| 52 | 𝐉𝐚𝐜𝐤𝐬𝐨𝐧

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„Was ist los? Wo sind sie?", verlangte Alec abermals zu wissen und seine geweiteten Augen zeigten mir deutlich, dass er vom Schlimmsten ausging. Damien hingegen hielt Abstand und biss nervös auf seiner Lippe herum, während er seinen besten Freund alles regeln ließ.

Ich schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Das war alles ein verschissener Traum!

Ruckartig stand ich auf, schubste Alec von mir, der jedoch sofort wieder an meiner Seite war, und stapfte auf die Motorräder zu. Die neue Ducati war wie ein Fluch, ich wollte mein altes Motorrad wieder, mein altes Leben, die Zeiten von damals! Mir war klar, dass die schöne Panigale nichts dafür konnte, doch meine Wut musste irgendwo hin.

Fluchend verpasste ich ihr einen Tritt und sie fiel auf die Seite. Der unebene Boden ließ sie kurz etwas hin- und herschaukeln.

„Scheiße, was ist los mit dir?!" Alec sprang mir halb auf den Rücken und versuchte mich davon abzuhalten das teure Teil zu zertreten, auch, wenn das kaum möglich war. „Man, Jackson, rede mit uns!", forderte Alec mich auf und drehte mich zu sich um. Trotz der Sorge schien er gefasst. Doch ich konnte meine Befürchtungen nicht in Worte fassen. Ich musste zu Miles und den anderen.

Diesmal brutaler schubste ich Alec weg, der sich gerade noch so fangen konnte. „Lass mich!"

„Dann rede endlich, verdammt nochmal!"

Abwägend sah ich meinen ehemaligen Kameraden an und erschrak sofort über den Gedanken. Das Treffen war vielleicht ins Wasser gefallen, doch die Hydra war dennoch Geschichte, ich war nicht länger sein Anführer, sämtliche Regeln gab es nicht mehr und mein Inneres hatte dies schon längst akzeptiert.

„Es ist vorbei", meinte ich daher nur.

Verständnislos sah er mich an. „Was meinst du?"

Ich schwieg. Mein Blick glitt zu Damien. Er hatte noch kein Wort gesagt, nicht versucht mich aufzuhalten oder sich anderweitig an etwas beteiligt, und dennoch wusste er Bescheid. Er wusste es. Seine dunklen Augen sprachen Bände. Und zu gleich waren sie getränkt von Erkenntnis. Er war frei, allein... und wieder in der gleichen Situation wie vor ein paar Monaten. Ohne Gang. Sein Beitritt bei der Hydra war ein genauso hoffnungsloser und verzweifelte Akt gewesen wie unser Versuch die Gang am Leben zu halten.

„Jackson?"

Ich seufzte. Sah wieder zu Alec. „Die Hydra. Es ist vorbei. Wir hören auf. Von jetzt an geht jeder seinen eigenen Weg."

„Aber-"

„Es geht nicht anders", brachte ich mühsam hervor und versuchte die Worte zu finden, die Matt benutzte, um mich zu überzeugen, doch in meinem Kopf war Leere. „Es ist besser so."

Fassungslos wich Alec einige Schritte von mir. Doch dann, aus heiterem Himmel, kam er wieder auf mich zu, die Augen verdächtig glänzend. „Nein! Dann war doch alles umsonst! Wozu das alles?! Dann hat Zayn doch gewonnen!" Panisch zog er die Luft ein. „Dann ist Conner völlig umsonst gestorben!"

Ich schüttelte den Kopf. Für dieses Gespräch hatte ich keine Kraft. „Conner ist für die Serpens gestorben, er-"

„Er war unser Verbündeter! Er hätte an unserer Seite gekämpft! Er..." Alec brach ab. Die Tränen flossen, es war ihm nicht einmal peinlich. „Ist es wegen dem was Ryan gesagt hat? Dass Nero ihm fehlt und du daran Schuld bist?" Er zwang sich zu einem Lächeln und packte mich an den Armen. „Wenn es das ist, dann trifft dich keine Schuld. Ich vermisse ihn ja auch, aber so... so. Du kannst mir nicht auch noch die Hydra nehmen."

Gequält verzog ich das Gesicht, war mit den Gedanken aber schon ganz woanders. „Es tut mir leid, Alec."

„Nein-"

Ich konnte nicht länger warten. Ungeduldig schubste ich ihn erneut von mir. Unkoordiniert landete Alec auf dem trockenen Boden und blieb dort jammernd sitzen. Seine Versuche aufzustehen, scheiterten. Unruhig wandte ich mich ab und versuchte hoffnungslos meine Ducati wieder aufzurichten. Vielleicht hätte ich es sogar geschafft, doch eine seltsame Schwäche hatte meinen Geist und Körper ergriffen. Und nun schien das eine unmögliche Aufgabe.

Geschlagen wollte ich bereits aufgeben, da warf mir Damien seinen Zündschlüssel zu. Sein Blick sagte alles. Keine Worte waren mehr nötig.

Also setzte ich meinen Helm auf, versuchte Alecs klagende Gestalt zu ignorieren, sah ein letztes Mal zu Damien, der sich zu seinen besten Freund hockte, und nahm dann dessen schwarze Aprilia und fuhr Richtung Bergstraße. Das fremde Motorrad fühlte sich logischerweise anders an, doch wie jede Supersportler lag sie gut in den Kurven und ich gewöhnte mich an sie.

Ein Blick in den Rückspiegel verriet mir, dass Damien Alec umarmte und versuchte den Scherbenhaufen zu beseitigen, den ich hinterlassen hatte. Ihr Anblick tat mir im Herzen weh und dennoch... es war wie es war. Die Halle, eingefärbt im dunkeln Rotton der untergehenden Sonne, war das Letzte was ich sah, dann galt meine Aufmerksamkeit der Straße.

Ich wollte mir gar nicht ausmalen was mich auf dem Polizeirevier erwarten würde. Wahrscheinlich der blanke Albtraum.

Mein Puls war zu hoch und mein Herz schlug zu schnell. Und irgendwie geriet alles noch weiter aus den Fugen als es eh schon war. Die Hydra war nun offiziell nichts weiter als Vergangenheit, Alec war ein psychisches Wrack, dem ich gerade den Rest gegeben hatte, und Miles war, wenn ich Pech hatte, tot. Geniale Aussichten. Doch noch war nicht alles verloren, zumindest bestand noch Hoffnung. Also drängte ich die Tränen zurück und konzentrierte mich auf den Verkehr.

Im Stadtinneren begegneten mir bereits einige Streifenwagen und auf dem Revier stachen mir sofort die beiden verkleideten Motorräder ins Auge, neben die ich mich stellte. Matts KTM und Ryans grüne Ninja gehörten einfach zusammen und ihr Anblick hatte etwas Friedliches.

Doch sobald ich das Gebäude betrat, wurde mir schwummrig.

Ich gehörte hier nicht her. Bis vor wenigen Sekunden noch war ich ein Krimineller, der Anführer einer kleinen Gang. Die Blicke der Cops lagen schwer auf mir und ich musste schlucken. Unwohl trat ich von einem Fuß auf den anderen. Sie konnten mir meine Taten nicht ansehen, versuchte ich mich zu beruhigen. Und tatsächlich wandten sie ihre Blicke ab. Scheinbar hatte die Razzia dafür gesorgt, dass sie genug Arbeit hatten.

Zudem warteten neben mir noch einige andere verschreckte Leute im Empfangsraum. Vielleicht Angehörige.

„Jackson!"

Mein Blick schnellte nach rechts und sofort blickte ich in Matts bernsteinfarbene Augen, die Unheilvolles in sich trugen. Und trotz meiner inneren Kälte spürte ich die Wärme der darauffolgenden Umarmung.

RIDERS ~ Lost MemoriesWhere stories live. Discover now