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• D A N I E L •

Mit straffen Schultern und angehaltenem Atem bleibe ich vor der Holztür des kleinen Hauses stehen.

Hier ist er also aufgewachsen? Aus seinen Erzählungen habe ich herausgehört, dass sie viele Kinder sind. Wie können sie denn alle hier wohnen?

Ich sehe mich um, ziehe mir die Kapuze weiter ins Gesicht, um unerkannt zu bleiben. Als Ethan und ich vor einiger Zeit schon mal im Dorf waren, habe ich mir bereits ein Bild von den grauenhaften Bedingungen machen können.

Aber ich hätte niemals für möglich gehalten, dass er aus einer noch schlimmeren Ecke kam. So wirkte er nun wirklich nicht.

Nun muss ich schmunzeln, wenn ich an unsere ersten Gespräche zurückdenke. Wie vorlaut er mir gegenüber war. Kein Funken an Respekt zeigte. Außer es ging um seine Familie.

Ethan hing sehr an seiner Familie. Von ihr getrennt zu sein, fiel ihm oft sehr schwer. Das habe ich ihm angemerkt, immer wenn er über seine Geschwister oder seine Mutter sprach.

Aus diesem Grund stehe ich hier vor diesem schäbigen Haus. Ethans Zustand hat sich in den letzten Tagen kaum gebessert. Die Ärzte hätten ihn schon längst aufgegeben, wenn ich nicht ständig dabei gewesen wäre und ihnen aufgetragen hätte, ihm die beste medizinische Versorgung zu geben, die sie konnten.

Meinen Vater habe ich seit unserem Streit gemieden. Nicht, weil ich mich vor ihm fürchte. Sondern weil ich mich sicherlich nicht zurückhalten könnte, ihm einen Dolch ins Herz zu rammen.

Und auch Merle hat sich nicht mehr blicken lassen. Oft geht sie spazieren oder verbringt ihre meiste Zeit in der Bibliothek, wie mir einige Mädchen berichten.

Der kalte Wind kämpft sich durch meinen dicken Mantel, sodass ich trotz dickem Fell zu zittern beginne.

Es sollte doch nicht so schwer sein, an einer Tür zu klopfen. Ich bin hier wegen Ethan, er glaubt an mich, dass ich ihn retten werde.

Es ist bereits, trotz dass es noch nicht Abend ist, finster am Himmel. Manchmal glaube ich, das Wetter würde sich meiner Stimmung anpassen. War ich glücklich, schien draußen die Sonne am höchsten Punkt. Doch seit einiger Zeit ist es so düster wie es in meinem Inneren aussieht.

Durch ein Fenster kann ich ein dumpfes Licht erhaschen. Seine Familie ist also zuhause. Meine Hände beginnen unwillkürlich zu zittern, als ich die eine zu einer Faust forme und gegen die Tür klopfen lasse.

Für einen Moment habe ich Angst, dass sie dadurch einbrechen würde. Dieses Haus ist eine Zumutung für jeden, der darin wohnt. So kann ich Ethans Familie doch nicht leben lassen.

Aus dem Inneren des Hauses höre ich Schritte, die immer deutlicher werden. Dann wird die Holztür mit einem lauten Knarren geöffnet, dahinter sieht mich eine ältere Frau mit geweiteten Augen erschrocken an.

"Eure königliche Hoheit? Was tut Ihr denn hier?" Ihre Stimme ist so sanft, wie Ethan sie einst beschrieben hat. Augenblicklich habe ich sie bereits ins Herz geschlossen. "Ich bitte vielmals um Entschuldigung, wenn ich Euch störe", sage ich und ziehe mir die Kapuze vom Kopf, "Aber ich muss dringend mit Euch sprechen." "N-natürlich", erwidert sie und geht einen Schritt zur Seite, damit ich eintreten kann.

Der Zustand des Hauses lässt sich erst jetzt wirklich deuten, wenn man drinnen ist. Die Wände sind undicht, sodass mich auch hier ein paar Luftzüge treffen. Man hat kaum die Möglichkeit, sich zu bewegen, weil die Räume sehr klein sind.

"Setzen wir uns doch." Ethans Mutter deutet auf die Stühle, die aussehen, als würden sie kaum Gewicht halten können. Und dennoch gehe ich ihre Bitte nach. "Nun, fasst es bitte nicht falsch auf, mein Prinz. Aber ich verstehe nicht, was Euch in unser Haus führt." "Es geht um Euren Sohn. Wie Ihr wisst, arbeitet Ethan im Schloss und er verrichtet seine Arbeit wirklich gut, aber-" "Verzeiht, wenn ich Euch unterbreche, aber was ist mit ihm? Hat er Probleme?"

Sie hat dieselben Augen wie er. Ich kann mich kaum auf meine Worte konzentrieren. "Er ist krank. Vor einigen Tagen ist er gestürzt und schläft seit dem." Erschüttert schüttelt sie den Kopf. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. "M-mein Ethan...der Herr sollte doch über ihn wachen, wenn ich es nicht konnte."

Ich lege meine Hand auf die der abgemagerten Frau, die zu schluchzen beginnt. "Ihr müsst mir glauben, dass ich mir genauso wünsche, dass sich Ethans Zustand verbessert. Doch die besten Ärzte konnten bisher nichts erreichen. Ich habe sogar im gesamten Land nach den fähigsten ausgerufen."

Sie hebt ihren Kopf und sieht mich verwundert an. "Warum interessiert Ihr Euch so sehr für meinen Jungen?" "Er liegt mir sehr am Herzen. Diese Verbingung, die zwischen uns besteht, ist nicht in Worten zu fassen." Seine Mutter nickt, als würde sie es verstehen. "Aber um darauf zurückzukommen, warum ich eigentlich hier bin. Ich habe erhofft, Euch dazu überreden zu können, mit mir zu kommen." "In den Palast?", ruft sie entrüstet aus, als könnte sie es nicht begreifen. Ich nicke aber. "Vielleicht spürt Ethan Eure Anwesenheit und wird dadurch aus seinem Tiefschlaf erwachen."

Meine letzte Hoffnung ist, dass die Bindung zwischen Sohn und Mutter so stark ist, dass sie etwas bewirken wird. Immerhin hat er immer davon gesprochen, wie verbunden Ethan mit seiner Familie, besonders mit seiner Mutter ist.

Und ich möchte ihn endlich wieder zurück. Meinen Ethan.

"I-ich weiß nicht. Das schickt sich doch nicht, einfach in das Anwesen der Königsfamilie-" "Ich habe Euch persönlich eingeladen. Bitte, ich flehe Euch an. Es geht hier um Ethan, er braucht Euch. Und ich bin mit meinen Nerven am Ende", bitte ich sie und hoffe, bei ihr durchdringen zu können.

Die ältere Dame mustert mich eindringlich, als würde sie bis in mein Inneres sehen können. "Er bedeutet Euch etwas." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Seufzend unterdrücke ich einige Tränen. "Euer Sohn ist mein ganzes Leben."

©Aria1Spencer

Hopelessly Fall In Love [BoyxBoy] + Aria1SpencerWhere stories live. Discover now