| 2 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Matt und Ryan hatten nicht übertrieben. Es war das reinste Chaos! Dass hier ein Kampf gewütet hatte, war nicht zu übersehen.

„Die wenigen Verletzten sind schon im Krankenhaus", erklärte Matt niedergeschlagen.

Jackson nickte und sah sich weiter in der Halle um. Hier und da klebte Blut am Boden oder an den Wänden. Auch zwei tote Körper lagen im hinteren Teil der Halle und bei näherem Hinsehen, erkannte ich Eka, den Türsteher, der Ruby und mich damals in den Nachtclub gelassen hatte. Bei seinem Anblick schmerzte mir das Herz. Zu ihm hatte ich wenigstens eine kleine Verbindung, die anderen Toten kannte ich nicht einmal.

„Wo sind die anderen?", verlangte Jackson zu wissen.

Ryan zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Die, die nicht verletzt oder tot sind, sind geflohen oder waren gar nicht erst da."

„Also hat gerade keiner einen Überblick?" Jackson schüttelte den Kopf als Ryan nickte und lief weiter in die Halle. „Vergrabt die Toten hinter der Halle und wischt das Blut weg. Matt, du fährst nach Hause zu Alec."

„Und was ist mit dir?", warf ich ein und musterte ihn besorgt.

Jackson verzog die Mundwinkel halbherzig. „Ich such den Rest und fahr beim Plaza vorbei."

„Bist du irre?!", stieß Ryan aus. „Dort wimmelt es nur so von Polizisten! Wir sollten erstmal hierbleiben."

Gerade wollte sich auch Matt einmischen, da bestimmte ich eisern, „Jackson und Matt fahren zurück zum Memorial und holen Blake und Zayn. Ryan und ich machen derweil hier alles sauber und anschließend können wir ja bei Alec vorbeischauen."

Alle sahen mich verdutzt an und für einen Augenblick bereute ich meine Worte, doch Jackson fing nur an zu lächeln und sagte schließlich, „Ihr habt euren neuen Beta gehört!" Damit lief er wieder raus und wartete bei Matts KTM.

„Neuer Beta?", fragte Matt mit einem überraschtem Ton. Ich nickte. Sofort strahlte er. „Glückwunsch!", rief er aus und umarmte mich. Seinem Bro warf er noch einen undeutbaren Blick zu und verschwand dann ebenfalls, nachdem er ihm den Hallenschlüssel in die Hand gedrückt hatte.

Vorsichtig linste ich zu meinem Mitbewohner, der auf den Boden sah. „Ist das denn okay für dich?"

„Für mich?" Überrascht sah Ryan auf. Von seinen grünen Augen war dabei fast nichts zu erkennen, da seine Pupillen dank der Dunkelheit zu sehr geweitet waren. „Wieso sollte es nicht?"

„Naja..." Unschlüssig ließ ich die Schultern hängen und stieß die Luft aus. „Du wärst eigentlich der Richtige für den Job und du bist schon solange dabei, es wäre nur fair, wenn-"

„Miles", unterbrach mich Ryan bestimmt aber sanft. „Ich wäre niemals für den Posten in Frage gekommen und das wusste ich schon immer. Jackson hätte mich nie gewählt. Zwischen uns ist auch schon böses Blut geflossen und er vertraut mir nicht genug. Das liegt nicht nur an meiner damaligen Drogensucht. Dir aber vertraut er. Du hast den Platz verdient und Matt freut sich auch für dich, also kein Grund zur Sorge."

Erleichtert stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht. „Wenn du meinst, ich hoffe nur, dass ich dem Platz gerecht werde."

„Wirst du schon. Es wird für die Gang zwar ne gewaltige Umgewöhnung, aber in solchen Zeiten wie jetzt, zählen andere Dinge."

Dank Ryans Worten fühlte ich mich ein klein wenig besser. Wir wussten zwar noch nicht einmal, wie viele von der Hydra überhaupt noch da waren, aber einfach so aufgeben würden wir nicht. Noch weiter abstürzen konnte wir ja eh nicht.

Ich verzog mein Gesicht als ich auf die Toten blickte. Einer von ihnen hatte sogar noch die Augen auf und das Blut, welches aus der Schusswunde auf den Boden tropfte war mit Sicherheit noch warm. Angeekelt wandte ich meinen Blick etwas ab und packte ihn unter den Schultern, um ihn nach draußen zu schleifen.

Die feine rote Linie, die ich dabei hinterließ zierte den dunkelgrauen Boden und verwandelte ihn in ein nicht ganz so farbloses Kunstwerk.

Ryan hatte unterdessen hinter der Halle ein Loch gegraben. Das war mehr als anstrengend. Der Boden hier war alles andere als weich und seine Kawasaki, die er hinter gefahren hatte, spendete das einzige Licht. Als ich bei ihm war, half ich ihm mit der zweiten Schaufel, die ich in der Halle gefunden hatte und fühlte mich dabei krimineller denn je. Mein Onkel würde mich echt noch umbringen!

Keiner sprach dabei ein Wort. Wir fühlten uns schon schlecht genug und wollten nicht darüber reden. Nur schnell fertig werden war das Ziel.

Als wir es dann endlich geschafft hatten, hoben wir den toten Körper hinein und legten die anderen hinzu. Das Loch war nicht wirklich tief und ich wollte nicht wissen, was mal zum Vorschein kommen sollte, wenn der Besitzer des Weinguts seine Halle wiederhaben wollte. Immerhin musste er sein Land für die Felder immer mal wieder umgraben.

Kritisch zog ich die Luft ein, verbannte das Bild aus meinem Kopf und schaufelte die trockene Erde wieder drauf. Den Rest, der übrigblieb, verteilten wir wahllos im Umkreis.

Anschließend standen wir vor dem provisorischen Grab und sahen hinauf. Keine Ahnung, wie gut Ryan die Männer gekannt hatte, aber sein Ausdruck war anders als damals bei John und Loan. Er wirkte nicht so mitgenommen. Nur schrecklich müde. Genauso wie ich.

Es müsste immerhin bald die Sonne aufgehen.

Nicht richtig bei der Sache und mit den Gedanken schon in meinem Bett, lief ich mit Ryan zurück zur Halle. Dort begannen wir das Blut aufzuwischen. Dafür schüttete Ryan einfach ein paar Eimer Wasser aus, welches sonst für die Motorräder gedacht war. Das Blut war noch nicht getrocknet, weswegen das relativ schnell ging.

„Jackson und Matt kommen nicht zurück. Wir sollen die Halle einfach abschließen und wir sehen morgen weiter", erklärte Ryan irgendwann, der sein Handy in der Hand hielt und den Chat mit seinem besten Freund offen hatte.

Ich nickte. „Okay, was ist mit Alec?"

„Den hat Matt mit zu sich genommen und versorgt. Ein Glück, ich will einfach nur schlafen", murrte Ryan.

Da konnte ich ihm nur zustimmen. Die Müdigkeit und schlechte Laune zerrte an mir und ich war unglaublich froh, als wir endlich fertig waren und Ryan mit Matts Schlüssel die Halle absperrte. Die Nacht würde wahrscheinlich in die Geschichte der Hydra eingehen, als größte Niederlage überhaupt. Aber gleichzeitig auch als Sieg.

Zuhause in Ryans kleiner Wohnung angekommen, schaltete er das Licht ein und lief mit einem, „Gute Nacht", sofort in sein Zimmer. Ich selbst ließ mich aufs Sofa sinken. Das Blut im Flur, welches Alec hinterlassen hatte, war weg.

Matt, Danke.

Mir fielen die Augen noch im Sitzen zu und mit der aufgehenden Sonne am Fenster und noch mit meinen verschmutzten Klamotten am Körper, schlief ich schließlich ein.

RIDERS ~ Lost MemoriesWhere stories live. Discover now