| 33 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Schreckliche Kopfschmerzen plagten mich, während mein Gesicht an der kühlen Autoscheibe platt gedrückt wurde. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in einem Auto saß. Vermutlich bei meiner Einreise in San Diego. Das Gefühl war eigenartig und vertraut zu gleich. Aber auch gefährlich, es machte mir Angst. Ungern wollte ich wieder in einem Auto sitzen.

Und dennoch saß ich hier.

„Miles... muss ich mir Sorgen machen?", fragte mein Onkel plötzlich zögerlich und sah mich durch den Rückspiegel an. Ich zog nur die Augenbrauen zusammen. „Versteh mich nicht falsch, ich mache mir permanent Sorgen um dich, seit... naja, du weißt schon. Aber das hier ist anders." Laut seufzte er. „Du wärst gerade fast erschossen worden, verdammt nochmal! Wie kannst du da so ruhig sein?"

Müde schloss ich einfach nur die Augen und schwieg.

„Entschuldige mich, es ist nur..." Seine Hände umgriffen das Lenkrad fester. „Es kommt nicht alle Tage vor, dass man seinen Neffen halb verprügelt am Boden vor einer Tankstelle findet mit einer Schusswaffe auf der Brust. Ich hab wenig Ahnung davon, wie dein Leben momentan ist und... was alles passiert ist, aber ich kann es mir in etwa vorstellen-"

„Wegen deiner Berufserfahrung?", unterbrach ich ihn und öffnete meine Augen wieder.

Eindringlich sah er mich durch den Rückspiegel an. „Unter anderem, ja. Kriminelle Gangs in der Drogenszene sind hier schon länger ein Problem und da bekommt man einiges mit. Ich möchte mir kaum ausmalen, in was du alles involviert warst und bist", murmelte er niedergeschlagen und vergrößerte mein schlechtes Gewissen enorm.

„Nein... möchtest du nicht."

Eine Weile war es still im Auto. Nur der Motor brummte von dem alten Wagen meines Onkels. Seinen Dienstwagen hatte er vorhin umgetauscht und ich konnte es gar nicht erwarten in mein Bett zu fallen. Ich war tot müde und wollte mich nur noch vor all meinen Problemen verkriechen. Eine Konfrontation mit ihnen wäre zu viel. Verstecken wäre das Einfachste. Nur wo? Würde mein Onkel mich bei sich dulden? Nach all dem?

„Auch wenn ich die Antwort schon kenne... Willst du damit vielleicht zum Arzt?", fragte er und deutete auf seine eigene Nase und Oberkörper. Und auch, wenn der Schmerz beinahe unerträglich war, schüttelte ich mit dem Kopf.

Ihm bleib nichts anderes übrig als Das hinzunehmen und schweigend fuhren wir weiter.

Als die bekannte Einfahrt in Sicht kam, kamen mir die Tränen. Mein letzter Besuch war emotional nicht einfach für mich. Scharf hatte ich das Bild meines Onkels vor Augen, mit starken Wangenknochen, eingefallener Haut, Augenringen und einer ungesunden Hautfarbe. Die aktuelle Situation nahm ihn ebenfalls mit. Und auch, wenn ich die Hydra freiwillig gewählt hatte, so vermisste ich ihn. Letztlich war er mein letzter lebender Verwandte.

„Wir sind da", teilte er mir müde mit und stieg aus dem Wagen, umrundete ihn und öffnete anschießend meine Tür. Sah mich dabei auffordernd an. Doch ich regte mich nicht, war zu müde und hatte keine Ahnung, was mich hinter geschlossener Tür erwarten würde. „Miles, kommst-?"

„Und was dann?"

Er zog die Augenbrauen zusammen und öffnete die Autotür etwas weiter. „Wie was dann?"

„Nimmst du mich mit hinein und rufst dann die Polizei? Oder verhaftest mich gleich selbst? Während ich schlafe und Schmerztabletten mich vermutlich ruhigstellen? Und selbst wenn nicht, was ist dann morgen? Du kannst unmöglich über alles hinwegsehen und es ist deine Pflicht-"

„Es ist meine Pflicht mich um dich zu kümmern, das stimmt", fiel er mir ins Wort und kniete sich plötzlich hin. Zweifelnd sah ich zu ihm hinab. „Aber denkst du allen Ernstes, dass ich auf der Wache vorbeifahre, mein Auto abgebe und dich dann wieder mit nach Hause nehme, wenn ich dich verhaften wollen würde? Hätte ich dich dann damals rausgeschmissen? Hör zu, mein Job ist mir wichtig und ich habe eine gewisse Verantwortung, ja. Aber die Verantwortung dir gegenüber ist größer."

RIDERS ~ Lost MemoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt