29. Unerwartetes am Abend

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,,M-Mutter, du-du kochst?" Fassungslos stand Hicks im Türrahmen und starrte seine Mutter, die am Lagerfeuer in einem Topf mit einem Löffel rührte, mit geweiteten Augen an. ,,Du bist schon da?", machte Valka die Gegenfrage und lächelte ihren Sohn an. Etwas nervös verwandelte der junge Mann seine Frage wieder in das Hauptthema: ,,Ja, bin ich. Aber zurück zu dir. I-Ich dachte, du weißt, dass du...nun ja...-" ,,dass ich nicht gut kochen kann?" Leise lachend ging die Witwe zu dem Braunhaarigen, während Ohnezahn sich durch die Tür durchzwängte und sie mit dem Schwanz hinter sich zuschlug. Hicks nickte auf ihre bereits zweite Frage. ,,Witzigerweise isst Astrid alles, was ich ihr mache. Und mit alles meine ich Suppe. Anscheinend schmeckt es ihr. Nimm sie dir als Vorbild." Hicks konnte auf ihre Aussage nicht so viel grinsen wie sie. In einem Flüsterton erkundigte er sich: ,,Wie geht es ihr?" Nun wurde auch Valka leiser und ernster: ,,Für die Umstände gut. Sie ist den ganzen Tag nur im Bett gelegen und...du weißt, wie das aussieht." Das Nicken des Oberhaupts diente als Antwort. ,,Okay...Ich gehe kurz zu ihr." Diesmal entpuppte Valka sich als diejenige, die nickte. Sie wusste, dass es ein schlechter Zeitpunkt war, um ihren Sohn nach dem Ausflug auszufragen.
Nachdem er Ohnezahn sein Futter gegeben hatte, schlich sich der Wikinger so leise wie möglich nach oben, in dem Verdacht, dass seine feste Freundin schlief. Wieder setzte sich der grauenhafte Anblick ihrer blassen Haut in sein Gedächtnis und krallte sich fest. ,,Weißt du noch, wie Rotzbakke gesagt hat, dass du deine Prothese ölen solltest? Er hatte recht." Und da war auch noch die raue, kränkliche Stimme. Der 20-Jährige schaute zu der Frau, deren Augen sich geöffnet hatten. Er versuchte sich nichts von seiner Furcht vor Astrids Schmerzen anmerken zu lassen und behauptete: ,,Ach, das hast du doch nur gehört, weil du als Hofferson so ausgeprägte Sinne hast." Mit etwas Kraft schaffte die blonde Kriegerin sich zu einem milden Lächeln zu zwingen, als sie beobachtete, wie der Drachenreiter auf sie zukam. ,,Hey, Süße", holte der Wikinger nun die Begrüßung von vorher in einem Flüsterton nach, als er sich auf die Bettkante setzte und sein Gesicht nahe an das seiner Freundin senkte. Man kann sich denken, dass darauf ein kurzer Kuss folgte. ,,Hey" Die 20-Jährige musste erst einmal schlucken, um mit ihrer Stimme nicht mitten im Wort zu verzagen. ,,Wie war dein Tag?" Die Stimme des Braunhaarigen blieb weiterhin im Bereich einer tieferen Lautstärke. Als Antwort ertönte ein kurzes ironisches Lachen und ein ,,Das sollte ich eigentlich dich fragen." ,,Dazu kommen wir nachher. Jetzt möchte ich wissen, ob bis jetzt alles in Ordnung war." ,,Bis jetzt schon. Aber dann bist du aufgetaucht." Hicks, der gerade dabei war den Handrücken seiner Partnerin zu küssen, ließ diese wieder fallen, als ein empört klingendes Lachen aus ihm herausplatzte. ,,Also wirklich, was hast du denn heute schon wieder für eine Laune? Ich will jetzt schwer hoffen, dass dies gerade Sarkasmus war, junge Dame." Astrid stimmte in sein Gelächter ein, allerdings kam nur ein ziemlich schwach klingendes Kichern dabei raus. Als sich beide wieder beruhigt hatten, setzte das Stammesoberhaupt fort: ,,Ich habe auch gehört, dass dir die Suppe meiner Mutter schmeckt." Mit einem belustigten Grinsen blickte der Mann in die ozeanblauen Augen vor ihm, während er mit seinem Daumen beruhigend über ihre Hand in seiner eigenen strich. Nach einem kurzen Lacher rückte die Blondine mit der Wahrheit hinaus: ,,Valka denkt zwar, dass sie mir schmeckt, aber ich kann dir versichern, dass sie das ganz und gar nicht tut. Schmecken kann ich immerhin noch ganz normal. Aber die Suppe tut in einer gewissen Art und Weise auch gut, auch wenn es kein Leckerbissen ist." ,,Verstehe" Dem Ton, den der junge Erwachsene aufgelegt hatte, konnte man Verständlichkeit entziehen, aber sein Grinsen deutete auch darauf hin, dass er dies amüsierend fand. ,,Okay, aber jetzt erzähl' mal, wie es bei euch so lief. Habt ihr irgendwas gefunden?" Mit Schmerzen und Schwierigkeiten, die den sofortigen Erfolg vernichteten, versuchte sich die junge Dame aufzusetzen, was ihr bald gelang. Neugierig fixierte sie ihren Gegenüber, welcher erst wieder die Fassung vor ihrem Anblick finden musste. Sobald er sie zurückerlangt hatte erzählte er ihr die ganze Geschichte, die ganzen Erlebnisse des Tages. Beim Erwähnen der grausamen Geschichte mit dem Dorf, welches durch die Krankheit umgekommen war, breitete sich in Astrid Schock aus. Hicks holte auch das Pergament aus der Satteltasche von Ohnezahn heraus und zeigte es ihr. Aber bei der Geschichte mit der Windhose und wie alle zueinander gefunden hatten fiel ab und zu ein Lachen.
Am Ende der Erzählung versprach Hicks mit einem milden Lächeln: ,,Du solltest dich jetzt nochmal ausruhen, bevor der nächste Gang der Suppe kommt. Keine Sorge, ich werde mein bestes geben, um sie meiner Mutter kurz zu entnehmen und zu verfeinern."
Astrid wusste, dass ihr Freund auch kein besonders guter Koch war, zumindest bereitete er keine Spezialitäten vor. Aber auf jeden Fall musste man sein Essen nicht qualvoll runterwürgen, also war es weitaus ertragbar.
Mit einem Kuss auf die Stirn verließ das Oberhaupt die Blonde und stieg die Treppen nach unten. Dabei bemerkte er, dass sein schuppenbedeckter Kumpel, welcher nun oben auf seiner Steinplatte ruhte, sein Abendessen schon aufgegessen hatte, da der Korb ganz leer stand. Als der Drachenreiter seinen Fuß auf den Boden gestellt hatte, kam von Valka gleich ein ,,Ah, da bist du ja wieder. Ich muss Wolkenspringer kurz sein Futter bringen, kannst du dich währenddessen um die Suppe kümmern?" Na das kam ihm gerade recht. Nach seiner Einwilligung verließ die Dame kurz die Hütte und Hicks stellte sich vor die Lagerfeuerstelle. Nach mehreren Versuchen, die Suppe zu verbessern, darunter das Reinwerfen einiger kleingehackter Zutaten und Umrühren des Löffels, erschien Valka wieder im Türrahmen. Sie wollte gleich wieder zum Kochen anfangen und ihren Sohn ablösen, doch dieser hielt sie mit seinem Arm zurück und versicherte: ,,Keine Sorge, Mutter. Ich mach das schon. Du hast dich den ganzen Tag um Astrid gekümmert, jetzt verdienst du mal eine Pause." Einerseits ließ Hicks nur die Wahrheit aus seinem Mund fließen, allerdings wollte er sie auch vorm Kochen abhalten. ,,Dann möchte ich mal Danke sagen." Lächelnd fuhr die Witwe durch sein kastanienbraune Haar und machte sich auf den Weg in die Küche - Zumindest hatte sie dies vor. Denn sie stoppte automatisch, als sie ein angestrengtes Keuchen von oben vernahm. Auch Hicks hörte auf in dem großen Suppentopf zu rühren und drehte sich in die Richtung des merkwürdigen Geräusches. Inzwischen hatte sich das Keuchen in eine Mischung aus einem schmerzerfüllten Stöhnen und einem leidvollen Ächzen verwandelt. ,,Astrid?", fragte Hicks mit einer unsicheren und beinahe zittrigen Stimme, während er ein paar Schritte zur Treppe durchführte. Die Panik davor, zu sehen, was da oben vor sich ging, hielt ihn davon ab, genau dies zu tun. Zumindest solange bis auf einmal ein dumpfer Knall ertönte. Wie ein Pfeil schoss der Braunhaarige auf einmal mit einem hektischen ,,Astrid!" nach oben ins obere Stockwerk. Valka folgte ihren Sohn sogleich, bei ihr kannte die immer größer werdende Panik ebenfalls keine Gnaden. Doch als sie beide oben ankamen raubte es ihnen den Atem, als sie Astrid, aus Schmerzen veranlasst, zuckend am Boden liegen sahen.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now