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Miguel

„Überleg es dir doch nochmal.", bitte ich sie, als ich den Wagen starte und aus dem gehobenen Wohnviertel fahre.
Amara schnaubt genervt und verschränkt die Arme, gibt mir allerdings keine richtige Antwort.

„Dein Vater kann dich nicht beschützen, er hat doch gar keine Ahnung von all dem hier.", gestikuliere ich mit den Händen.

„Von all dem hier?! Wenn ich ihm all das hier erkläre, dann wird er mich sehr wohl verstehen und mich auch beschützen können!", zetert sie und wendet ihren Blick ab.

„Außerdem: Vor wem soll er mich beschützen müssen, außer vor dir?!", wird sie wütend.

„Amara du hast gar keine Ahnung! Da sind noch andere Leute, die hinter dir her sind! Vergiss nicht, dass du diesen Bauplan gesehen hast!", erkläre ich ihr und werde diesmal auch lauter.

„Darum geht es doch gar nicht! Ich will weg von dir, weil du meine Mutter umgebracht hast! Der Rest ist mir scheiß egal."
Ihre Stimme zittert und ich höre den Kloß in ihrem Hals.

Wütend presse ich meinen Kiefer aufeinander und fahre auf den Highway.
Wenn sie unbedingt gehen will, dann soll sie gehen. Aber sie darf nicht vergessen, dass ihr Vater gegen mich keine Chance haben wird. Sollte sie ihm irgendwas erzählen und sollte er irgendwie auf die Idee kommen zur Polizei zu rennen, dann ist er dran.
Amara ist immer noch eine Sicherheitslücke, das darf sie nicht vergessen.

„Hast du überhaupt schon ein Flugticket? Oder ein Handy mit dem du ihn erreichen kannst?", spotte ich spitzbübisch und schaue in die Ferne.

„Nein, aber ich habe einen Schlüssel zu der Wohnung und kenne den Weg dorthin. Mach dir mal keine Sorgen.", brummt sie.
Kurz darauf schließt sie die Augen.

Ich seufze und steuere den Wagen weiter durch den dichten Verkehr zum Flughafen. Es ist das erste Mal, dass ich aufgebe.
Ich gebe auf und lasse sie gehen, anstatt weiter zu machen. Anstatt sie zu überzeugen bei mir zu bleiben.
Dieses wunderschöne Mädchen war fast meins, aber auch nur fast.
Ich weiß nicht, woher dieses Gefühl kommt, aber ich will sie bei mir.
Sie soll bei mir sein und bei mir bleiben.
Ihre Schönheit beruhigt mich jeden Morgen, wenn ich sie sehe.
Sie lässt mich vergessen, wer ich bin und wie mein Alltag abläuft.

Ich umgreife das Lenkrad fester, weil ich Halt brauche.
Wenn sie gleich durch die Sicherheitskontrolle geht, dann ist sie weg.
Ich werde auf sie aufpassen, aber ich kann nicht bei ihr sein.
Normalerweise verlasse ich mich immer auf meine Männer, aber das hier ist anders.

An ihr liegt mir etwas.

Am Liebsten würde ich selber auf sie aufpassen, aber ich kann nicht einfach nach Miami gehen und Mexiko ruhen lassen.
Meine Leute zählen auf mich, die Jungs in den Favelas in Brasilien zählen auf mich.
Nicht zu vergessen der Deal mit Kolumbien.

Dann die Wahlen in Mexiko im September.
All das sind Dinge, um die ich mich kümmern muss, damit mein Geschäft weiterläuft und meine Männer weiterhin Abends zu ihren Familien nach Hause kommen und dafür sorgen können, dass genug Essen auf dem Tisch steht.

Es würde sich wie ein Lauffeuer rumsprechen, dass Miguel Jiménez seine Männer und sein Kartell im Stich lässt, nur um einer Frau hinterher zu rennen.

Das wäre fatal.

14:16 Uhr

„Wir sind da.", spreche ich in normalerweise Lautstärke, sodass Amara aufwacht.
Sie blinzelt ein paar Mal, dann werden ihre Augen groß.
Wahrscheinlich hat sie nicht damit gerechnet, dass ich sie wirklich hier hin bringe.

Schwungvoll öffnet sie die Tür und atmet die verschmutzte Luft ein. Es ist riecht nach Abgasen und Kerosin.

Ekelhaft.

Durch den Rückspiegel beobachte ich, wie Amara den Kofferraum öffnet und ihre Tasche herausholt.

„Ich bring dich bis zur Sicherheitskontrolle.", bestimme ich und steige aus dem Wagen aus.

„Weiter kommst du ja auch nicht.", scherzt sie und deutet auf die Waffe in meinem Hosenbund.
Ich werfe ihr einen warnenden Blick zu.

Während wir durch die Eingangshalle laufen, beobachte ich sie.
„Anscheinend kannst du es kaum erwarten endlich von mir weg zu kommen.", stelle ich fest und schließe zur ihr auf.

„Tatsächlich ja."

Diese Worte fühlen sich an wie Messerstiche in meiner Brust.
Ist das ihr Ernst oder wieder nur einer von ihren Scherzen?

„Da vorne ist der Schalter von United."
Sie zeigt auf eine Frau in blau/roter Uniform, die hinter einem kleinen Schaltet sitzt und wenig zu tun hat.

„Amara.", stoppe ich sie.
Meine Hand ruht auf ihrer Schulter und sie hat sich erwartungsvoll zu mir umgedreht.

„Tu das nicht.", bitte ich sie.

„Miguel, hör auf damit.", flüstert sie zurück. Ihre Augen habe sich mit Tränen gefüllt und mir wird klar, dass die gute Laune nur gespielt war.

„Geh nicht, Amara.", wiederhole ich mich.

„Miguel, fahr einfach nach San Clemente zurück. Mach es nicht noch schlimmer.", spricht sie zittrig.

Ich muss meinen Blick abwenden, weil ich ihren Anblick nicht ertragen kann.
Ich spüre ihre warme Hand an meiner, dann führt sie sie von ihrer Schulter.

„Du wirst mich nie ganz los, das weißt du.", informiere ich sie.

„Das mit uns, was auch immer das war, ist vorbei. Ich möchte dich nicht mehr in meinem Leben haben. Nie wieder, hörst du?"
Sie weint leise und beißt sich auf die Lippe, um nicht laut zu schluchzen.

„Und jetzt geh und lass mich in Ruhe. Bitte.", fleht sie mich förmlich an.
Ihre Worte machen mich wütend, weil man mich nicht einfach so wegschickt.
Aber für sie halte ich mich zurück.

Soll sie sehen, was sie davon hat.

„Adios.", flüstert sie und dreht sich dann von mir weg. Mit großen Schritten läuft sie auf den Schalter zu und wischt sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt