Kapitel 19 ~ überarbeitet

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"Mum!", keuchte ich entsetzt. Kyle schleifte sie regelrecht in den Raum. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihr Augen starrten stumpf vor sich hin. Ihre Haare waren unordentlich und fettig. Kyle schubste sie auf einen Stuhl und verhinderte gerade so noch, dass sie nicht wieder herunter kippte.

"Was habt ihr mit ihr gemacht?", schrie ich Kyle an, während mir Tränen übers Gesicht liefen - schon wieder. Meine Stimme war schrill und verriet, wie groß meine Panik war. Er blickte mich zornig an.

"Sie hat es nicht anders verdient!" Mit diesen Worten ging er aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich ab. Sobald er draußen war, sprang ich auf und lief zu meiner Mutter, die teilnahmslos vor sich hin starrte.

"Mum, Mum, was ist los? Was haben sie dir angetan? Verdammt, sag doch was!" Am liebsten hätte ich sie in meine Arme genommen oder ihr wenigsten die Haare aus dem Gesicht gestrichen, doch die Fesseln verhinderten das. So redete ich auf sie ein und versuchte, irgendeine Reaktion zu bekommen, doch vergeblich. Einen Moment bekam ich Angst, sie könnte nicht mehr am Leben sein, doch sie atmete noch.

Irgendwann, ich hatte längst das Gefühl für die Zeit verloren, ging die Tür auf und mehrere Männer kamen herein. Der erste schien der Anführer zu sein. Er hatte einen Skinhead und trug Springersiefel und schwarze Klamotten. Die Anderen sahen so ähnlich aus. Kyle kam hinter ihnen herein und zerrte mich unsanft von meiner Mutter weg und setzte mich wieder auf den Stuhl. Die Männer stellten sich nun zwischen meine Mutter und mich, mir zugewand. Der Anführer musterte mich grimmig. Ich versuchte, stark zu sein und ihm trotzig entgegen zusehen, doch ihm konnte unmöglich entgehen, dass ich furchtbare Angst hatte.

"Milana Dare", sagte er und spuckte meinen Namen aus, als wäre es ein Schimpfwort. Ich blickte ihn nur erschöpft an. Ich hatte keine Kraft mehr, mich zu wiedersetzten. Er nickte, holte ein Handy aus seiner Tasche und tippe irgendetwas darauf. Anscheinend rief er irgendjemand an, denn kurz darauf hörte man, wie jemand abnahm und sich meldete. Er musste auf Lautsprecher geschaltet haben, denn ich konnte die Stimme laut und deutlich hören. Sie klang etwas verzerrt durch den Lautsprecher, doch sie kam mir bekannt vor.

"Hallo, Hosenscheißer", sagte der Anführer. "Du hast etwas, das uns gehört. Allerdings haben auch wir etwas, was dir sehr wichtig ist, etwas, dass du unbedingt wiederhaben willst..." Kurz war es still am anderen Ende, dann hörte ich die Stimme etwas lauter, als würde das Mikrofon direkt an den Mund gepresst.

"Wer bist du? Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst?"

"Du wirst früh genug wissen, wer ich bin. Und mein Beweis sitzt genau neben mit. Ich glaube, sie möchte dir gerne selbst etwas sagen." Mit diesen Worten hielt mir der Anführer das Handy hin.

"Hallo? Hallo, ist da noch jemand?", hörte ich aus den Lautsprechern und plötzlich erkannte ich die Stimme. Mir wurde schlecht.

"Jason!", flüsterte ich, vor Schrecken erstarrt. Mein Gehirn fühlte sich an wie eingefroren. Was zur Hölle wollten die von Jason?

"Lauter, so hört er dich doch gar nicht", spottete der Anführer. Am anderen Ende war es ganz still. Ich glaube, Jason hielt den Atem an.

"Jason!", schluchzte ich jetzt in das Mikrofon. Ich wollte nicht schluchzen, doch mein Körper gehorchte mir nicht mehr.

"Mila!", flüsterte er. "Mila, was haben sie gemacht? Wo bist du?" In meiner Kehle war ein riesiger Kloß, ich konnte kaum die Worte herausbringen.

"Mir geht es gut, aber die haben Mum irgendwelche Drogen gegeben, sie ist ganz teilnahmslos, ich weiß nicht, wo wir sind. Bitte hilf uns, Jason, bitte!" Ich wollte aufhören, zu heulen, doch die Tränen wollten nicht aufhören, über meine Wangen zu rollen. Der Anführer nahm mir das Handy wieder weg und stellte auf leise. Ich senkte meinen Kopf und weinte leise weiter vor mich hin.

"Jetzt, wo du mir glaubst, können wir etwas ins Detail gehen. Was ich will ist simpel. Euer Vater hat uns etwas geschuldet. Zum einen Geld, zum anderen Dokumente, die für uns von äußerster Wichtigkeit sind. Ich will beides. Die Summe der Schulden beträgt auf den Cent genau 21 438 Euro. Die besorgst du und packst sie in durchnummerierten Scheinen in eine Sporttasche. Die Dokumente liegen in seinem Postfach. Du holst sie und packst sie in eine zweite Sporttasche. Die beiden Sporttaschen stellst du morgen um genau 16 Uhr in das Bahnhofschließfach mit der Nummer 87. Den Schlüssel lässt du unauffällig in den linken Blumentopf vor dem Eingang fallen. Wenn wir nicht rechtzeitig um 16.05 Uhr Bescheid kriegen, dass wir das Geld und die Dokumente haben, ist deine Mutter tot. Und ich würde dir raten, dich zu beeilen. Ich werde leicht ungeduldig und dann kann ich für die Gesundheit deiner Mutter und deiner Schwester nicht garantieren..." Mit dieser letzten Drohung legte der Anführer ohne noch auf eine Erwiederung abzuwarten auf und die Typen marschierten wieder aus dem Raum. Nur Kyle blieb zurück. Er trat erst zu mir und dann zu meiner Mutter und löste unsere Fesseln. Meine Mutter kippte schon wieder fast vom Stuhl. Mit einem Satz war ich bei ihr und schloss sie in die Arme. Sie war zu schwer für mich und so ließ ich sie langsam vom Stuhl auf den harten Boden gleiten. Sie hatte die Augen geschlossen und atmete flach. Kyle ging aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Davon schreckte meine Mutter kurz hoch und ließ sich dann wieder in meine Arme sinken.

"Schlaf gut, Mum", flüsterte ich mit belegter Stimme. Ich legte ihren Kopf an meine Schulter, schlang meine Arme um sie und rutschte in eine einigermaßen bequeme Position. Dann lehnte ich mich mit dem Rücken an die kalte Wand, sah meinen Tränen zu, wie sie auf das Gesicht meiner Mutter tropften und wartete auf den Schlaf.

Danger (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now