27. Die Suche nach einander

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Murrend blinzelte Hicks und öffnete langsam seine Augen, nur um von der gnadenlosen grellen Sonne, welche durch die Baumkronen spähte, empfangen zu werden. Die war aber schnell wieder hervorgekrochen. Der Mann setzte sich auf und schaute sich um. Die Umgebung schien ihm fremd. Wie war das Stammesoberhaupt überhaupt hier gelandet? Ja, richtig. Durch die Windhose, welche sich den Drachenreitern in den Weg gestellt hatte.
Ohne es überhaupt richtig mitzubekommen waren die Berkianer in den riesigen, gerade entstehenden Tornado hineingeraten, konnten sich nicht mehr befreien und waren auf grausame Art und Weise durch die Luft und schließlich zu Boden geschleudert worden. Hicks konnte sich noch an die Schreie, welche durch das laute Geräusch der Windhose fast vollständig übertönt wurden, erinnern. Niemand von ihnen hatte gewusst, ob sie es da lebendig hinauschaffen würden.
Jetzt, wo das Oberhaupt noch recht gelassen am Boden ruhte, die Sonne wieder friedlich an seinem Platz, schoss es ihm wie ein schneller Blitz durch den Kopf. Die Anderen! Ging es ihnen gut? Lebten sie überhaupt noch? Wie stand es mit Ohnezahn? Während sich diese Gedanken in Hicks' Kopf Platz schufen, sprang der Braunhaarige mit Panik ergriffen auf seine Beine - Keine gute Idee. Wie aus dem Nichts durchfuhr den Drachenreiter ein stechender Schmerz, welcher sich am den ganzen Körper breitmachte. Hätte der Wikinger sich auch denken können. Er war ziemlich viele Meter nach unten auf den Boden geschleudert worden - Natürlich war es unmöglich, dass jemand durch diesen Vorfall ohne irgendwelche Schmerzen schaffte. Eigentlich sollte Hicks schon längst tot sein. Doch ein kurzer Blick nach oben gab den Weg zur Erklärung frei. Grün. Überall nur grüne Bäume. Wie ein riesiger Urwald. Egal wo man sich hindrehte, überall wurde man nur von den großen Pflanzen empfangen. Die Bäume mussten seinen Sturz wohl angefangen haben. Hoffentlich hatte sich dies genauso bei den anderen Drachenreitern ereignet. ,,Hallo?", rief der 20-Jährige ins Leere und hielt dabei seine Hände an den Mund. Die Panik vergrößerte sich. ,,Okay, bleib ganz ruhig...", redete sich der Mann selbst zu. Er musste erst einen klaren Gedanken fassen, um etwas nützliches zu tun. Nach einem tiefen Atemzug hob der junge Erwachsene seinen Arm an, um seinen Kompass zu benutzen. Da dieser nach Norden zeigte und die Sonne sich direkt daneben, also im Nordwesten, befand, wusste Hicks, dass er ein paar Stunden schon hier in Ohnmacht gelegen war. Es war schon später Nachmittag und bei den Berserkern waren sie ungefähr zur Mittagszeit angekommen. ,,Na schön...", wisperte der Anführer der Berkianer und wanderte in eine unbestimmte Richtung. Irgendwo auf dieser fremden Insel musste er seine Freunde finden. Irgendwo mussten sie sein. Vielleicht suchten sie auch schon nach ihm.
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,,Halloooo? Irgendjemand hiiier?!" Die Rufe von Raffnuss hallten durch die Luft und schienen an den Bäumen abzuprallen, da niemand antwortete. Die Berkianerin war genau wie Hicks am Boden liegend aufgewacht und hatte sich auf die Suche nach den anderen begeben. Die Blondine versuchte weiterhin, jemanden mit ihren Schreien ausfindig zu machen: ,,Hallooo! Egal, wer sich meldet, ich nehme jeden! Okay...Alle außer Taffnuss. Oder Rotzbakke. Oh und nicht zu vergessen..." Die junge Frau wurde unterbrochen, als etwas rechts von ihr im Gebüsch raschelte. Raffnuss hatte nicht einmal Zeit verwirrt darauf zuzugehen, schon sprang ein aufgeregter Fischbein aus dem Busch hinaus. ,,Thor sei Dank, geht es dir gut, Süße! Ich habe mir schon Sorgen um di-" ,,Okay, ich bin raus. Du kannst die anderen alleine suchen gehen, aber ich gehe ganz sicher nicht mit dir mit." Diesmal entpuppte sich Raffnuss selbst als die Unterbrechung. Schnell drehte sie sich um, um wieder zu verschwinden, doch Fischbein folgte ihr. Man kann sich vorstellen, dass er ihr nun die ganze Zeit über nicht von der Seite wich und Raffnuss darauf sehr genervt reagierte. Trotzdem nahmen sie sich beide zusammen - Fischbein flirtete nicht so viel und Raffnuss schickte ihn nicht trotzig weg - das nur um nach den anderen zu suchen.
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,,Das darf doch nicht wahr sein! Das ist schon das zweite Mal in meinem Leben, dass ich in eine blöde Windhose gezogen wurde! Wie wahrscheinlich ist es, dass einem Wikinger so etwas zweimal passiert?! Warum hassen mich die Götter so?! Ich habe doch nichts schlimmes getan! Ich habe nur immer meine unglaubliche Perfektion ausgestrahlt und der Welt etwas gutes mit meinen Muskeln, meinem Mut und meiner Schönheit getan! Und so dankt ihr es mir?!" Man kann sich denken, von wem diese aufgewühlte Aussage stammte. Beim letzten Satz richtete der Schwarzhaarige seinen Blick in den Himmel und breitete seine Arme aus. Ihm war es wie Hicks und Raffnuss ergangen. Ob er dankbar war, dass er noch lebte? Nein. Er hatte seine letzten Minuten zu viel mit Beschwerden verbracht, als sich um so etwas Gedanken zu machen. Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Wikinger mit weiterhin ausgestreckten Armen zu Boden fallen. ,,Ich bin mir sicher, Hicks würde sich jetzt wieder super cool fühlen und irgendeine Idee aus seinem Erbsenhirn kramen, die und dann aus dieser Situation befreien sollte." Bei den letzten Wörtern wendete der Wikinger einen hohen, piepsigen Ton an und machte mit seinen Finger Bewegungen von einem kleinen, eingebildeten Mädchen nach. Passte doch perfekt zu ihm. ,,Und ich sage ihm dann: »Diesmal wird nichts gut.« Aber er ist ja immer so naiv. »Doch, wir werden es sicher lebendig von dieser Insel schaffen.« »Nein, ganz sicher nicht!« Am Ende sterben wir eines grausamen Todes und Hicks denkt noch immer, dass ich an allem Schuld bin und er der große Held ist, OBWOHL WIR DANN TOT SIND!!" Man konnte deutlich erkennen, wie diese Situation ihm die Nerven raubte. Bei Hicks' nachgeahmter Stimme benutzte der Jorgenson-Junge wieder diesen piepsigen, unausstehlichen Ton. ,,Und mein Drache?! Tja, dem ist es völlig egal, dass ich hier im Sterben liege, einsam und verlassen. Der würde doch so oder so nicht um Hilfe kommen." Es steckte wirklich viel Optimismus in seinen Sätzen. Doch plötzlich vernahm Rotzbakke ein Rascheln direkt vor ihm. Ruckartig richtete er seinen Oberkörper auf. ,,Ach, Haki, ich wusste doch, dass du kommst, um mich zu retten.", schmeichelte der Wikinger sofort in dem Gedanken, dass sein Drache im Gebüsch auf ihm wartete. Doch Rotzbakkes Wunsch ging nicht in Erfüllung. Wie aus dem Nichts sprang eine gewisse nervöse Gronkeldame aus den dunklen Schatten des Waldes heraus und überraschte den Schwarzhaarigen umso mehr, indem sie geradewegs über ihn drüber rannte. ,,Das darf doch wohl nicht wahr sein!!!" Der Schrei aus Frust füllte die Luft, doch niemand hörte den jungen Mann.
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Grummelnd spannte der Nachtschatten seinen Körper an, um auf allen vier Beinen stehen zu können. Als dies erledigt war, schüttelte er mit zugekniffenen Augen den großen, mit schwarzen Schuppen bedeckten Kopf. Schon in der nächsten Sekunde wurde ihm klar, was seinen Freunden und ihm widerfahren ist. Panisch reckte Ohnezahn seinen Kopf in den Himmel, um nach seinem Reiter zu rufen. Doch dann ertönte ein benommen wirkendes ,,Ohnezahn?", welches ihn aus dem Konzept riss. Ruckartig und mit neu geschöpfter Hoffnung drehte sich der Drache zu seiner Rechten, nur um Taffnuss vorzufinden. Sofort verwandelten sich seine leuchtend grünen Augen zu Schlitzen und der Alpha besaß einen genervten Gesichtsausdruck. ,,Heeey, Ohnezahn, mein Kumpel." Und da setzte sich die grausamste Feststellung aller grausamen Feststellungen in Ohnezahns Kopf fest. Taffnuss konnte die Flugsteuerung nicht bedienen, da er durch die Windhose zu verwirrt worden war und es zu gefährlich wäre, ihn fliegen zu lassen. Das heißt, sie mussten zu zweit nebeneinander hergehen und die anderen finden. Dies würde ein Horrorspaziergang voller langweiliger Erzählungen von Taffnuss werden.
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Nun wanderten alle Mitglieder der Gruppe durch den Wald, entweder alleine oder zu zweit. Doch jeder wusste genau, dass diese Suche nach all den anderen noch lange dauern würde.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें