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Amara
23:59 Uhr

"Amara, steh auf. Wir sind da."
Miguel rüttelt unsanft an meiner Schulter.
Langsam öffne meine Augen. Wir stehen vor einem großen Hotel, dessen Lichter mich blenden. Schnell halte ich mir eine Hand vor die Augen und öffne die Tür. Die warme Luft erdrückt mich fast.

"Komm."
Er hat mein Handgelenk umgriffen und zieht mich ins Hotel.
Immer wieder schaue ich runter auf mein Handgelenk. Die roten Wunden sind mittlerweile schon ganz gut verheilt.

"Jimenez, ich hab ein Zimmer für heute Nacht gebucht.", stellt sich Miguel am Empfang vor.
Seine Hand umschließt noch immer mein Handgelenk.

Miguel Jimenez ist also sein voller Name.

Ich lasse währenddessen meinen Blick durch die Lobby schweifen. Der cremefarbene Marmorboden und die dicken weißen Säulen lassen die Lobby luxuriös wirken. Die weißen Sofas sind edel.

Wie viel eine Nacht hier wohl kostet?

Ich beobachte die Leute, die auf den teuren Sesseln sitzen. Sie lachen und scheinen Spaß zu haben. Einige trinken Sekt, andere haben Cocktails vor sich stehen und trage schicke Abendkleider.

Miguel unterbricht meine Beobachtungen, indem er mich zum Aufzug zieht. Meine Hand lässt er selbst im Aufzug nicht los.
Vermutlich, damit ich nicht abhaue.
Erst als wir im Zimmer ankommen und er die Tür abgeschlossen hat, lässt er mich frei.

An der Wand steht ein großes weiches Bett, ein Sofa steht am Ende das Raumes. Durch die Vorhänge kann ich die Lichter der Stadt sehen. Ich ziehe einen Vorhang zur Seite und öffne die Balkontür, dann lasse ich meinen Blick über die Stadt schweifen.

"Wow.", hauche ich fasziniert.
Das Zimmer muss alleine schon wegen des Ausblicks eine große Summe gekostet haben.

"Auch was?"
Miguel hält mir ein Glas mit Eis und eine Flasche Whiskey vor die Nase.
"Darf ich Wasser haben?", lehne ich den Whiskey ab. Er nickt und holt Wasser aus einem kleinen Kühlschrank unter dem Fernseher, dann setzt er sich auf die Sitzecke auf dem breiten Balkon und klopft neben sich, als Zeichen, dass ich mich ebenfalls setzen soll.

"Warst du schonmal in San Diego?", fragt er mich, nachdem er einen großen Schluck von seinem Whiskey genommen hat.

Ich schüttel verneinend den Kopf.
"Nein, nur in Miami.", gebe ich ihm eine richtige Antwort und setze mich mit etwas Abstand neben ihn.

"Und wann bist du das letzte Mal in Mexiko gewesen?", stellt er mir die nächste Frage. Sein angenehmes Parfüm steigt mir in die Nase.

Seit wann ist er so neugierig?

"Letztes Jahr, da haben wir meine Tante besucht.", erzähle ich ihm.
"Und du?", stelle ich ihm die Gegenfrage.

Er schnaubt belustigt.
"Ich wohne dort. In Amerika bin ich nur, weil ich einige Geschäfte ausbauen muss. In 2 oder 3 Monaten gehe ich wieder zurück nach Culiacan.", offenbart er mir.

"Was für Geschäfte?", versuche ich mehr aus ihm rauzubekommen.
Ich weiß jetzt, dass er ein Kartell führt, aber welche Geschäfte er erledigt und für welche er seine Handlanger hat, kann ich mir noch nicht richtig vorstellen.

"Du weißt, dass dich das nichts angeht, mi amor."
Er nuschelt etwas, weil er eine Zigarette zwischen den Lippen stecken hat, aber ich verstehe den Kosenamen trotzdem.

Mi amor?

Ich werde rot.

"Trink dein Glas aus und dann geh ins Bett. Ich muss noch was in der Stadt erledigen, dauert aber nicht lange.", fordert er mich auf ohne mich diesmal wegen meiner Gesichtsfarbe aufzuziehen.

Was hat er denn jetzt noch zu erledigen?

"Kann ich mit? Ich war doch noch nie in San Diego!", bitte ich ihn mich mitzunehmen.

Überrascht guckt er mich an.
"Sicherlich nicht, das ist geschäftlich.", lehnt er ab und klopft leicht auf die Zigarette, sodass die heiße Asche auf den Boden fällt.

"Na und? Dann warte ich draußen!", beschwere ich mich.

"Princesa, ich glaube nicht, dass du jetzt diskutieren solltest.", warnend schaut er mich an.

"Ich will aber nicht alleine hier sitzen!", gebe ich nicht auf.
Ich stehe beleidigt auf und will vom Balkon gehen, als er mir den Weg versperrt.

"Was denkst du, was ich mache? Hast du Lust dir Nutten anzusehen, die anderen Männer den Schwanz ganz ohne Hemmungen lutschen? Einfach so? Mitten im Club? Ist es das, was du sehen willst, während ich mich mit einem Lieferanten im Hinterhof treffe?!", wird er jetzt lauter und kommt mir näher.

Ich zucke zusammen, als er seine Hand hebt und sich über den Bart fährt.
Kurz runzelt er die Stirn, lässt sich aber nicht durch meine Reaktion abbringen.

"Selbst wenn es das ist, was du willst, dann werde ich das nicht zu lassen. Ich werde dich nicht beobachten können, wenn ich im Hinterhof was bespreche und das Risiko, dass dich jemand anpackt, werde ich nicht eingehen. Außerdem bist du viel zu unschuldig, als das du dir sowas angucken willst.", hört er nicht auf.

"Und jetzt geh schlafen!", schickt er mich weg und ext sein Whiskeyglas. Seine Zigarette drückt er in seiner Handfläche aus, ohne das Gesicht zu verziehen.
Schnell verschwinde ich im Bad, da ich ihn nicht noch mehr verärgern möchte.

Ich kann ja schließlich nicht wissen, dass er sich an solchen Orten mit seinen Lieferanten trifft.

Ich höre wie die Zimmertür zuschlägt. Dann ist es still.

Es ist bereits fast halb eins nachts, doch ich bin noch nicht müde, daher beschließe ich noch etwas fern zu sehen.

Miguel

"Pass mal auf, du gibst mir dein Koks und dafür kriegst du meinen Club in Los Angeles. Und die Waffen hätte ich gerne bis nächste Woche nach Culiacan geliefert, verstanden?!", verhandle ich gerade mit dem Bastard, der mich über den Tisch ziehen wollte.

"Deal!", will er mit mir einschlagen, doch ich mache keine Anstalten, seinen Handschlag zu erwidern.

"Kein Club ohne Koks und Waffen, ist das klar amigo?", gehe ich sicher, dass er mich nicht ein zweites mal verarschen will.

Er nickt.

"Klar Boss.", willigt er ein.
Dann verschwinde ich aus seinem dreckigen Bordell. Mir ist nicht entgangen, wie die ganzen Nutten mich angeschaut haben, doch diesmal will ich nicht von ihnen angeschaut werden.

01:47 Uhr

Als ich die Tür zu unserem Zimmer öffne, läuft der Fernseher.
Ein Blick aufs Bett zeigt mir, dass Amara bereits eingeschlafen ist. Ich mache den Fernseher aus und streiche mir mein Hemd von den Schultern. Eigentlich sollte ich noch duschen gehen, aber das kann ich auch morgen früh noch erledigen.

Amara liegt auf dem Bett, ein Bein um die Decke geschlagen.

Warum schläft sie nur in einem Shirt?

Ich fahre mir durch die dunklen Haare und gehe dann Zähne putzen. Als ich mich ins Bett lege, atmet sie ruhig und gleichmäßig.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt