| 21 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Nervös starrte ich die Fahrstuhlwand des Hotels an. Pantai Inn. Ein kleines romantisches Nest. Hier war Kian also vorübergehend untergekommen. Als bester Freund würde ich natürlich keine Sekunde zögern und ihn bei mir aufnehmen, damit er nichts bezahlen musste, nur gab es da ein kleines Problemchen.

Matt und Ryan.

Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn ich die beiden auf Kian loslassen würde. Verprügeln würden sie ihn zwar nicht, aber es wusste keiner von meiner alten Gang. Ich hatte sie bewusst verschwiegen, wollte mit der Vergangenheit abschließen und ein neues Leben hier in San Diego starten. Hätte ich Jackson in alles eingeweiht, wären meine Chancen bei der Hydra doch sofort verspielt gewesen.

„Du bist angespannt", stellte Kian nüchtern fest und besorgt zog er die Augenbrauen zusammen.

Ich grinste ihn nur an. „Alles gut, haben uns nur lange nicht gesehen."

„Aber du kennst mich doch?"

Beinahe anklagend starrte ich die Fahrstuhlwand an. Als wäre sie für meine Probleme verantwortlich. Und da ging mir ein Licht auf. „Ich fahr nur nicht so gerne Fahrstuhl", gab ich letztlich zu.

„Seit wann denn das?"

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. „Wie gesagt, wir haben uns viel zu erzählen."

Durch die Spiegelung an der Wand konnte ich seinen fragenden Blick noch immer sehen, ignorierte ihn jedoch. Ich wollte Das in Ruhe mit ihm klären und nicht in einem Fahrstuhl. Kian schien sich auch nicht weiter an meinem Schweigen zu stören, stattdessen zeigte er mir sein Zimmer. Dort legten wir unser Helme und restlichen Sachen ab.

„Dann fang mal an", forderte er und setzte sich aufs Bett.

Mit steigendem Puls lehnte ich mich an die Fensterbank und mied konsequent den Augenkontakt. „Wie du vielleicht schon mitbekommen hast, gab es einen Autounfall. Meine Eltern haben ihn nicht überlebt und... aufgrund der Schule bin ich nach San Diego gezogen. Damit mein Onkel sich um mich kümmern konnte."

„Das erklärt aber nicht, warum du dich nicht gemeldet hast", fiel er mir ins Wort.

„Ich hatte mit mir selbst zu kämpfen!", verteidigte ich mich sauer und sah ihn nun endlich an. „Weißt du, wie es ist, wenn man seine Eltern verliert?"

„Weißt du, wie es ist, wenn man nie welche hatte?"

Eine eisige Schwere breitete sich im Raum aus, während wir uns still musterten. Es hatte sich einiges geändert, auch zwischen uns. Und der Gedanke schmerzte. Besonders, weil ich Schuld hatte. Es hätte nie zu so einem Spalt zwischen uns kommen dürfen.

„Tut mir leid", gab Kian schließlich nach. „Ich wollte dir nie Vorwürfe machen. Gott, ich hatte so lange darüber nachgedacht, was ich sagen würde, wenn wir uns endlich wiedersehen würden und jetzt... Ich will doch nur verstehen, wieso du dich nicht gemeldet hast. Wir hätten dir helfen können. Ich hätte dir geholfen. Wieso hast du mir den Rücken gekehrt?!"

Leidend biss ich mir auf die Zunge. Seine Worte verursachten einen tiefen Stich in meiner Brust. „Kian... Es tut mir leid."

„Das reicht aber nicht."

„Ich weiß. Aber es war mir einfach alles zu viel", murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Mein bester Freund hob zögerlich die Mundwinkel. „Dann erzähl einfach, was seither passiert ist."

Immer noch zweifelnd stieß ich die Luft aus. Begann dann aber zu erzählen. Von meiner Ankunft hier, von der Schule, von Ruby. Ich erklärte ihm ebenfalls die Probleme mit dem Fahrstuhl, meine Panikattacken oder Anfälle und auch, dass mein Onkel mich rausgeworfen hatte. Ebenfalls, dass ich die Schule abgebrochen und momentan keinen Job hatte. Nur ließ ich ein kleines aber sehr entscheidendes Detail aus. Die Hydra.

RIDERS ~ Lost MemoriesWhere stories live. Discover now