Prolog

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Der erste Schnee des Jahres ist gefallen und bedeckt die grüne Wiese, die Hügel dahinter und die umstehenden Bäume vollkommen. Weisser Rauch steigt aus den Kaminen der Hütten auf und kringelt sich gen Himmel empor, der Finsternis des Nachthimmels entgegen. Sterne scheinen, der Mond erleuchtet die Friedlichkeit und Stille der Nacht hat sich über das kleine Dorf gelegt.

Aber ich schnaufe, schnaube und renne; ich renne bis es in meinen Oberschenkeln schmerzt und die kalte Luft meine Lungen zu zerreissen droht. Ich renne dennoch weiter, stolpere und werde sogleich blitzschnell auf die Füsse gerissen. Ich schaue auf; schaue in sein schönes Gesicht und sehe die Angst in seinen Augen. Ich sehe die Angst, die ich selbst empfinde und merke, wie ich in diesem Moment panisch werde. Doch er lässt mir keine Zeit, meine Gefühle zuzulassen, stattdessen zerrt er mich weiter gen Tal hinab, auf die nächste, befahrbare Strasse, in die nächstgelegene Stadt ... Wir schaffen es nicht, denke ich und dann kriecht doch noch die bittere Verzweiflung meinen Brustkorb hinauf.

»Lass mich nicht los!«

In diesem Moment gleitet über unseren Köpfen schwarzer Nebel hinweg und breitet sich am Horizont aus; schwärzt unsere Sicht und verteilt sich um unsere Körper wie körperlose Arme. Ich schreie vor lauter Angst und ich schluchze instinktiv auf, als er meine Hand loslässt. Nun ist alles um mich herum von einer unnatürlichen Schwärze umgeben, - so manch einer stellt sich seine Albträume in einer derartigen Dunkelheit vor, - und doch werde ich nicht müde, mit meinen Armen nach seinem starken Oberkörper zu suchen, blind und hilflos. Tränen der Verzweiflung sammeln sich in meinen Augen und ich lasse ihnen freien Lauf, denn in diesem Moment beginne ich zu begreifen, dass es hoffnungslos ist. Gegen solch starke, dunkle Magie vermag ich nicht anzukommen.

»Lass nicht los«, keuche ich erneut, doch inzwischen weiss ich, dass er fort ist.

Und ich bin alleine, nackt und blind in der namenlosen Dunkelheit, die mich immer mehr ergreift und mich in ihren tödlichen Schlaf lullt.

SilbermondWhere stories live. Discover now