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Cameron:



„So kenne ich dich gar nicht! Was hat dich denn da geritten?! Der Junge liegt im Krankenhaus!"

Mein Dad schrie Noah an, der neben mir auf dem Sofa saß und beschämt zu Boden sah.

„Es war doch gar nicht seine Schuld", versuchte ich ihn zu verteidigen, denn das war es echt nicht gewesen, doch dann ging die Wut meines Vaters auf mich über.

„Ich weiß, dass du den ersten Schlag ausgeteilt hast, Freundchen, und das wird ein Nachspiel haben, für beide von euch! Meine Söhne sind zu Schlägern geworden! So hab ich dich nicht erzogen", sagte er zu mir. „und deine Mutter dich auch nicht!" Dabei sah er Noah an.

Er zuckte zusammen. Er tat mir gerade so unfassbar leid. Er hatte das nur getan, um mich zu verteidigen und dann sowas...

„Dad, Matt hat mich beleidigt. Noah wollte mir nur helfen"

Mein Dad schnaubte. „Es gibt andere Wege, sowas zu lösen statt durch Schläge. Er liegt im Koma!"

„Es ist nur ein künstliches und auch nur für zwei Tage", wiegelte ich ab.

Ich wollte ja nicht sagen, er hatte es verdient, doch genau das hatte er.

Ich hatte mir so lange eingeredet, in seinem Inneren sei Matt ein guter Mensch, egal, was er mir über die Monate unserer Beziehung angetan hatte, doch er war einfach nur böse.

„Das ändert nichts, Cameron. Noah hat ihm den Schädel eingeschlagen. Wo kam denn all diese Wut her?"

Fragte er das jetzt ernsthaft? Es war doch offensichtlich, dass in Noah noch so viel mehr Gefühle steckten, die freigelassen werden wollten, doch er hatte Angst davor und wenn er sie dann nicht mehr kontrollieren konnte, passierte sowas.

Man sollte ihm dafür keine Vorwürfe machen, sondern es endlich mal als das sehen, was es war. Ein Hilfeschrei.

„Noah, ich rede mir dir!" Dad schrie ihn an.

„Schatz, lass das. Der Arme ist doch schon fertig genug" Endlich griff meine Mum ein und redete auf meinen Dad ein, damit er uns endlich in Ruhe ließ.

Er beruhigte sich endlich und wendete sich dann an uns. „Ihr entschuldigt euch bei ihm, damit das klar ist. Und jetzt geht auf eure Zimmer, ich will euch für heute nicht mehr sehen"

Ich stand auf und wollte gehen, doch merkte, dass Noah mir nicht folgte.

Er saß stocksteif auf dem Sofa.

Ich seufzte, setzte mich wieder neben ihn und legte meine Hand auf sein Knie, während ich die Hand die seinen Kopf stütze, sachte wegschob. „Hei. Es ist alles gut, Noah. Ich bin da, okay?"

Seine verkrampfe Hand entspannte sich und legte sich auf meine. Er atmete tief durch, ehe er zu mir sah.

Er musterte mich, schien mich gedanklich etwas zu fragen. Ich wusste nicht, was es war, doch ich versuchte ihm einfach nur Sicherheit, Dankbarkeit zu vermitteln.

Er nickte, obwohl ich nichts gesagt hatte, stand dann auf und ging wortlos hoch.

Dad sah ihm wortlos hinterher.

„Der Einfluss, den du auf ihn hast, gefällt mir nicht, Cameron. Früher hat er sich nie geprügelt, kein einziges Mal"

Ich seufzte. „Ist dir eigentlich etwas aufgefallen, Dad?" Ich ließ eine kleine Pause, ließ ihn nachdenken aber natürlich kam er nicht darauf. „Du hast mich nicht mal gefragt, was Matt getan hat, um das alles zu verdienen. Und glaub mir, er hat es verdient. Es tut mir kein Stück leid, dass er im Krankenhaus liegt. Das einzige, das mir leid tut, ist, dass nicht ich es war, der ihn reinbefördert hat."

Mein Dad verstand das alles nicht, aber er steckte auch nicht in meiner Haut.

Er blicke mich entsetzt an und wollte ansetzen etwas zu sagen, aber ich sprach weiter. „Ich hab mich diesem Jungen anvertraut. Ich hab ihm alles gegeben und das einzige, was er getan hat, war mir das Gefühl zu geben, das ich ihn bräuchte, um überhaupt etwas wert zu sein. Und du hast all das noch bestärkt, indem du dich so benommen hat, wie du es bis heute tust. Du willst so unbedingt beweisen, dass du kein Problem mit meiner Neigung hast, dass du meinen ersten festen Freund verehrst, aber er ist nicht der gute Mensch, für den wir alle ihn gehalten haben. Eigentlich ist es eine Schande, dass du nie bemerkt hast, was er aus mir gemacht hat. Aber das ist okay, weißt du? Jeder macht mal Fehler." Damit zitierte ich ihn, als er Matt in Schutz genommen hatte, doch ich war noch nicht fertig. „Aber glaub mir, wenn du gehört hättest, was er heute über mich gesagt hat, dann wärst du genauso auf ihn losgegangen. Du kannst Noah nicht ernsthaft dafür bestrafen wollen, dass er mich beschützt hat. Du solltest dich lieber entschuldigen, dafür, dass du ihm nie zuhörst"

„Aber er redet doch nie", wandte mein Vater ein. Er hatte Recht, doch das meinte ich nicht.

„Er spricht schon. Nur eben nicht mit Worten."

Ich sah meinen Vater noch einen Moment eindringlich an, ehe ich Noah nach oben folgte.

Statt in mein Zimmer zu gehen, ging ich in seines. Er saß auf dem Fensterbrett, hatte die Beine an den Körper heran gezogen und sie mit den Armen umklammert, während er den Kopf an der Scheibe gelehnt hatte und traurig nach draußen sah.

Seine Hand war mittlerweile versorgt worden.

Ich klopfte, obwohl ich schon im Zimmer stand.

Noah sah zu mir. „Komm rein"

Ich lächelte leicht, schloss die Tür hinter mir und ging zum Fensterbrett. Ich setzte mich vor seine Beine und legte einen Arm auf seinen Knien ab.

„Danke" Ich strich mit einer Hand über seinen Unterarm, merkte kaum, dass ich es überhaupt tat. Nur mein schneller Herzschlag wies mich darauf hin, dass ich ihn berührte.

Noah seufzte und lehnte den Kopf zurück ans Fenster.

Er sagte nichts, doch das musste er gar nicht. Ich sah ihm an, dass er sich schlecht fühlte.

Es hatte Max, Alec und mich gebraucht, um ihn von dem bewusstlosen Matt wegzuzerren, so in seiner Wut war er gefesselt gewesen.

Aber er bereute es, das sah man ihm an. Alles andere wäre auch irgendwie unmenschlich.

Doch ich wollte nicht, dass er sich deshalb fertig machte. Er sollte wissen, dass Matt es verdient hatte und deshalb nahm ich mir vor, zum ersten Mal die Wahrheit über meine Beziehung zu Matt auszupacken.


Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt