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Miguel
22:37 Uhr

Ich sitze im Büro und schütte den Whiskey in mein Glas.
Ganz sicher werde ich mich nicht bei ihr entschuldigen.
Sie ist selber Schuld.
Hätte sie diesen Zettel nicht aufgehoben, dann wäre sie jetzt nicht hier. Hätte sie diesen Mord nicht gesehen, dann wäre sie jetzt gar nicht hier.
Außerdem habe ich sie nicht gezwungen mich zu küssen.

Sie tut, als sei das hier alles meine Schuld.

Ich werde hellhörig, als ich leise Schritte auf den Treppenstufen höre und schaue durch den kleinen Spalt meiner offenen Bürotür.

Amara.
Sie trägt wieder mein weißes Shirt, dass ihr bis unter den Hintern reicht.
Wütend stehe ich auf.

"Was machst du?!", fauche ich.
Sie erschreckt sich.
"Erschreck mich doch nicht so!", antwortet sie nicht auf meine Frage.

"Ich hab dich was gefragt!", weise ich sie darauf hin, dass ich eine plausible Antwort erwarte.
"Ich hab Hunger, zufrieden?"
Genervt schaut sie mich an.
Ich kneife die Augen zusammen.

"Was hast du da überhaupt an? Willst du, dass dich jeder angafft?"
Langsam gehe ich auf sie zu, doch sie weicht mir aus.

"Dein verdammtes Shirt, weil ich keinen Pyjama hab!", rechtfertigt sie sich.
"Dann zieh dir was über, wenn du hier runter kommst. Man könnte denken, du seist eine Schlampe.", beleidige ich sie.

Kurz ist es still.
Keiner sagt was.
Unsere Atem gehen schnell.

"Fick dich, Miguel!", ruft sie plötzlich laut, sodass der große Flur die Kraft ihrer Stimme verstärkt. Dann dreht sie sich um und holt sich einen kleinen Apfel aus der Obstschale.

"Wie bitte?", frage ich ungläubig.
Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt!

Ich folge ihr in die große Küche.

Sie steht vor der Spüle und wäscht ihren Apfel.

Das was ich gerade gesagt habe, stimmt nicht wirklich.
Auch wenn das Shirt ziemlich kurz ist, sieht sie keinesfalls aus wie eine Schlampe.
Im Gegenteil.
Ich bin wütend auf mich, dass ich sie auf meiner Nase tanzen lasse... und dass sie diese Wirkung auf mich hat.

"Wie redest du mit mir?"
Ich versuche meine Stimme zu kontrollieren, doch es klappt nicht so, wie ich es gerne hätte.

"Du redest auch nicht viel besser mit mir!", schimpft sie, nachdem sie vom Apfel abgebissen hat.

"Du erlaubst dir zu viel. Ich glaube ich muss dir nochmal klar machen, wer hier der Chef ist. Nicht wahr?", knalle ich mein Whiskeyglas auf die Küchentheke.

"Ich wünschte du hättest mich damals erwürgt.", haucht sie hasserfüllt.

Was?

Verwundert sehe ich sie an.
Was redet sie da?
Ich fasse nach ihren Oberarm, als sie aus der Küche stürmen will.

"Warum sagst du das?", frage ich ehrlich.

"Weil ich nichts mehr habe. Du hast mir alles genommen und du merkst es nicht einmal."
Ihre zittrige Stimme geht mir nah.
Zu nah.

"Das Schlimme ist, dass es dich vermutlich nicht mal interessiert. Du nimmst jeden Tag unzähligen Leuten das Leben und den Aussagen deiner Geschwister zu folge, schreckst du auch vor Frauen nicht zurück. Also sag mir endlich, wann ich dran bin." bittet sie mich flehend.

"Ich werde dich nicht umbringen, das habe ich dir gesagt.. und ich hab dir auch gesagt, dass du mir glauben kannst, wenn ich dir etwas sage.", stelle ich nochmal klar.
Verdutzt schaut sie mich an.

"Aber warum bin ich dann hier?" scheint sie mich noch immer nicht ganz zu verstehen.
Ich zucke ratlos mit den Schulter.

"Vermutlich, weil ich dich bei den Idioten in Amerika nicht alleine lassen wollte.", mache ich einen Witz.
Ganz leicht zucken ihre Mundwinkel.

"Jetzt komm, wir gehen schlafen.", setze ich dem Ganzen ein Ende. Sie wischt sich über die nassen Augen und lässt sich dann von mir aus der Küche in unser Schlafzimmer führen.

Kraftlos lässt sie sich ins Bett fallen.
"Leg dich auf die andere Seite. Ich schlafe an der Zimmertür.", bitte ich sie, sich auf die andere Betthälfte zu legen.

"Wieso das?", fragt sie unwissend.
"Mach einfach", breche ich das Gespräch ab, bevor eine Diskussion entsteht und verschwinde im Bad.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt