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• D A N I E L •

Seufzend lasse ich mich auf meinen Stuhl sinken und stütze meinen Kopf auf meinen Armen ab. Heute ist es soweit, ich lerne meinen neuen Diener kennen, der hoffentlich länger als einen Monat aushält und bei uns im Haus bleibt.

An mir soll es nicht liegen. Von mir aus kann der Typ eigentlich auch gleich wegbleiben. Aber andererseits will ich auch nicht weiter meinen Vater enttäuschen. In seinem Schatten stehen.

"Liebling, du siehst gar nicht gut aus. Hast du heute Nacht überhaupt geschlafen?" Meine Mutter stellt sich hinter mich und streicht über meine Haare. Ich schließe die Augen und versuche mich zu entspannen. "Ich habe auch kaum ein Auge zugemacht." "Wieso?"

Weil ich aufgeregt bin, den 'Neuen' kennenzulernen. Aber ich kann ja wohl nicht zugeben, dass mich der Gedanke nervös macht. Doch wie soll es denn auch sonst sein? Dieser junge Mann wird mich überall hinbegleiten, mir nicht mehr von der Seite weichen. Allerdings nicht als guter Freund - jemand, der sich Sorgen um mich machen könnte.

Er wird zuletzt nur bezahlt, sich um mich zu kümmern. Ehrliche...freundschaftliche Gefühle werden da niemals von seiner Seite aus sein.

"Vielleicht war Vollmond.", meine ich nur und zucke mit den Achseln. Ich muss nicht aufsehen, um zu wissen, dass sie sich neben mich setzt. "Weißt du, vielleicht hilft dir später ein schönes Bad. Du lernst den Knaben kennen und dann kann er dir auch gleich mal ein heißes Bad einlassen. Dafür wird er ja schließlich bezahlt."

Und um mich auszuspionieren. Vater hat nicht nur nach einem Burschen ausrufen lassen, damit ich mich nicht mehr ständig an unsere Angestellte ranmache...Ich wette, dass er ihm auf den Weg hierher deutlich macht, dass er zuletzt sein 'Chef' ist und er nur auf ihn zuhören hat.

Er muss einfach immer deutlich zeigen, dass er das alleinige Sagen hat...

Ich nicke schließlich und hebe augenblicklich den Kopf, als die Tür geöffnet wird. Mutter spannt sich an, als ihr Ehemann eintritt, gefolgt von Carson und einem jungen Mann. Der, der die nächste Zeit jeden Wunsch von meinen Lippen ablesen wird.

"Daniel-", ich zucke bei seiner strengen Stimme zusammen und richte mich auf, "das ist Ethan Hanson, der dir ab heute persönlich zur Seite steht. Du weißt, was ich von dir erwarte, stimmt's?" Ich nicke, während ich auf sie zugehe.

Carson schubst den jungen Mann an, der bisher schweigend und mit gesenkten Kopf hinter meinem Vater stand. Er geht ein paar Schritte auf mich zu, macht aber noch keine Anstalten, mich anzuschauen. "Guck mich an.", weise ich an, um sein Gesicht erkennen zu können. Augenblicklich geht er meinem Befehl nach und hebt seinen Kopf an.

Und da erkenne ich ihn. Das ist der traurige Junge vom Tag der Hinrichtung. Derjenige, der mir bereits da aufgefallen war. Er schien so mitgenommen zu sein, als er den beiden Männern beim Sterben zusehen musste.

Er tut mir ein bisschen leid, dass es ihn getroffen hat. Anscheinend ist er ja sehr sensibel zu sein. Ich weiß nicht, ob er es hier lange aushalten würde.

"Ich denke, du kennst unsere königliche Hoheit?", fragt Vaters Berater den noch schweigsamen Jungen. Er nickt und geht vor mir auf die Knie. Ein Zeichen der Unterwerfung. "Du wirst ihm gehorchen, verstanden? Was er dir auch aufträgt, wirst du zu seiner Befriedigung erfüllen. Nur ein Fehler deinerseits und dein Geld wird gekürzt. Und du weißt am besten, wie sehr deine Familie jeden einzelnen Penny braucht, also-" "Carson, es reicht!", unterbreche ich ihn mit fester Stimme.

Alle Blicke liegen auf mir. Keiner der Anwesenden, vor allem mein Vater, hätte nicht geglaubt, dass ich die Stimme erheben könnte. Ich bin selbst etwas...überrascht von meinem Verhalten. Aber was fällt ihm auch ein, Ethan so unter Druck zu setzen? Es ist ja wohl schon schwer genug für ihn, seine Familie verlassen zu müssen.

"Ethan und ich werden schon zurechtkommen. Er ist ja schließlich nicht der erste, der für mich arbeitet. Ich werde ihn schon notfalls zurechtweisen.", meine ich mit möglich gleichgültiger Stimme und sehe meinen Vater erwartend an. "Gut, dann lassen wir euch alleine.", sagt er nur und gibt seinem Berater und meiner Mutter ein Zeichen, ihm zu folgen.

Ich lächle ihr kurz entgegen, als sie mir über den Rücken streicht und schließlich meinen Vater und Carson nach draußen begleitet. Zurückbleiben wir. Stumm stehen wir uns gegenüber, nicht wissend, was wir sagen sollen.

Seufzend lasse ich mich schließlich wieder auf einen der vielen Stühle fallen und bedeute ihm, es mir gleich zu tun. Zögernd setzt er sich mir gegenüber, traut sich aber nicht, mir in die Augen zu schauen. Ethan blickt sich um - verständlich, weil er diese Welt des Reichtums nicht kennt. "Gefällt es dir?", frage ich deshalb und versuche irgendwie, eine Bindung zwischen uns aufzubauen.

Wir werden sicherlich keine Freunde - das wäre auch nicht das, was Vater von mir erwartet, aber schließlich muss ich mein Leben nun mit ihm teilen. Da kann ich mich wenigstens mit ihm auf gewisser Weise gutstellen.

"Mhm.", meint er nur. Ich kann nicht anders, als zu schmunzeln. "Hör mal, ich nehme an, es gehört sich einfach so, dass man ehrlich zueinander ist. Und das wäre auch jetzt meine erste Anweisung an dich. Sag mir, was du tatsächlich denkst." "Es ist glanzvoll und prächtig, passend für die Königsfamilie." "Aber?" "Das alles hier ist wirklich beachtenswert, ich kenne so ein Leben nicht, es wirkt wie eine ganz andere Welt. Aber es ist auch übertrieben."

Ich hebe überrascht eine Augenbraue. "Übertrieben?" Er nickt. "Übertrieben prunkvoll, einfach unnötig. Sie können sich natürlich nicht vorstellen, wie ein Leben in Armut ist. Doch Ihr Vater tut auch nichts gegen das tägliche Leid, gegen welches wir jeden Tag kämpfen müssen. Die königliche Familie versteckt sich hinter den Mauern - geschützt vor Krankheit, Not und Elend - und genießt ein glamouröses Leben. Also anstatt das Geld für nutzlose Sachen auszugeben, wie zum Beispiel eine ganz neue Uniform für das gesamte Militär und die Angestellte, sollte man doch einfach das Vertrauen des Volkes zurückgewinnen..."

Ethan beißt sich auf die Unterlippe und unterbricht somit seine 'Hassrede' über meinen Vater und eigentlich über meiner ganzen Familie.

Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass der zerbrechliche junge Mann, den ich anfangs in ihn gesehen habe, ein so großes Mundwerk besitzt und auch noch den Mut hat, mir alles an den Kopf zu werfen.

Ich kann nicht anders, als zu grinsen. "Wow, also...ich glaube, die nächste Zeit wird auf jeden Fall noch interessant bleiben."

©Aria1Spencer

Hopelessly Fall In Love [BoyxBoy] + Aria1SpencerWhere stories live. Discover now