Kapitel 16 ~ überarbeitet

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Ich wachte davon auf, dass Marc mir sanft eine Strähne aus dem Gesicht strich.

„Alles in Ordnung?", fragte er besorgt. Ich dachte daran, wie Ben mir das Handtuch runtergerissen hatte, wie die anderen Jungen gelacht hatten, wie gedemütigt ich mich gefühlt hatte. Trotzdem nickte ich. Ich wollte ihn nicht mit meinen Sorgen belasten. Er lächelte und küsste mich sanft. Wir wurden jedoch schnell von meinem Magenknurren unterbrochen. Marc lachte leise.

„Wir haben zwar das Abendessen verpasst, aber ich bin mir sicher, wir kriegen in der Küche noch etwas." Mit diesen Worten stand er auf und zog mich von meinem Bett runter. Herumalbernd liefen wir die Treppen runter in die Küche. Dort bekamen wir wirklich noch ein bisschen Brot und etwas Obst. Während wir im Stehen aßen, plauderten wir noch ein bisschen mit dem Küchenmann, der Dennis hieß, aber von allen nur Mister D genannt wurde. Als wir wieder hochliefen, blieb Marc plötzlich stehen. Fragend sah ich ihn an.

„Ich muss nach Hause", meinte er betreten, „meine Eltern machen sich sonst Sorgen..." Ich nickte nur.

„Holst du mich morgen an der Schranke ab?" Er lächelte.

„Natürlich, ich würde dich vom Ende der Welt abholen kommen", murmelte er in meine Haare, als er mich umarmte. Dann gab er mir noch einen letzten Abschiedskuss und verschwand nach draußen. Ich blieb noch kurz im Türrahmen stehen und sah ihm lächelnd hinterher. Als es mir zu kalt wurde, schloss ich die Tür und machte mich auf die Suche nach meinem Zimmer.

Als ich die Treppe heraufsteig, überkam mich ein leichtes Gefühl der Beklemmung, wie ein Hauch, gerademal die Ahnung von Gefahr. Unsicher schlich ich den Gang entlang. Bevor ich in den Gang von meinem Zimmer einbog, schaute ich vorsichtig um die Ecke und zuckte erschrocken zurück. Vor meinem Zimmer standen einige Personen. Ich sah in dem Dämmerlicht des Flurs nur ihre Silhouetten, doch ich meinte, den Umriss von Ben zu erkennen. Ängstlich versuchte ich, möglichst flach zu atmen. Was sollte ich nur tun? Ich konnte nicht die ganze Nacht auf dem Flur bleiben. Sie redeten leise miteinander, doch ich konnte nichts verstehen. Plötzlich hörte ich Schritte auf der Treppe. Hilflos drückte ich mich gegen die Wand, doch ich wusste, dass wer auch immer da gerade die Treppe heraufkam, mich sehen musste, wenn er hoch genug war. Wie gelähmt vor Angst stand ich da und konnte mich nicht bewegen. Es war kein Marc mehr da, der mir helfen konnte, ich musste mir selbst helfen.

Ich merkte, wie ich am Arm gepackt wurde und ein leises Wimmern entfuhr mir. Ich blickte auf und sah in ein unbekanntes Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, ob er zu Ben gehörte oder nicht. Aber es schien so, denn er zog mich von der Wand weg und in den Gang, wo die anderen standen.

„Ihr solltet vorsichtiger sein. Ich hab die kleine Schlampe um die Ecke erwischt. Sie muss euch bemerkt haben", meinte er spöttisch, als er mich auf die anderen zu zerrte. Ich versuchte mich zu wehren und verfluchte mal wieder, dass ich so schwach war. Inzwischen erkannte ich auch Ben und seine Freunde wieder. Links von Ben stand ein Typ, der im ganzen Gesicht Pickel hatte, Pickelgesicht, rechts von ihm stand ein Junge mit dunkler Haut und kurz geschorenen Haaren, er sah aus wie eine junge Version von Will Smith. Die anderen Jungen, die weiter hinter Ben standen, konnte ich nicht genau genug sehen in dem schummrigen Licht, das hier herrschte, um ihnen Spitznamen zu verpassen.

Der junge Will Smith trat grinsend auf mich zu und nahm mein Kinn in seine Hand. Er drehte mein Gesicht hin und her und betrachtete es, wie man Vieh betrachten würde. Die anderen Jungen rückten immer näher und schlossen mich ein. Will Smith ließ, immer noch grinsend, mein Kinn los, riss mich dem anderen Typ aus der Hand und schubste mich auf den Boden. Schnell versuchte ich, mich wieder aufzurichten, am Boden war ich wehrlos. Doch bevor ich überhaupt ins Sitzen kam, bekam ich einen Stiefel ins Gesicht, der mich wieder auf den Boden krachen ließ. Benommen schüttelte ich ihn einmal. Meine Nase tat furchtbar weh und ich spürte, wie das Blut heraus schoss. Hoffentlich war sie nicht gebrochen.

Während ich dort auf dem Boden lag und versuchte meinen Kopf mit meinen Händen zu schützen, überkam mich plötzlich riesige Wut. Ich hatte es mir nicht ausgesucht hier zu sein. Ich wäre jetzt auch lieber bei meiner Mutter. Ich wollte in meinem Zimmer schlafen, mit den Wänden voller Poster von Bands, die ich mit 13 mal gut gefunden hatte, und nicht in diesem deprimierenden Zimmer. Ich wollte ein normales Leben führen, ich wollte nicht trainiert werden.

Aber diese Jungen benahmen sich so, als wäre das hier ihr Reich und ich wäre selbstständig und mutwillig hier eingedrungen, um sie zu stören. Ich hatte einfach genug. Meine ganze Angst wandelte sich in Wut um. Adrenalin schoss durch meinen Körper. Ich spürte keine Schmerzen mehr, ich war stark. Stark und wütend! In einer einzigen, fließenden Bewegung kam ich auf die Beine. Raserei überkam mich. Fast blind vor Wut verteilte ich Schläge und Tritte in alle Richtungen, bis fast alle am Boden lagen.

Ben lehnte noch halb stehend an der Wand und hielt sich den Bauch, wo er mein Knie hineinbekommen hatte. Will Smith hielt sich gerade so noch auf den Beinen und wollte mich angreifen. Ich wirbelte ein letztes Mal herum und verpasste ihm einen Handkantenschlag, der sich sehen lassen konnte. Lautlos brach er zusammen. Mit neuem Selbstbewusstsein ging ich auf Ben zu. Ich zog ihn an seinem T-Shirt zu mir heran.

„Wenn du mir nochmal auflauerst oder mich bloßstellen willst, komme ich nachts in den Zimmer und schneide dir deine verfluchten Eier ab, hast du mich verstanden?", zischte ich in sein Ohr. Er brachte gerade Mal ein schwaches Nicken zustande. Achtlos lies ich ihn fallen und ging in mein Zimmer. Schnell schloss ich ab und ließ mich dann an der Tür heruntergleiten. Mein ganzes Adrenalin war aufgebraucht. Ich hätte wieder Schmerzen, mein ganzer Körper tat weh. Erschöpft richtete ich mich wieder auf und wankte zu meinem Bett. Ich war so fertig, dass ich mich einfach so drauffallen ließ, ohne mich umzuziehen. Mein Kopf hatte kaum das Kissen erreicht, da schlief ich schon.

Danger (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now