Kapitel 12 ~ überarbeitet

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Flashback (vor fast einem Jahr)       

"Mum? Mum, wo bist du?", rief ich durchs Haus. Normalerweise stand meine Mutter immer im Flur, wenn ich von der Schule nach Hause kam und begrüßte mich. "Ich bin in der Küche", kam die zaghafte Anwort. Beunruhigt lief ich in die Küche. Mitten im Türrahmen erstarrte ich. Meine Mutter stand an der Anrichte und weinte. In der Hand hielt sie ein Blatt Papier. Ich riss es ihr aus der Hand. "Hey, tut mir leid, dass ich euch das sagen muss, aber ich halte es bei euch nicht mehr aus. Bitte sucht mich nicht. Ich bin 18, ich kann machen, was ich will!", stand drauf, mit der Handschrift meines großen Bruder. "Er hat uns verlassen", schluchzte meine Mutter.

Flashback Ende

Ich blickte direkt in die sturmgrauen Augen meines Bruders. Langsam musterte ich ihn von oben bis unten. Er sah gut aus, seine schwarzen Haare lockten sich und er sah sogar noch muskulöser aus, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Er trug eine schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt.

"Mila", keuchte er. Mein Blick kehrte zurück zu seinen Augen. Sie blickten mich verzweifelt und voller Reue an.

"Jason", gab ich kalt zurück. Kalte Wut erfüllte mich und ließ meinen Verstand aussetzen.

"Wie konntest du nur?", brüllte ich ihn plötzlich an. "Wie konntest du nur Mum verlassen? Wie konntest du mich verlassen? Hast du nicht einmal daran gedacht, wie es ihr gehen würde? Wie wir uns fühlen würden? Nein, hast du nicht, du verdammtes Arschloch!" Ich wollte ihn schlagen, ich wollte ihm wehtun, für all das, was er Mum und mir angetan hatte. Ich wollte Rache dafür, dass er uns allein gelassen hatte. Doch grade als ich mich auf ihn stürzen wollte, wurde ich von irgendwelchen Händen an den Armen gepackt und zurück gehalten. Ich schaute zur Seite und sah, dass Simon und Marc mich festhielten.

"Lasst mich los", zischte ich sie voller Wut an, doch sie schüttelten nur den Kopf. Jason war inzwischen auf mich zugetreten. Wütend sah ich ihn an.

"Bitte Mila, lass es mich dir erklären" Ich nickte auffordernd mit dem Kopf. Er blickte sich kurz um.

"Nicht hier", murmelte er. Er schaute kurz Ryan an, der mit verschränkten Armen schräg hinter ihm stand. Mit grimmiger Miene nickte er. Kurzerhand packte Jason mich an den Armen, entriss mich Simons und Marcs Griff und zerrte mich hinter sich her. Ich schaute zurück und sah, dass Marc, Simon und Liam mir folgen wollten, jedoch von Ryan zurückgehalten wurden. Sobald wir in einem Gebäude waren, trat ich Jason in die Kniekehle.

"Lass mich los, du Penner", zischte ich. Er knickte kurz ein, hielt mich aber weiterhin fest und zog mich weiter. Schließlich kamen wir in ein karg eingerichtetes Zimmer. Die Wände waren grau und es standen lediglich ein Bett, ein Schreibtisch und ein Schrank drin. Er drückte mich aufs Bett und setzte sich neben mich. Ich rückte ein Stück von ihm weg und sah ihn herausfordernd an. Er schien nach Worten zu suchen.

"Das ist nicht so leicht zu erklären..." Er seufzte.

"Versuch es!" Mein Stimme klang immer noch furchtbar kalt.

"Als ich vor einem Jahr eingetreten bin, meinten sie nach einer Weile, ich müsste alles zurücklassen, was ich gekannt hatte, um mich auf diese neue Welt mit neuen Regeln einzulassen..." Ich schnaubte ungläubig.

"Ich wollte nicht und sie folterten mich." Er zog sein T-Shirt aus und mir stockte der Atem. Sein Brustkorb, sein Bauch, sein Rücken, alles war übersäht mit Narben.

"Schließlich gab ich nach. Aber ich konnte nicht gehen, ohne euch einen Abschiedsbrief zu schreiben. Ich zog weg, ich war in Moskau, in Chicago, in Kiew, in Lissabon, in Barcelona, aber ich bin immer wieder zurückgekehrt. Ich konnte euch nicht verlassen, auch wenn ihr es nicht wusstet, war ich oft in eurer Nähe... Immer wieder schickten sie mich woanders hin. Vor zwei Wochen bin ich aus Venedig wiedergekommen. Es tut mir so unglaublich leid. Ich wollte euch nie verlassen..." Seine Stimme verebbte. Mit großen Augen sah ich ihn an.

"Aber Marc und Simon sind doch auch schon eingestiegen, und ich auch und sie verlangen das nicht von uns..." Er seufzte.

"Sie werden warten bis ihr 18 seid. Bis eure Eltern nicht mehr das Sorgerecht für euch haben." Ich schluckte. Simon würde in zwei Wochen 18 werden. Bei Marc und mir dauerte es zwar noch etwas länger, aber trotzdem würde es auch bei uns irgendwann so weit sein.

"Ich kann Mum doch nicht auch noch im Stich lassen. Das würde sie nicht aushalten. Als du verschwunden bist, hat sie sich nur wegen mir zusammen genommen. Sie ist daran zerbrochen. Wer weiß, was sie sich antut, wenn ich auch verschwinde..." In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Ryan trat ein.

"Wusste ich es doch, dass ihr hier seid." Jason runzelte die Stirn.

"Was ist los?", fragte er beunruhigt. Ryan wirkte verlegen. "Na ja, die Jungs wollen sie nicht nach Hause lassen. Sie meinen, sie wäre eine zu große Gefahr." Ich brauchte kurz, bis ich das realisiert hatte.

"Was?", schrie ich und sprang auf. "Du hast gesagt, sie warten bis ich 18 bin!", schrie ich Jason an. Wütend funkelte ich Ryan an und rannte aus dem Zimmer.

"Mila, warte", hörte ich sie noch rufen, aber ich rannte weiter. Ich bog immer wieder in irgendwelche Gänge ab, aber ich kannte mich zuwenig aus und verirrte mich immer weiter. Schließlich kam ich an eine Treppe. Ich rannte sie hoch und befürchtete schon, dass sie an einer verschlossenen Tür endete, doch dann kam ich an eine Klappe. Mit einigem Kraftaufwand schaffte ich es, sie zu öffnen. Vorsichtig streckte ich meinen Kopf heraus und spürte die Sonne auf meinem Gesicht. Erstaunt stellte ich fest, dass ich auf dem Dach war. Ich stieg ganz aus dem Loch und ging langsam zu Kante. Vorsichtig schaute ich runter. Es ging ziemlich weit runter und ich war froh, dass ich keine Höhenangst hatte.

Kurzerhand setzte ich mich an die Kante, ließ meine Beine baumeln und dachte nach. Ich konnte Mum auf keinen Fall alleine lassen, aber ich wusste nicht, wie ich es verhindern könnte. Ich wollte auch bei meinem Bruder bleiben, ich hatte ihn so vermisst. Verziehen hatte ich ihm schon lange. So wie sein Oberkörper aussah, gab es absolut keinen Grund, auf ihn wütend zu sein. Frustriert schaute ich runter. Dort unten herrschte ein reges Treiben. Nachdem ich es ein wenig beobachtet hatte, wurde mir klar, dass wohl grad ein Lastwagen angekommen war. Jedenfalls wurden viele Kisten in eine Lagerhalle getragen.

Plötzlich schienen die geordneten Bewegungen zu stocken. Ich schaute herum und sah schließlich das Problem. Einer der Jungen hatte eine Kiste fallen lassen und starrte zu mir hoch. Nach und nach sah ich immer mehr Gesichter, die sich mir zuwendeten.

"Mila, bleib wo du bist, wir kommen rauf zu dir!", hörte ich plötzlich Marc brüllen. Die zuvor erstarrten Jungen brachen nun in panische Hektik aus. Mehrere liefen auf das Gebäude zu, auf dessen Dach ich saß. Ich stöhnte genervt auf. Na super, mit meiner Ruhe wäre es jetzt wohl vorbei. Ich stand auf und wartete auf die Jungs...

Danger (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now