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Amara

"Wo ist die Toilette?", frage ich ihn, als ich mich wieder gesammelt habe. 

"Musst du wieder brechen? Du siehst so blass aus."
Miguel runzelt die Stirn und gibt mir zum ersten Mal das Gefühl, als würde er sich wirklich um mich sorgen.

Als ich nicht antworte, fasst er mir unter die Arme und schiebt mich auf die Terrasse, die hinter der großen Fensterschreibe liegt.

"Warte hier.", lässt er mich draußen stehen.
Während er wieder in sein Büro geht, bleibe ich draußen stehen und atme die warme aber klare Luft ein. Auch wenn sie warm ist, kühlt sie meinen Lungenflügel, sodass das Brennen in meinem Hals und in meinem Brustkorb langsam nachlässt.

"Hier."
Miguel hält mir ein Glas mit honigfarbener Flüssigkeit hin.

Zuerst duftet es tatsächlich nach Honig, doch dann spüre ich den beißenden Geruch von Alkohol in meiner Nase und verziehe das Gesicht. 

Abwartend und irgendwie drängend schaut er mich an, sodass ich ihm letztendlich doch das Glas aus der Hand nehmen will. 
Doch anstatt das seine Finger das Glas loslassen, umschließen sie es nur noch fester und länger, sodass sich unsere Finger berühren. 

Es dauert einen Augenblick, bis er das Glas vollständig losgelassen hat. 

Während ich versuche die Situation zu ignorieren, schmunzelt Miguel fast unauffällig und scheint sich regelrecht über meine Nervosität gegenüber ihm zu amüsieren.

"Ist Whiskey.", beendet er schließlich die peinliche Stille zwischen uns.

"Ich trinke keinen Alkohol.", will ich ihm das Glas zurück geben, doch er nimmt es nicht an.

"Trink das aus, das tut deinem verklemmten Charakter vielleicht mal ganz gut.", spottet er nüchtern und schiebt seine Hände demonstrativ in die Hosentaschen. 

Er findet mich verklemmt?

"Und beeil dich ein bisschen. Wir müssen gleich zurück nach Los Angeles.", fügt er hinzu und verlässt die kleine Terrasse.
Seine Worte wecken Hoffnung in mir. 

Hoffnungen, dass er mich tatsächlich wieder zurück bringt und mir wirklich nur zu einem Arzt gebracht hat.

"Danke.", rufe ich ihm zu.

Stirnrunzeln und mit zuckenden Mundwinkeln dreht er sich langsam zu mir um.
"Danke? Wofür?"

"Dafür, dass du mich wieder zurück bringst?", frage ich ihn zaghaft und gehe zurück in sein Büro, damit ich nicht so schreien muss. 
Seine Körpersprache verunsichert mich. 

Wie auf dem Präsentierteller stehe ich vor ihm, während seine Augen zweimal über meinen Körper wandern.
"Wir holen nur deine Sachen. Du musst hier bleiben."

Nachdem er seine Worte ausgesprochen hat, bleibt mir die Luft weg. Ich versuche ich mich zu überzeugen, dass es ein schlechter Scherz seinerseits ist, aber suche vergeblich nach einem Lächeln oder zuckenden Mundwinkel.
Vollkommen ausdruckslos und ernst steht er vor mir und schaut unbeeindruckt in mein Gesicht. 

"Kommst du dann?", fordert er mich mit Nachdruck auf und dreht sich dann um, um sein Büro zu verlassen. 

Aufgeregt laufe ich ihm hinterher und knalle das halbvolle Glas mit der honigfarbenen Flüssigkeit auf den Schreibtisch. 

Er hört mich, aber er ignoriert mich. 

"Miguel, ich bleibe nicht hier.", schüttel ich demonstrativ den Kopf, während ich ihm folge. Er läuft seelenruhig durch den Flur und hält seinen Blick auf das Handy in seiner Hand, während ich Mühe habe ihm zu folgen.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt