-20-

21.7K 552 52
                                    

Miguel
8.54 Uhr

"Was willst du essen?", frage ich, während ich mein Portemonnaie aus dem Handschuhfach fische.
"Ein Brötchen reicht.", erwidert sie trocken.

Ich schnaube.
Wir sind erst eine Stunde gefahren, doch mir ist eingefallen, dass wir noch gar nicht gefrühstückt haben.

"Keine Spielchen! Wenn du abhaust, dann bewahre dich Gott."
Mit diesen Worten lasse ich sie im Auto zurück, welches ich sicherheitshalber nochmal abschließe, obwohl mir bekannt ist, dann man von innen die Türverriegelung auflösen kann.

Amara

Was ein Arschloch. Als wenn ich jetzt noch abhauen würde? Ich weiß nicht mal, wo wir gerade sind.

Ich sehe durch die Frontscheibe, wie er gerade aus der Tankstelle kommt. Seine blaue Anzughose und sein weißes Hemd schmiegen sich an seinen trainierten Körper. Durch das Hemd lassen sich seine Bauchmuskeln erahnen.

Mit großen, gefährlichen Schritten kommt der angsteinflößende Typ aufs Auto zu. Seine dunklen Haare sitzen perfekt und sein drei Tage Bart rundet sein nahezu perfektes Aussehen ab. In seiner Hand hält er einen Kaffeebecher, in der anderen eine Brötchentüte.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er mit seinen vollen Händen versucht den Autoschlüssel aus seiner Tasche zu fischen.

Ich muss grinsen, weil es einfach zu lustig aussieht.

"Mach schon auf!", tönt mir seine raue Stimme gedämpft entgegen. Ich warte noch einen Augenblick, bis ich ihm die Tür öffne.

Er sagt nichts, setzt sich einfach nur auf den Sitz und wirft mir die Tüte auf den Schoß.

Danke Amara  sage ich im Kopf zu mir selber. Der Kerl hat einfach kein Benehmen.

"Was ist für dich?", frage ich ihn, weil es mehrere Brötchen gibt.
"Alles", erwidert er stumpft und nippt an seinem heißen Kaffee.

Meint er das jetzt ernst oder ist das wieder einer seiner schlechten Scherze?

"Nimm dir einfach das was du möchtest, ich find schon was.", gibt er mir zu verstehen, dass er witzig sein wollte.

Ich hab mich tot gelacht. Wirklich.

"Jetzt schau nicht so und iss einfach, ich will nicht ewig hier warten.", hetzt er mich, mir endlich ein Brötchen aus der Tüte zu nehmen. Blind greife ich rein und ziehe eins mit Salami und Ei heraus.

"Hey!" rufe ich empört, als Miguel es mir aus der Hand schnappt.
"Was soll das?!", rufe ich erneut, als er es extra weit von mir weghält, damit ich nicht mehr dran komme. Aus Reflex lehne ich mich weiter zu ihm rüber und stütze mich mit meiner Hand auf seinem rechten Oberschenkel ab.

"Gib das her!", greife ich immer wieder nach dem Brötchen. Er grinst erst, dann beißt er genüsslich rein.

"Das war meins!", brumme ich. Er zuckt mit den Schultern, dann nimmt er meine Hand und hebt sie von seinem Oberschenkel runter auf meinen. Ich laufe rot an.

Ich hab gar nicht gemerkt, dass meine Hand dort noch immer lag.

Belustigt schaut er mich an und isst dann sein Brötchen weiter. Keiner sagt mehr etwas.

09.16 Uhr

"Musst du nochmal auf Toilette?", fragt er, als wir die Brötchen aufgegessen haben. Ich habe letztendlich ein Croissant mit Käse gegessen.

Ich verneine.

Er startet den Wagen und verlässt die Tankstelle in Richtung Highway. Während ich auf die Straße vor und schaue, lasse ich mich zurück in den Sitz fallen.

Noch 9 Stunden Fahrt.

Was für eine Hölle.
Während wir den Highway entlang fahren, wird mir erst so richtig bewusst, in welcher Situation ich mich befinde.
Meine Mutter wurde erschossen, mein Bruder ist weg und generell hat sich mein ganzes Leben innerhalb der letzten 48 Stunden komplett auf den Kopf gestellt.

"Was hast du?", fragt er irgendwie genervt, als er mich schniefen hört.
Schnell wische ich mir die Tränen weg.

"Hast du schon was über die Mörder meiner Mama in Erfahrung bringen können?", frage ich ihn ruhig und schlucke die Tränen herunter.
Ich will nicht, dass er wieder wütend wird, da ich das Gefühl habe, als hätte es sich zwischen uns leicht entspannt.

Er fährt sich übers Kinn.
"Nein.", schnaubt er genervt.

Alles klar, ich versteh schon.

"Ich bin da dran, aber sowas ist schwer. Die meisten morden im Auftrag. Diese Leute hinterlassen keine Spuren.", informiert er mich.

"Ich muss den Mörder finden, Miguel. Das bin ich meiner Mama schuldig." hauche ich ihm zu.

"Du musst gar nichts außer deine Klappe halten!"
Ich zucke zusammen, weil mich seine plötzliche Wut erschreckt.

Da ich keine Lust auf eine Streiterei habe, halte ich lieber die Klappe. Vermutlich wird er mir sonst bei der nächsten Diskussion eine Kugel in den Brustkorb jagen.

"Und jetzt hör auf zu flennen.", beendet er auch von seiner Seite aus die Diskussion.

AmaraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt