Kapitel 36

400 23 2
                                    

Als ich wieder aufwachte war ich allein und fühlte mich immer noch, als hätte mich gemand überfahren, nachgeschaut, ob ich noch lebte und nochmal überfahren. Stöhnend wischte ich mir mit der Hand über die Augen und versuchte, mich aufzurichten. Marcs Stimme kam mir wieder in denn Sinn. 'Wir haben uns verarschen lassen!' Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Wie konnte das sein? Wenn er Recht hatte, wie hatten wir uns so täuschen lassen können? Wie konnten die Anderen überhaupt die Guten sein, wenn sie meine Mutter getötet hatten? Konnte ich sie als die Guten sehen? Gab es so etwas wie Gut und Böse in meiner Welt überhaupt noch? So viele Fragen und ich wusste auf keine einzige eine Antwort. Wem konnte ich vertrauen? Vor wem musste ich mich fürchten? Was wurde Ben gesagt, dass er mich hier einsperrte? Leise fluchte ich. Dann richtete ich mich auf. Schon ging es mir etwas besser. Im Sitzen fühlte ich mich nicht ganz so hilflos. Doch ich hatte immer noch keine Antworten. frustriert schlug ich mit meiner Hand auf die Matratze. Das tat viel zu wenig weh, um meinen Frust abzulassen. Ich hob sie etwas höher und donnerte sie gegen die Wand. Wo zur Hölle war Jason, wenn man ihn brauchte? Wo war Simon? Waren sie überhaupt noch auf meiner Seite? Das musste ich einfach glauben! Wenn ich den Glauben an meinen Bruder und den besten Freund meines Partners verlieren würde, hätte ich nichts mehr. Dann könnte ich mich genausogut hinlegen und aufhören zu atmen. Halt! Marc sollte nicht umsonst angerufen haben! Er lebte noch und ich würde ihn finden. Selbst wenn ich das allein hinkriegen sollen müsste. Ich hob wieder meine Hand und schlug sie gegen die Wand. Der Schmerz half mir in meiner Verzweifelung. Er zeigte mir, dass ich noch lebte und wenn ich schon niemand anderem wehtun konnte, dann immerhin mir. Macht das Sinn? Wahrscheinlich nicht. Ich war zu der Zeit in einem Stadium, in dem man sich nicht mehr fragt, ob das alles noch einen Sinn hat. Man macht einfach weiter und wartet, das irgendetwas passiert. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich meine blutüberströmte Hand sinken ließ. Fasziniert schaute ich sie an. Rotes blutiges Fleisch, ab und zu ein paar Fetzen Haut dazwischen. Dort wo sonst meine Knöchel waren, meinte ich, etwas Knochen durchschimmern zu sehen, doch vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Seuftzend hob ich meine andere Hand und schlug sie gegen den harten Beton, wieder und wieder. Es versetzte mich in eine Art Trance und irgendwann ... fühlte ich nichts mehr.

Eine Ewigkeit musste vergangen sein, als die Tür aufging. Ich machte mir nicht die Mühe, hochzusehen und festzustellen, wer mich diesmal verraten hatte. Irgendwelche Hände lösten die Ketten von meinen blutüberströmten Handgelenken. Hände zogen mich auf die Beine. Hände schleiften mich mit. Hände setzten mich in einem anderen Raum auf einen Stuhl. Hände fesselten meine Hände hinter meinem Rücken. Mal wieder! Wer auch immer mich mitgenommen hatte, verlies die Raum wieder. Doch ich musste nicht lange warten. Kurze Zeit später ging die Tür wieder auf und Ryan kam mit Ben im Schlepptau rein. Müde hob ich den Kopf. "Was wollt ihr?", fragte ich. Ryan baute sich vor mir auf und verschränkte die Arme, Ben an seiner Seite. "Was hast du zu verbergen?" Ich blickte ihn verständnislos an. "Was zur Hölle meinst du?" Blitzschnell schlug Ben mir ins Gesicht, so heftig, dass mein Kopf zu Seite flog. "Rede schon, du kleines Stück Scheiße!", schrie er mich an. Ryan legte seine Hand auf Bens Arm und meinte beruhigend und gleichzeitig mahnend: "Ben". Sofort trat Ben zurück und verzog den Mund. Ich seufzte resigniert. "Wisst ihr, diese Szene erinnert mich irgendwie an vor ein paar Wochen, als die Anderen mich gefangen hatten und meine Mutter umbrachten. Auch damals saß ich gefesselt auf einem Stuhl, auch damals standen Männer vor mir, die mich schlugen, weil sie etwas von mir wollten. Doch ich habe jetzt wesentlich weniger zu verlieren. Und ich habe echt keinen bock mehr auf diese Scheiße! Erschießt mich doch, wenn ihr wollt. Macht mich fertig, foltert mich, tut mir so lange weh, bis mein Körper nicht mehr mitmacht. Ich bin es so leid. Ich werde ab jetzt meinen Mund halten, bis ich aus diesem beschissenen Gebäude raus bin und von diesem beschissenen Gelände runter bin und mein Leben leben kann, ohne die ganze Zeit um mein Leben fürchten zu müssen! Wenn das nicht geht, ist mein Leben meiner Ansicht nach nicht mehr lebenswert!" Und mit diesen Worten schloss ich meinen Mund so heftig, dass den beiden Idioten vor mir hoffentlich klar war, das dort nichts mehr rauskommen würde. Ich wusste, dass ich hoch pokerte. Andererseits: was hatte ich schon zu verlieren? Jetzt gerade hatte ich nur mein ätzendes Leben. Ich starrte die beiden Männer vor mir herausfordernd an und schon bekam ich die Quittung. Ben schlug mir mehrmals heftig ins Gesicht, dann in den Bauch, dann wieder ins Gesicht. Und diesmal hielt Ryan ihn nicht auf. Irgendwann schlug er mich so heftig in den Bauch, dass ich mich vorbeugte und Blut auf seine schönen Schuhe kotzte. Er fluchte. Ryan seufzte und packte ihn am Arm. "Komm mit, wir finden schon einen effektiveren Weg, sie zum Reden zu bringen!" Und wieder mal war ich alleine. Doch diesmal hatte ich nicht vor, brav auf meine Folter zu warten. Jackson hatte mich in so vielseitigen Dingen gelehrt und während ich auf Bens Schuhe gekotzt hatte, hatte ich mit meinen Mund ein kleines Skalpell von seinem Gürtel gezogen. Fragt mich nicht, warum er ein Skalpell am Gürtel trug. Es war nicht mal ein richtiges Skalpell, sondern mehr eine Rasierklinge. Vorsichtig öffnete ich meinen Mund, um mir nicht noch mehr wehzutun und ließ das kleine scharfe Stück Metall auf meine Oberschenkel fallen. Dann stand ich auf, wobei es auf den Boden fiel. Dummköpfe, dass sie mich nicht am Stuhl festgebunden hatten. Wussten sie nicht was Jackson mir alles beigebracht hatte? Ich hockte mich auf den Boden und meine Hände fischten nach der Rasierklinge. Kaum hatte ich sie in der Hand, schnitt ich mich auch schon, doch das machte jetzt auch nichts mehr. Vorsichtig fummelte ich mir der Rasierklinge gefährlich scharf an meiner Schlagader vorbei, doch dann traf ich endlich das Seil und schnitt es durch. Erleichtert richtete ich mich auf und rieb meine Handgelenke. Dabei fiel mir auf, wie zerschunden meine Hände aussahen. Bei der nächsten Gelegenheit musste ich mir unbedingt Handschuhe kaufen! Ich hob die Rasierklinge auf und steckte sie vorsichtig zu der Büroklammer, die ich noch in meiner Tasche hatte. Dann nahm ich die Tür ins Visier. Ich wusste zwar noch nicht wie, aber ich würde hier herauskommen. Und wenn es mich mein Leben kosten würde. Jetzt war Schluss!

Danger (wird überarbeitet)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang