| 30 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Ich kniff für einen Moment die Augen zusammen. Das war alles ein nur ein Traum. Ein blöder Traum. Unmöglich waren sie alle hier. Wie denn? Wie hatten sie mich so schnell gefunden und vor allem wieso suchten sie mich?! Unser Verhältnis war nicht immer das Beste, wieso war ich ihnen plötzlich so wichtig?

Kian schien von der plötzlichen Anwesenheit meiner ehemaligen Gangmitglieder ebenfalls nicht begeistert. Sauer verdrehte er die Augen, die Verletzlichkeit über meine Worte sah man ihm aber immer noch an.

Laut kamen die Bikes neben uns zum Stehen. Wie lange hatten wir uns bitte nicht gesehen? Monate? Dennoch erkannte ich jeden sofort. Die nicht zugelassene, umgebaute Kawasaki H2R konnte nur Dylan gehören. Hinter ihm waren Neela mit ihrer schwarzen Honda Hybrid und mein ehemaliger Freund Tyler, der seit Teenagertagen eine alte, schwarzrote Yamasaki YM50-RE fuhr.

Als sie dann auch noch ihre Helme abnahmen und die Motoren verstummten, erreichte meine Übelkeit ein neues Level. Konnte sich nicht einfach der Erdboden auftun?

„Seht euch mal an wer da von den Toten aufgestanden ist", höhnte Tyler.

Neela ignorierte ihn jedoch. Mit großen Augen starrte sie mich an und schlug sich dann die Hand vor den Mund. Ihre schwarzen Haare waren aufgrund des Helmes noch total zerzaust und ihr Gesicht war ungewöhnlich blass. Für sie war ich vermutlich ein Geist. Ein Toter. Jemanden, von dem sie sich bereits verabschiedet hatte und glaubte nie wiederzusehen. Aber nun stand ich vor ihr. Lebendig und unverändert. Jedenfalls äußerlich.

Die Schwarzhaarige stieß ein Japsen aus und sprang von ihrer Maschine. Weinend fiel sie mir um den Hals. Nur zögerlich erwiderte ich die Umarmung und legte meine Arme um ihren schlanken Oberkörper.

Denn in Wahrheit war nichts wie früher. Und das würde es auch niemals werden.

„Ich dachte ich würde dich nie wiedersehen", schluchzte sie leise und fuhr mit ihrer rechten Hand über meinen Nacken und durch meine Haare. „Ich dachte du wärst tot." Ich schloss meine Augen, schluckte meine aufkommenden Tränen hinunter und drängte meine Gefühle zurück. Ich sollte mich zu dieser Gang nicht mehr zugehörig fühlen. Plötzlich löste sie sich von mir und gab mir eine schallende Ohrfeige. „Mach das nie wieder!"

Lange schallte der Schlag nach, Tyler lachte leise und verletzt senkte ich den Kopf. Das war nichts im Vergleich mit dem was Dylan mir antun würde.

Tief durchatmend hob ich den Kopf und sah Neela wieder in die Augen. Wut spiegelte sich in ihnen wieder und mir tat ihr Anblick in der Seele weh. Doch ich spürte wie sich mein Herz distanzierte. Ich sah sie anders. Nicht als die Freundin von früher. Sie gehörte der Vergangenheit an. Ungewollte assoziierte ich sie mit dem Tod meiner Eltern und den Zeiten von früher und damit wollte ich abschließen. Und eben deshalb verspürte ich kaum Reue.

„Wieso hast du dich nicht gemeldet?!", fauchte sie mich an und deutete wutentbrannt auf Kian, „Du bist einfach verschwunden, genauso wie er. Aber warum?" Mein Blick ging zu Kian, der mich noch immer enttäuscht und fassungslos ansah. Mit seiner mysteriösen Verletzung im Gesicht wirkte er noch schlimmer. Und jetzt ergab alles Sinn. Dylan musste ihn für seine kleine Reise geschlagen haben.

Scharf zog ich die Luft ein und trat einen Schritt zurück. „Ich... brauchte einfach eine Pause."

„Eine Pause?", lachte Tyler verachtend und zog spöttisch die Augenbrauen hoch. Was war denn mit dem passiert? Früher waren wir gute Freunde. „Du bist ein verfickter Bastard, der sich seinem Schicksal nicht stellen konnte und uns hat sitzen lassen."

Überrascht und zugleich getroffen verzog ich das Gesicht. „Was-?"

„Spar dir deine Entschuldigungen!", knurrte er. „Wir wissen von dem Unfall, haben die Leichen deiner Eltern selbst gesehen, aber von dir fehlte jede Spur, weil du dich einfach verkrochen hast! Was hat das mit Treue zu tun?!"

RIDERS ~ Lost MemoriesOnde histórias criam vida. Descubra agora