Kapitel 50

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Wir machten einen Plan, der diesen Namen nicht verdiente. Wir hatten viel zu wenig Informationen über Steffans Lager, um einen guten oder auch nur sinnvollen Plan machen zu können. Unser sogenannte Plan wies lauter Lücken auf, an den Stellen an denen wir nicht mal wussten, wie viele Variabilitäten mit reinspielten. Stöhnend ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken. "Scheiße, das ist doch kein Plan!" Jason verzog unwillig seinen Mund. "Etwas besseres haben wir nicht. Treten unerwartete Eventualitäten auf, müssen wir uns halt einfach freestyle durchschlagen." Ich sah ihn zweifeld an, woraufhin er seinen Arm auf meinen Rücken legte und anfing, mich zu streicheln. "Es wird schon alles gut gehen, du wirst schon sehen." Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir noch genau 24 Stunden in dieser Wohnung bleiben würden. Wir konnten den Verlockungen eines Bades, frisch bezogenen Betten und einem gefüllten Kühlschrank einfach nicht wiederstehen. Morgen zwischen sieben und acht Uhr würden wir dann die Wohnung verlassen. Alles weitere konnten wir nicht fest einplanen. Wir hatten vor, ein Auto kurz zu schließen und mit diesem das Gelände zu verlassen, das Steffan gehörte. Dann würden wir das Auto von Simons Großvater suchen und mit ihm erstmal in eine andere Stadt verschwinden. Soweit so gut, was dann passieren sollte, war uns auch noch nicht so ganz klar. Äußerst unzufrieden mit diesem 'Plan' stand ich auf und verabschiedete mich ins Bad. Marc wollte solange etwas zu Essen machen und Jason und Simon wollten sich gegenseitig verarzten.

Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf. Obwohl es Jason nicht gefallen hatte, waren Marc und ich in das Zimmer mit dem Doppelbett gegangen. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so sicher gefühlt, wie den letzten Abend als ich an Marc gekuschelt eingeschlafen war. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich diesem Gefühl der Sicherheit trauen durfte. Energisch verwarf ich diese Gedanken. Wenn ich das nächste Mal aufwachen würde, müsste ich mir hoffentlich nicht mehr solche Gedanken machen. Gemütlich streckte ich mich einmal und sah dann auf den Funkwecker, der auf dem Nachttisch neben dem Bett stand. Erschrocken fuhr ich hoch. Wir hatten noch knapp eine Stunde Zeit, bis wir loswollten! Schnell weckte ich Marc und lief dann aus dem Zimmer, um Jason und Simon zu wecken. Als ich ins Zimmer zurück kam, saß Marc noch total verschlafen auf dem Bett. Ich riss die Schranktüren auf und entdeckte angenehm überrascht, dass sich sowohl Männer- als auch Frauenkleidung drin befand. Ich warf Marc eine Hose und ein T-Shirt zu und zog mich dann selbst an. Die Kleider waren zwar etwas zu groß aber immer noch besser, als in Männerklamotten herumzulaufen. Ich zog eine bequeme schwarze Jeans an und die Springerstiefel von gestern, die mir aus irgendeinem Grund ganz gut passten und für unsere Flucht nur praktisch sein konnten, auf jedenfall praktischer als die Ballerinas, die ich im Schrank gefunden hatte. Dann ließ ich mir von Marc erneut den Oberkörper verbinden und zog ein weiches Flanellhemd drüber, sowie einen grauen Poncho, den ich in den Tiefen des Schrankes entdeckt hatte. Jason hatte sich schon angezogen und bereitete uns in der Küche ein schnelles 'Frühstück' vor. Ich stellte mich neben ihn und machte uns Fresspakete für die Flucht. Jedes enthielt einen Apfel und eine Banane, zwei Brötchen mit Schinken und Käse (außer Simon, der keine Milch vertrug, der bekam zwei Schinkenbrote). Dann legte ich noch für jeden zwei Knackwürste dazu und um das ganze abzurunden vier Müsliriegel für jeden, wenn es schnell gehen musste. Das alles umwickelte ich mit Alufolie und packte es in die vier Rucksäcke, die wir gefunden hatten und die schon auf der Eckbank des Küchentisches standen. Simon hatte schon in jeden Rucksack eine Flasche mit 1,5 Litern Wasser gesteckt. Die Brote, die Jason gemacht hatte, schlangen wir aufgeregt herunte. Keine hatte gerade die Nerven, das Essen zu genießen. Gestärkt waren wir schließlich um 19:30 fertig zum Aufbruch. Ich verschwand noch einmal kurz auf das Klo und schrak zurück, als ich mein Spiegelbild sah. Ich hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Mädchen, das ich noch vor wenigen Wochen gewesen war. Meine Haut war bleich und ich hatte tiefe Augenringe. Von der Peitsche mit der Steffan mich gefoltert hatte, hatte ich einen tiefen Striemen auf meinem Wangenknochen erhalten. Mein Haar war stumpf, obwohl ich es gestern gewaschen hatte. Ich sah krank und erschöpft aus. Ein weiters Mal stieg in mir die Hoffnung auf, dass nun alles besser werden würde. So wollte und so konnte ich einfach nicht weiterleben. Ich verließ das Bad und gemeinsam öffneten wie die Tür, liefen das Treppenhaus herunter und standen schließlich auf dem Bürgersteig. Es dämmerte und der Himmel hatte schon ein kräftiges Dunkelblau angenommen. Ich rückte meinen Rucksack zurecht und schaute mich um. Einige Männer waren zwar auf der Straße, doch es waren nicht übermäßig viel und sie beachteten uns kaum. Vorsichtig gingen wir den Bürgersteig entlang, bis wir ein Auto fanden, das Jason zusprach. Es war ein einfacher grauer Golf, unauffälliger ging es fast nicht. Marc, Simon und ich hielten nach verdächtigen Aktivitäten Ausschau, während Jason das Auto kurzschloss. Ich konnte nicht genau sehen, was er tat, doch plötzlich gab es einen kurzen Schlag und Jason rief uns ins Auto. Simon setzte sich auf den Beifahrersitz, während Marc und ich uns auf die Rückbank positionierten. Jason startete das Auto und ich warf noch einen letzten angstvollen Blick durch die Rückscheibe. In diesem Moment sah ich meinen Vater aus einem Haus kommen. Ich weiß nicht, warum, aber als hätte er gespürt, dass ich ihn gesehen hatte, fiel sein Blick genau durch die Heckscheibe auf mich. Ich fluchte, dann rief ich Jason zu, er solle um Himmels willen losfahren. Jason parkte ohne Rücksicht aus und schrammte dabei an dem Audi vor entlang. Im selben Moment lief mein Vater los und rief den Männern etwas zu. Doch ich sah schon, dass sie zu langsam waren. Als jedoch einer der Männer, die Tür eines Autos öffnete, bekam ich wieder Angst. Ich wusste nicht, ob wir mit unserem Golf schnell genug wären, um Steffans Männern zu entkommen. Als der Mann jedoch einsteigen wollte, stolperte mein Vater und fiel auf den Asphalt. Sofort stürmten die Männer zu ihm und halfen im auf. Das letzte was ich sehen konnte, bevor Jason um die Ecke bog, war das erleichterte Lächeln im Gesicht meines Vaters.

Hey, vielleicht habt ihr ja schon gemerkt, dass es langsam auf das Ende zugeht. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch mal Gedanken machen, wohin es jetzt geht, und kommentieren ;)


Danger (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now