22. Eine gute Verbesserung

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Konzentriert blieb Hicks' Blick die ganze Zeit auf seiner Freundin, die noch immer ziemlich geschwächt schien. Sie hielt sich mit Mühe auf dem Sattel von Sturmpfeil und holte schwere Atemzüge. Fast den ganzen Flug zur Insel der Verbannten hatte er die junge Frau nur angestarrt und dabei geprüft, ob alles passte und in Ordnung war. Vermutlich war dies eines der unglaublich wenigen Male, dass Ohnezahn nicht vorne an der Spitze der Bande von Drachen glitt und alle anführte, sondern in der Mitte neben Astrid. Diese Chance und der Fakt, dass Eret nicht da war, nutzten Fischbein und Rotzbakke voll und ganz aus, indem sie vor ihrem Schwarm ihre Flugkünste unter Beweis stellten. Natürlich kamen Diskussionen und Probleme beim Fliegen ins Spiel. Valka versuchte dazwischenzukommen und die Drachenreiter und dessen Drachen vor Verletzungen zu schützen. Allerdings merkte die Frau schon bald, dass es zu keinen Änderungen führte und lenkte Wolkenspringer weiter nach hinten zu ihrem Sohn, der nun als letztes hinter Astrid flog. Der Wikinger konnte es noch immer nicht richtig ertragen, seine eigene feste Freundin so krank, wund und schwach zu sehen. Ihre raue, dunkle Stimme verdoppelten den innerlichen Schmerz, den allein ihr Anblick mit der blassen Haut und dem kränklichen Gesichtsausdruck auslöste. Es war ein unglaublich grausamer Gedanke, dass dies noch nicht einmal das schlimmste war. Denn wenn die Drachenreiter nicht schnell handelten, dann würde Astrid den zweiten Schritt ihrer Krankheit erreichen und noch viel mehr Schmerz erleiden müssen. Wenigstens ging es der Wikingerin den Umständen entsprechend noch halbwegs gut. Valka merkte, wie sehr der Braunhaarige die Berkianerin fixierte und beschloss, ihn etwas abzulenken. Der gigantische Drache der Wikingerin rückte in den Lüften mit der kühlen Brise des späten Nachmittags noch näher zu Ohnezahn, welcher die Blondine auf der Nadderdame vor sich ebenfalls im Auge hatte, und gurrte, um seine Aufmerksamkeit zu gelangen. Der Alphadrache wandte sich dem Sturmbrecher zwar zu, aber sein Reiter reagierte noch immer nicht. Man hätte glauben können, er wäre in einer Art Trance. Daher übernahm Valka das Erringen der Aufmerksamkeit des jungen Mannes: ,,Hicks?" Das Stammesoberhaupt hob verwirrt seinen Kopf und drehte ihn in die Richtung der Stimme. Er richtete seinen Blick auf die ältere Dame, späte nur ganz kurz im Augenwinkel zu Astrid hinüber, reichte Valka dann aber seine ganze Aufmerksamkeit. ,,Ja?" ,,Ich möchte nicht pessimistisch sein, aber die Insel der Verbannten war noch nie so richtig bekannt für seine Heilerfähigkeiten. Ich weiß nicht, ob sie wirklich Informationen haben.", erklärte die Braunhaarige mit einem Ton, der ihren Zweifel hervorbrachte. ,,Ich weiß, aber wir können immer noch hoffen. Ich habe dir ja schon mal erzählt, wie wir Frieden mit den Verbannten geschlossen haben. Seitdem waren wir zwar nicht mehr wirklich dort, aber vielleicht hat sich bei ihnen was verändert. Immerhin wissen sie jetzt, wie Drachen wirklich sind.", offenbarte der Drachenreiter seine Meinung. Valka setzte sich ein Lächeln auf und stimmte ihm zu: ,,Ja, die Hoffnung wird nicht so schnell weichen." Hicks erwiderte ihr Lächeln kurz, ehe er sich wieder zu dem Beobachten seiner Freundin gesellte. ,,Ist alles in Ordnung bei dir?", rief er der Blonden zu. ,,Wie oft hast du das eigentlich schon gefragt?", knurrte die Kriegerin genervt. ,,Meinst du jetzt nur heute oder generell?", erkundigte sich das Oberhaupt etwas amüsiert. ,,Beides.", kam die knappe Antwort von der Wikingerin, die ihren Kopf leicht nach hinten gedreht hatte. Ihr fester Freund wollte gerade etwas sagen, als Rotzbakke auf einmal fragte: ,,Was ist das für eine Insel?" Fischbein, mit dem der Schwarzhaarige vor ein paar Sekunden noch einen Art Streit hatte, blickte genau wie er nach vorne und verkündete: ,,Die habe ich ja noch nie gesehen." Hicks steuerte Ohnezahn weiter nach vorne und stoppte zwischen Hakenzahn und Fleischklops, welche auf der Stelle flogen. Das Stammesoberhaupt blieb kurz stumm und begutachtete die Insel. Dann schoss es ihm wie ein greller Blitz durch den Kopf. Aufgeregt berichtete er: ,,Leute! Das ist keine neue Insel. Das ist die Insel der Verbannten!" Alle Mienen der Anwesenden verwandelten sich abrupt in eine geschockte, dann in eine mehr als begeisterte. Die Freunde bildeten eine geradlinige Reihe und starrten alle auf die wunderschöne Insel vor ihnen. Eine grüne Wiese erstreckte sich im ganzen gut aufgebauten Dorf. Zu ihrer großen Verwunderung war fast kein spitzer Felsen weit und breit zu sehen - Nicht einmal im Wasser, obwohl dort früher immer überall welche zu finden waren. Normalerweise musste man hier immer sehr aufpassen, dass man nicht gehen die gefährlich scharfen aus dem Meer oder dem Boden ragenden Felsen stieß. Doch nun gab es keine düsteren und dunklen Farben mehr zu sehen. Es traten nur fröhliche Farben hervor. Doch das, was die Berkianer am aller meisten verblüffte, war, dass überall Drachen friedlich herumschwirrten. Selbst von der Ferne konnte man auch Reiter auf handgemachten Sätteln erkennen. ,,Wow...", murmelten die Drachenreiter. Dann äußerte Valka: ,,Du hattest recht, Hicks. Sie haben sich wirklich verändert." Der Braunhaarige lächelte seine Mutter an und schaute durch die Runde. Als sein Blick bei Astrid ankam, senkten sich seine Mundwinkel und er sprach in einer ziemlich tiefen Stimme: ,,Hoffentlich haben sie auch ihre Heilkünste und ihr Wissen über Krankheiten verbessert. Los geht's!" Daraufhin schossen die Drachen alle geradewegs auf die gut bewohnte Insel zu. Selbst Sturmpfeil nahm ein schnelleres Tempo an. Hicks blickte einmal noch nach hinten zu ihr, bevor er wieder nach vorne spähte und auf der Mitte des Dorfes landete. Die Verbannten schreckten auf, als alle sechs Drachen mit ihren Beinen den Grund erreichten, dadurch einen dumpfen Knall auslösten und den Bewohnern einen entschlossenen Blick sendeten. Schon nach wenigen Augenblicken sammelte sich eine Gruppe von Verbannten. Manche der Dörfler verließen ihre Häuser, nachdem sie ebenfalls das neuartige Geräusch von draußen wahrgenommen hatten. Bald schon war fast das ganze Dorf vor den Drachenreitern anwesend. ,,Macht Platz!“, erhob sich eine Stimme hinter der Scharr. Nacheinander wurden die Einwohner zur Seite geschoben und niemand anderes als Alvin der Heimtückische trat hervor. Sein ernster Blick wurde kurz zu einem verwirrten und geschockten, dann aber nahm er wieder seinen normalen, bedrohlichen an. Wie die Drachenreiter ihn, musterte der Mann seine Gegenüber. Die Berkianer hatten ihn zwar sehr lange nicht mehr gesehen, doch sie wussten genau, dass sich sein Aussehen fast nicht geändert hatte. Die einzigen veränderten Sachen waren seine Rüstung, die mit mehr schillerndem Metall verstärkt worden, und sein Bart, der fast bis zu seinem Bauch gewachsen war. Auch seine Stimme hatte seinen dunklen, groben Ton beibehalten: ,,Die Drachenreiter von Berk...Lange nicht mehr gesehen.“ Seine Lippen überspielte ein freches Grinsen, welches für ihn üblich war. ,,Sei gegrüßt, Alvin. Es sind jetzt schon mehr als fünf Jahre vergangen. Wie ich sehe hat sich hier viel verändert.“, sprach Hicks durch Höflichkeit veranlasst. Nun besaßen beide Anführer ein freundliches Lächeln. ,,In der Tat. Seit dem Kampf mit diesem Dagur haben wir mit den Drachen Frieden geschlossen. Nun haben wir Ställe, Futterstationen und andere Sachen gebaut. Es hat zwar lange gedauert mit den Drachen klarzukommen, aber es hat sich gelohnt.“ Während seiner Aussage, blickte Alvin um sich und gab beim Anblick seiner Untertanen das Zeichen, zu gehen. Sofort nickten die Bewohner der Insel und zogen sich wieder in ihre Häuser zurück oder hoben auf ihren mit Flügeln versehten Freunden ab. Das Stammesoberhaupt von Berk fasste sich allerdings die Küste und das Meer in den Blick. Dann erkundigte er sich: ,,Aber was ist mit all den verschwundenen Felsen passiert?“ Alvin lachte und legte sich dabei die Hände an die breite Taille. ,,Das lässt sich leicht erklären.“, versicherte der Heimtückische und rief anschließend: ,,Stachelmaul!“ Wie aus dem Nichts schoss ein Drache durch den Schatten von zwei Häusern hindurch und sauste auf seinen Besitzer zu. Die Drachenreiter schreckten genauso wie ihre treuen Freunde, welche auch einen Schritt nach hinten begangen, zurück. Fischbein entglitt ein kurzer, äußerst hoher Schrei. Vor ihnen nahm der flüsternde Tod eine stolze Pose an. ,,Darf ich vorstellen, mein Drache, Stachelmaul!“, verkündete der Verbannte, den Stolz in seiner Stimme deutlich zu hören gebend. ,,Wow!“, erklangen die begeisterten Kommentare. ,,Du hast tatsächlich einen flüsternden Tod gezähmt!“, rief Fischbein beeindruckt, nachdem er seine Fassung zurückerlangt hatte. ,,Nicht nur irgendeinen flüsternden Tod. Das hier ist die Mutter des brüllenden Todes.“, berichtete der Dunkelhaarige. Wieder weiteten sich die Augen der Berkianer. ,,Dieser kommt nur manchmal mit seinen Geschwistern, um sein Mütterchen zu besuchen. Meiner Meinung nach ziemliche Muttersöhnchen, aber gut. Daher sind auch so viele Felsen weg. Denn der flüsternde Tod hat alle als eine kleine Jause gefuttert. So hat er die ganze Steinschicht weggefressen, wodurch wieder Gras wachsen konnte.“ ,,Aber wo sind all die Tunnel von deiner Stachelmaul?“, stellte Hicks die Frage. Alvin deutete mit seinem Zeigefinger auf eine abgelegene Stelle hinter dem Dorf, wo ich keine Einwohner aufhielten. ,,Da hinten.“, fügte er seiner Geste hinzu. ,,Ich hätte noch eine Frage.“, meldete sich bald darauf Rotzbakke. Alvin drehte sich zu ihm und zog eine seiner Augenbrauen hoch. ,,Warum trägt dein Drache diesen männlichen Namen, wenn es doch ein Weibchen ist?“, informierte sich der Schwarzhaarige. Hicks murrte genervt und mahnte: ,,Rotzbakke, wegen solchen Fragen sind wir nicht hergekommen.“ ,,Egal, ich will es wissen.“ So erklärte das Stammesoberhaupt der Insel, auf der sie sich befanden: ,,Mir ist egal, von welchem Geschlecht sie ist. Es klingt einfach bedrohlich. Und das gefällt mir.“ Am Ende seiner Aussage musste setzte sich der Braunhaarige sein typisches Grinsen auf. ,,Nun möchte ich zu meinen Fragen kommen. Erstens: Wie geht es Haudrauf? Warum ist er nicht hier?“, fragte schließlich Alvin. Hicks lachte kurz falsch und kratzte sich am Hals: ,,Stimmt, du weißt es noch nicht. Haudrauf ist vor einem halben Jahr in einem Kampf gestorben.“ ,,Oh...“, murmelte Alvin, wobei man seine Enttäuschung und Trauer an seiner Stimme und seiner Miene erkennen konnte. ,,Tut mir leid, das zu hören. Er war ein guter Mann.“ ,,Ja, da hast du recht. A-Aber schieben wir das mal zur Seite.“, gab der 20-Jährige zu hören, um auf ein anderes Thema zu lenken. Alvin kam dieser Themenwechsel gut, da Haudrauf sein Freund gewesen war und er ihn gern gehabt hatte. Auch wenn sie sich lange nicht mehr gesehen hatten, verursachte sein Tod innerlichen Schmerz. ,,Okay. Dann kommen wir zur zweiten Frage. Wer ist das?“ Damit zeigte der Wikinger auf Valka. Sein Gesichtsausdruck sprach Verwirrung aus. Das Oberhaupt von Berk brachte die Erklärung auf den Tisch: ,,Das ist Valka, meine Mutter und Haudraufs Frau.“ Durch diesen Satz wurde Alvins Verwunderung nur noch größer. ,,Was?! Ich dachte, sie sei von Drachen gefressen worden!“, stieß er entgeistert hervor. Der junge Erwachsene erzählte: ,,Nein, wir haben sie wieder gefunden. Der Drache, der sie entführt hat, hat sie nicht gefressen, sondern in Frieden aufgenommen. Leider haben wir sie kurz vor dem Kampf, in dem mein Vater gestorben ist, gefunden.“ ,,Wow, wie ungerecht. Genau als ihr wieder zusammen gefunden habt.“, gab der Heimtückische zu bedenken. Als er aber merkte, wie sich die Stimmung in den Bereich des Kummers zog, versuchte er sie wieder zurückzuerlangen, indem er fragte: ,,Aber jetzt zur eigentlichen Frage: Was macht ihr hier? Ich glaube kaum, dass ihr für einen einfachen Besuch hergekommen seid.“ Der Verbannte musterte die Gruppe vor ihm. Erst dadurch fiel ihm Astrid ins Auge. Wie bei jeder anderen Person war ihm der Schock ins Gesicht geschrieben. Hicks folgte seinem Blick und dann: ,,Ich denke, du siehst schon, warum. Astrid hat sich eine Krankheit eingefangen und wir haben auf Berk zu wenig Informationen, um ein Gegengift zu finden. Daher hatten wir gehofft, dass ihr vielleicht etwas für uns bereitgestellt habt.“ ,,Dass ihr ausgerechnet zu uns, den Verbannten, kommt, verwirrt mich. Wir waren noch nie bekannt für unsere Heilkünste.“ Auf diese Aussage schenkten Valka und Hicks sich einen Blick, aufgrund ihres vorherigen Gespräches. ,,Aber ich kann trotzdem schauen, ob wir etwas für euch haben. Macht euch nur nicht zu viel Hoffnung.“, sagte Alvin und machte sich auf den Weg zur Hütte des Heilers. Die Berkianer stiegen von ihren schuppigen Freunden und folgten ihm. Leise flüsterte Hicks: ,,Keine Sorge. Die Hoffnung war schon von Anfang an sehr gering.“

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Where stories live. Discover now