abwesenheiten geprüft und habe die schreckliche Tatsache, dass zwei unserer Männer fehlen, erfahren." Auf Hicks' Gesicht erschien eine wieder ernstere Miene. ,,Oh nein. Wer denn?" ,,Kotz- und Rotzbakke." ,,Na super, war ja klar. Sind ihre Drachen da?" ,,Nein." ,,Okay, dann sind sie vermutlich auf einem Flug. Ich werde sie suchen gehen, du wirst jetzt erst einmal jedem, der seine Arbeit erledigt hat, sagen, dass er in die Große Halle gehen und sich was zu essen holen soll. Verstanden?" Henkel versprach: ,,Natürlich." Mit ein paar Schritten entfernte Hicks sich von dem Wikinger, bis er stehen blieb und sich noch mal umdrehte. ,,Und, Henkel...KEINE LISTE!" Dann machte sich der junge Erwachsene auf die Suche nach seinem Drachen, kurz bevor er sich auf die Suche nach den zwei Jorgensons machte.
Eine halbe Stunde später stürmte es schon ziemlich. Einige Tropfen wurden mit dem starken Wind durch die Luft gewirbelt und durch den dichten Nebel konnte man nicht erkennen, wie der Schnee oben auf dem Berg ebenfalls in Bewegung gesetzt wurde. Genau zu dieser Zeit landeten drei Drachen in der fast leeren Dorfmitte. ,,Rotzbakke, Kotzbakke, wenn ihr genug Essen bei euch in der Hütte habt, dann kehrt sofort in diese zurück und verriegelt alles, wenn nicht, dann geht schnell in die Große Halle, holt euch was, und geht dann in die Hütte und verriegelt alles." Während Hicks seinen Befehl erteilte, stieg er schnell von Ohnezahn und rannte ohne auch nur zurück zu den beiden Jorgensons zu schauen zu Henkel, den er ganz schwach im starken Wind erkennen konnte. Als Hicks seinen Namen rief, drehte sich der Wikinger um und erspähte sein Oberhaupt. ,,Henkel, ist jeder in der Hütte?" ,,Ja." ,,Auch die Zwillinge?" ,,Ja." ,,Alles verriegelt?" ,,Ja." ,,Hat sich jeder was zu essen geholt?" ,,Ja." ,,Perfekt. Dann geh jetzt in deine Hütte und mach genau dasselbe wie all die anderen Wikinger." ,,Sehr wohl." Damit verabschiedete auch dieser Einwohner den Drachenreiter. Dieser wandte sich an seinen schwarzen Drachen zu seiner Linken. ,,Gut, dann werden wir zwei noch alles kontrollieren und dann-" ,,Ich glaube, du hast schon alles gemacht." Durch die plötzliche Aussage erschrak Hicks und drehte sich ruckartig um, wodurch die Hand an seiner Schulter abgeschüttelt wurde. ,,Was zum- Mutter? Was machst du hier? Du solltest schon längst in der Hütte sein." Durch den Nebel hätte der 20-Jährige seine eigene Mutter fast nicht erkannt. Diese beließ das Gespräch auf dem Thema ihrer vorigen Aussage. ,,Hicks, du hast für heute genug getan." Der Braunhaarige verstand und blieb auch bei diesem Thema, ohne davon abzulenken. ,,Aber Mutter, ich muss sicherstellen, dass auch wirklich alles passt und außerdem müssen die Tore der Großen Halle noch geschlossen werden." Valka drehte ihren Sohn vollständig zu sich, indem sie ihn an beiden Schultern packte. ,,Das habe ich schon gemacht. Hicks, du hast deine Arbeit heute super gemacht. Gut genug, um auch wirklich jeden Bewohner von Berk vor diesem Sturm zu schützen. Jetzt solltest du auch mal an dich denken und nach Hause gehen. Du hast dir endlich eine Pause verdient." Der junge Mann wollte gerade wieder etwas einwenden, als seine Mutter ihn unterbrach: ,,Außerdem, Hicks, jemand anderes braucht dich jetzt. Du hast dich den ganzen Tag um das Dorf gekümmert, aber jetzt solltest du wirklich zu Astrid gehen und ihr mal Gesellschaft leisten." Durch dieses Argument gab sich Hicks endlich geschlagen. ,,Na schön...Ich denke, du hast wohl recht." ,,Ja, das habe ich, jetzt komm." Damit machten sich die beiden samt Ohnezahn auf den Weg zur Haddock-Hütte. Nun merkte Hicks endlich so richtig, wie stürmisch es bereits war. Man erkannte durch den Nebel und den überaus wilden Wind fast nichts. Nur da die Drei Berk so gut kannten konnten sie sich bis zu ihrer Hütte durchkämpfen. Angekommen war Hicks wirklich froh darüber, nicht mehr draußen weilen zu müssen, sondern in die halbwegs warme Hütte zu seiner Freundin zu gehen, auch wenn sie krank war.

Leise schlich Hicks sich in sein Zimmer, darauf bedacht, jeden Schritt möglichst unhörbar zu gestalten. Noch immer vorsichtig zog der Drachenreiter seine Rüstung aus, sodass er am Ende nur noch in Hemd, Hose, Schuh und Prothese dastand. Während dieser Aktion spähte er immer zu seiner Partnerin rüber, um sicherzugehen, dass sie noch schlief. Schlafen dürfte ihr nicht schwer fielen, da der Sturm von draußen äußerst laut war, sie aber trotzdem nicht vorm Schlummern abhielt.
Schließlich war der Moment gekommen, zu Abend zu essen, und Hicks kroch auf seine Seite vom Bett. Astrid lag auf der Seite und vergrub ihren halben Kopf im Polster. Auf dem Bauch liegend und auf den Unterarmen abgestützt gab der Wikinger der jungen Frau einen Kuss auf die Wange. Anschließend flüsterte er ,,Aufwachen“ in ihr Ohr, während er ihr eine Haarsträhne aus dem Haar wischte. Ihre Augenlider zuckten etwas, bevor sie sich öffneten und den Braunhaarigen über sich fixierten. Dazu drehte die Blondine ihren ganzen Körper, sodass sie zwar Schmerz verspürte, aber den Drachenreiter über sich besser anschauen könnte. Wieder empfing Hicks diese raue Stimme, welche sich noch schlimmer als beim letzten Mal anhörte. ,,Wieder zurück? Das hat aber kurz gedauert.“ Der Angesprochene setzte sich ein Lächeln auf und legte seinen einen Arm auf die andere Seite von seiner Freundin, sodass Astrids Kopf nun zwischen seinen beiden Unterarmen ruhte. ,,Tut mi-“, wollte Hicks sich entschuldigen, bemerkte dann aber seinen Fehler und korrigierte seinen Satz: ,,Natürlich muss ich mich nicht entschuldigen, da du mich sonst am liebsten schlagen würdest, es aber nicht geht, und du mir weismachen würdest, dass ich mich nicht entschuldigen soll, da das alles nur die Arbeit eines Stammesoberhaupts war. Irgendwelche Fehler?“ Nun waren Astrids Lippen an der Reihe, ein Lächeln zu formen. ,,Nein, alles richtig.“ Das Lächeln auf dem Gesicht des Braunhaarigen wurde breiter, auch beim folgenden Kuss blieb es erhalten. ,,Wie geht es dir?“ lautete die Frage von Hicks, nachdem er den Kuss beendet hatte, sein Gesicht aber nahe beim dem seiner Geliebten gelassen hatte. ,,Wenn du mir erzählst wie deine Arbeit verlaufen ist und mir versichern kannst, dass jeder in Sicherheit vor dem Sturm ist, dann ganz gut.“ Nach einem kurzen Lachen versprach der 20-Jährige: ,,Keine Sorge, da kann ich dich beruhigen.“ Und somit erzählte Hicks von seinem Tag und wie alles verlaufen ist. Wie er jedem einen Befehl erteilt hatte, Rotzbakke und seinen Vater gesucht hatte und alles andere. Nach der Erzählung meinte Astrid teils ernst gemeint teils gespielt: ,,Ich bin stolz auf dich.“ ,,Da fühle ich mich aber gleich sehr geehrt.“ Nach seinem Satz legte Hicks sich eine Hand auf sein Herz. Gleich danach fand diese ihren Platz auf Astrids Wange. ,,Wir haben zwar einen weiteren Tag für die Suche verloren, aber ich verspreche dir, morgen werden wir die letzte Insel besuchen und dann finden wir dieses Heilmittel.“ Im Flüsterton berichtete die Wikingerin: ,,Daran zweifle ich nicht.“ Nach diesen Sekunden mit einem ernsten Gesichtsausdruck kamen endlich wieder Lächeln ins Spiel. Gleich meldete Hicks sich wieder: ,,So...Ich bin mir sicher du hast genauso wie ich Hunger, also werde ich mich mal aufraffen und uns ein Abendessen holen.“ ,,Okay.“, antwortete die junge Erwachsene unter ihm kurz und knapp. So stand der junge Mann auf und begab sich zur Treppe. Doch genau in dem Moment, in dem er seinen Fuß auf die erste Stufe stellen wollte, vernahm der Berkianer ein Keuchen hinter sich. Vor Schreck wäre der Braunhaarige fast von der Treppe gefallen, verschmolz aber in eine Art Schockstarre. Als noch mehr Keuchen und derartige Geräusche ertönten, wurde Hicks die schreckliche Tatsache klar: Astrid befand sich gerade wieder in der Phase, in der sie gnadenloser Schmerz empfing. Ein Schmerz, der zwar nur kurz andauerte, aber dem Menschen die ganze Kraft raubte und ihn förmlich den ganzen Körper spüren ließ.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now