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Amara
20.39 Uhr

"Ich hoffe es hat euch geschmeckt?", fragt uns Sofia, als wir den Tisch abräumen.

"Danke, es war sehr lecker."
Lächelnd nimmt sie mir die Teller aus der Hand.

"Geh ruhig schonmal nach oben. Du musst bestimmt müde sein. Wir sehen uns dann morgen vielleicht nochmal. Ansonsten war es schön, die Freundin von meines Bruder kennengelernt zu haben. Und lass dich nicht unterkriegen!", zwinkert sie mir keck zu und zieht mich dann in eine feste Umarmung, die ich erwidere.
Nachdem wir uns von einander gelöst haben, blicke ich zu Miguel, der meinen Blick desinteressiert erwidert.

"Bleibst du noch kurz hier?"
Sofia hat sich an Miguel gewandt, der ihr als Antwort kurz zu nickt und mich dann aus dem Esszimmer schickt.
In mir macht sich Enttäuschung breit, weil er mir das Gefühl gibt, als könne er es kaum erwartet Ruhe vor mir zu haben.
Zum Abschied lächle ich Sofia noch einmal zu und laufe dann zu unserem Zimmer.

"Oh. Mein. Gott!", höre ich Sofia aufgeregt flüstern.
„Ich wusste ja, dass du schon immer einen feinen Geschmack hattest, aber dieses Mädchen übertrifft echt alles! Sie ist ja mal sowas von schön!", schwärmt sie von mir.
Ich muss mir ein Lächeln verkneifen.

"Kann schon sein.", erwidert Miguel gähnend. Es war klar, dass er mich nicht mag, aber seine Aussage verletzt mich trotzdem irgendwie.

Ich lege mich direkt ins Bett, nachdem ich mir die Zähne geputzt habe. Hoffentlich bin ich schon eingeschlafen, wenn er hoch kommt.

04.11 Uhr

Ich wache auf, als ich schwere Schritte vernehme. Der Mond scheint durch die gläsernde Balkontür und ich sehe Miguel auf dem Balkon stehen und rauchen.

Er trägt nur seine Jogginghose, ein Shirt hat er nicht übergezogen.
Er muss anscheinend geschlafen haben, denn die Seite neben mir ist noch warm und die Bettdecke zerwühlt.
Ich richte mich auf.

"Ist alles in Ordnung?", rufe ich vorsichtig.

"Schlaf weiter!", befiehlt er mir, ohne, dass er auf meine Frage eingeht.

Wer nicht will, der hat schon.

Ich drehe mich auf die andere Seite und sehe dabei kurz auf den Funkwecker.
Als sich das Bett neben mir senkt, schließe ich die Augen um mich zu entspannen.
"Wie lange dauert es noch bis Culiacan?", will ich von ihm wissen.

"Das siehst du dann.", erwidert er genervt und scheint sich dann zuzudecken.

"Freundlichkeit ist echt nicht so deins oder?", lege ich mich mit ihm an.
Es macht mich schon seit Tagen wütend, dass er so respektlos mit mir umgeht. Sogar vor seiner Schwester kommandiert er mich rum!

"Bitte?"
Er tut so als hätte er mich nicht verstanden, damit ich meine Aussage zurück nehme, doch das werde ich nicht tun.

"Dein Bruder sagt mir, dass du ja so unglaublich freundlich zu mir wärst. Deine Schwester erzählt mir das Gleiche. Nur kann ich das irgendwie nicht richtig nachvollziehen. Unter Freundlichkeit verstehe ich einfach etwas anderes.", erkläre ich ihm.

"Hältst du jetzt deine Klappe?", zischt er warnend.

"Gute Nacht", beende ich die Diskussion, bevor es noch ausartet.

Miguel
05.27 Uhr

"Nanu? Du bist ja schon wach", stört mich Sofias Stimme. Es ist halb sechs und ich sitze in der Küche und trinke Kaffee.

"Scheint so", murre ich.
Meine Schwester lacht leise, dann schnappt sie sich eine Banane und macht sich auf den Weh zur Haustür.

"Tschüss Bruderherz", winkt sie mir zum Abschied zu.

"Sofia.", halte ich sie auf.
"Freitag 9 Uhr. Ich hol dich ab und nehm dich fürs Wochenende mit nach Los Angeles, si?", erlaube ich ihr entgegen ihrer Erwartungen.
Eigentlich ist es zu gefährlich, aber Xavier ist dort und wird sicherlich gut auf sie aufpassen.

"¿De verdad?", will sie sicher gehen, dass ich keine Späße mache.
Ich nicke.
"Wirklich.", bestätige ich ihr.

"Und jetzt verschwinde!", werfe ich ihr mit einem Lächeln hinterher.
"Gracias!", ruft sie, als sie aus der Küche geht. Ich schaue ihr nach, bis die Tür ins Schloss fällt, dann räume meine Tasse weg und stelle mich unter die Dusche.
Spätestens in 3 Stunden müssen wir aufbrechen, damit ich pünktlich zu meinem Termin erscheine.

Das heiße Wasser läuft beruhigend meinen Rücken herunter. Ich fahre mir durch den Nacken, doch meine Verspannungen lösen sich nicht. Frustriert greife ich nach der Shampooflasche und wasche mir dir Haare.

08:01 Uhr

"Amara, steh auf, wir müssen in einer Stunde los.", wecke ich die schlafende Schönheit. Zuerst bewegt sie sich kein Stück, doch dann erschreckt sie sich heftig und schlägt meine Hand von ihrer Hüfte.

"Tranquilo, ich bin's nur.", hebe ich abwehrend die Hände.
"Dios, entschuldige! Hab ich dir weh getan?", fragt sie schuldbewusst und schaut sich meine Hände an.

"Alles gut"
Ich ziehe meine Hände weg, damit sie mein Tattoo nicht weiter betrachten kann.

"Wofür steht der kleine Buchstabe auf deinem Handrücken?", fragt sie verschlafen und neugierig zugleich.
Ich kneife die Augen zusammen.

"Geh dich waschen und anziehen, dann fahren wir los."
Ich antworte bewusst nicht auf ihre Frage, keine Ahnung warum. Mir ist einfach nicht danach.
Noch immer sitzt sie auf dem Bett, nur in meinem Shirt bekleidet, und schaut mir verschlafen hinterher.
Als sie merkt, dass ich sie anschaue, steht sie schnell auf und verschwindet in den Flur.

Ich fange an meine Sachen in die Tasche zu legen und auch ihre packe ich mit ein. Dann gehe ich mit gepackter Tasche nach unten und warte dort auf sie.

Ich höre das Wasser rauschen und unwillkürlich stelle ich mir ihren Körper in der Dusche vor. Wie die Wassertropfen ihre gebräunte Haut runterlaufen, sich den Weg über ihren Rücken und Hintern bahnen und über ihre Brüste rollen.

Als ich den Gedanken abschüttel, ist es schon zu spät.
In meiner Hose ist es gefährlich eng.

Ich brauche in Culiacan dringend eine Nutte. Definitiv.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt