39. Aufgeben? Niemals.

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Hicks machte sich schmerzerfüllt und schwerst betrübt auf den Weg ins Dorf. Das einzige, was ihn in diesem Moment aus seiner Benommenheit reißen konnte, war die Stimme, die hinter ihm ertönte.
,,Haddock, willst du mich wirklich so leicht aufgeben?!“

Hicks blieb auf Anhieb stehen. Es fühlte sich für ihn so an, als hätte man ihm einen Hammer ins Gesicht geschlagen. Der Schock erfüllte ihn von der einen Sekunde auf die andere. Der Wikinger starrte vor sich, unfähig, sich zu bewegen.
Diese Stimme. Er hatte sie schon zu oft gehört, um sie nicht zu erkennen. Eine Stimme, die er immer gerne gehört hatte. Eine Stimme, die ihn immer glücklich gemacht hatte. Die Stimme, die zu der Person gehörte, die er liebte.
Langsam drehte der 20-Jährige sich um. Allein wegen der Stimme war er fassungslos geworden, doch als er die Person, die diese Stimme besaß, auch mit seinen eigenen Augen sah, blieb ihm beinahe das Herz stehen. Er geriet in eine Schockstarre.
Die Wikinger standen sich nur entgeistert gegenüber, starrten sich einfach an. Auch wenn es rein gar nichts brachte, nutzte Hicks die Sekunden aus und versuchte, zu realisieren, dass dies real war. Er sah Astrid. Die Astrid Hofferson, die vor einiger Zeit eine tödliche Krankheit abbekommen und sich vor einer Stunde vom Leben verabschiedet hatte. Sie sollte tot sein. Sie sollte auf dem Boot liegen, das draußen am Meer trieb und außerdem brannte. Sie tat es aber nicht.
Hicks brachte kein Wort heraus. Er fragte auch nicht so etwas wie ,,Astrid, bist du es wirklich?“, da er die Antwort genau wusste. Die Person, die vor ihm stand, war das Mädchen, das er liebte. Wie konnte er dieses jemals verwechseln?
Gerade wollte der junge Mann den ersten Schritt wagen, als ein Blitz aus blauer Farbe an ihm vorbeiraste und ihn beinahe zu Fall brachte. Kurz war Hicks durch diese Bewegung direkt neben ihm aus der Fassung gebracht. Dann schaute er nach vorne und bekam mit, wie der blaue Blitz namens Sturmpfeil sich voller Freude an ihre Reiterin schmiegte. Dieses Bild, wie Astrid ihren Drachen überglücklich umarmte und an sich drückte, ließ ihn nun noch mehr daran glauben, dass diese blonde Wikingerin eine lebendige Astrid war. Aber er wusste, dass er es selbst spüren musste. Er musste sich endgültig beweisen, dass Astrid lebte. Dass Astrid gerade glücklich ihren Drachen umarmt hatte und nun wieder in Hicks' Augen blickte.
Der Drachenreiter zögerte nicht eine Sekunde lang, als Astrid und Sturmpfeil langsam auseinandergingen. Er setzte seine Beine in Bewegung und rannte auf Astrid zu. Es waren nur ein paar Meter, die sich wie Ewigkeiten anfühlten. Mit jeder einzelnen Millisekunde wurden Hicks' Gefühle immer stärker. Der Schwung, den er durch die Geschwindigkeit mitbrachte, hätte die Beiden beinahe nach hinten fallen lassen, als Hicks Astrid in seine Arme schloss. Mit was für einer Kraft der Wikinger Astrid an sich drückte, ließ Überraschung in ihr zurück. Hicks presste Astrid so fest an sich, als würde sie ihn sonst wieder verlassen und für immer ins Totenreich kehren. An die vorige Aussage der Kriegerin gab er die Antwort: ,,Niemals würde ich dich aufgeben.“ Astrid musste lächeln und drückte ihren Freund noch fester an sich. Während sie vor lauter Freude einfach nur lächeln konnte, entkamen Hicks einige Tränen. Die Tränen zeigten, was er alles durchgemacht hatte, was für einen Schmerz er kennen gelernt hatte, wie schwer diese Zeiten für ihn gewesen waren und wie erlöst und überglücklich er sich nun fühlte. ,,Du bist wirklich da...“, schluchzte er. Die Antwort: ,,Ja, ja, das bin ich.“ Astrid fuhr Hicks durch die Haare, um ihn indirekt zu überzeugen, dass er nicht weinen musste, da sie nun bei ihm war. Ganz plötzlich entfernte Hicks sein Gesicht von ihrem Hals - Er hatte sein Gesicht ihn ihrem geflochtenen Zopf vergaben - und küsste sie. Da sie davon kurz überrumpelt war, erwiderte Astrid erst nach ein paar Sekunden und fühlte dabei Hicks' Tränen. Die Bedeutung dieses Kusses übertraf die aller bisherigen Küsse. Die Gefühle, die sie in diesen Kuss steckten, waren so stark wie noch nie. Astrid fühlte sich lebendig, Hicks fühlte, dass Astrid lebendig war. Sie beide fühlten ihre gegenseitige Liebe. Anstatt sich zu sagen, wie sehr sie sich liebten, blieben sie weiterhin in diesem Kuss versunken. Das Paar brauchte keine Worte, um sich zu sagen, was sie empfanden. Astrid hatte ihre Hände auf seinen Schultern, Hicks hatte die Seinen auf ihren Rücken gelegt. Während einem der Küsse holte Hicks Luft und presste hervor: ,,Du bist es wirklich...“ Danach fanden seine Lippen wieder ihren Weg zu Astrids.
Nach dem Kuss kehrten sie wieder zu der vorigen Position zurück. Während der gefühlvollen Umarmung flüsterte Hicks: ,,Du bist am Leben...“  Astrid merkte an seiner Stimme, dass er noch immer überfordert mit den ganzen Gefühlen war. Wieder strich sie ihm durch's Haar, blieb einfach still und hörte sich an, was er sonst noch zu sagen hatte. ,,Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Ich dachte, dass ich dich nie wieder sehen werde. Ich habe geglaubt, dass du tot bist. Aber jetzt bist du da. Oh Thor, Astrid, ich bin so glücklich...so glücklich“ In diesem Moment fragte Hicks nicht nach, wie Astrid am Leben sein konnte. Er genoss einfach nur diesen Augenblick, stellte keine Fragen, sondern nahm sich die Zeit, um Astrid froh zu umarmen und ihre Gegenwart zu spüren.
Astrid lächelte wieder, drückte Hicks mit der einen Hand näher an sich und griff mit der anderen nach der Kette, die ihre Mutter ihr in Walhalla gegeben hatte. ,,Ja...Ich bin wieder da.“

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now