| 26 | 𝐌𝐢𝐥𝐞𝐬

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Verzerrte Geräusche eines Trickfilmes waren das Erste was ich wieder wahrnahm. Es sang jemand und die hohen Töne halfen meinem schmerzenden Kopf nicht wirklich. Genervt und immer noch träge öffnete ich leicht meine Augen. Ich lag immer noch auf dem Sofa. Und vor mir lief der Fernseher. Mit... Irgendeinem Elefant, der eine Blume hielt?

Oh man. Ich war offenbar noch nicht ganz wach.

Stöhnend schloss ich meine Augen wieder, rieb mit meinen Handflächen darüber und blinzelte anschließend die schwarzen Punkte weg. Draußen war es bereits dunkel. Wie spät war es bitte?

„Endlich! ich dachte schon wir müssen einen Krankenwagen rufen", sagte jemand neben mir erleichtert und einen Moment später klebte Ryan an mir. Nach einer kurzen Umarmung entfernte er sich, sah mich prüfend mit leuchtenden Augen an und zog die Decke auf mir zurecht, die er verrutscht hatte.

Eine der Nebentüren ging auf. „Er ist wach?!"

„Jop."

Jackson kam ums Sofa gehechtet und saß kurzdarauf auch schon auf der Sofalehne. „Mach so was nie wieder!", knurrte er.

Lachend schlug Ryan ihn gegen den Arm. „Als ob er das beeinflussen könnte!"

„Kann er. Er soll genug essen und trinken. Und vielleicht nicht so viel feiern", mischte sich nun auch Matt ein, den ich von meiner Position aus nicht sehen konnte.

„Das war kein Kreislaufzusammenbruch, Matt." Jackson schüttelte den Kopf. Dann wanderten seine graugrünen Augen anklagend und zugleich besorgt zu mir. „Das war was Psychisches."

Gereizt seufzte ich. „Ist doch alles wieder gut."

„Ähm, nein?" Ryan zog die Augenbrauen hoch. „Du bist in unserem Wohnzimmer zusammengeklappt und das total aus dem Nichts. Oder hat unser Alpha dich etwa so sehr eingeschüchtert?"

Ich sagte darauf nichts. Keine Worte konnten das rechtfertigen oder in angemessener Zeit erklären. Zudem war ich nicht bereit dazu, weder mental noch körperlich. Mein Kopf fühlte sich noch immer an wie ein Hohlraum mit Watte und mein Körper fühlte sich unglaublich schwer und leicht zu gleich an. Ein komisches Gefühl, wodurch ich meinen momentanen Zustand kaum einordnen konnte.

„Ich mach uns mal was zu Essen und, Miles, du solltest dich noch ausruhen. Wir können später reden", wies Matt nach einer langen Zeit der Stille an und Ryan stimmte begeistert zu und folgte ihm in die Küche.

So war ich mit Jackson allein.

„Wir wissen beide, dass es nichts mit meiner Ansprache zu tun hatte", murmelte er und legte seine Hand nachdenklich auf meine Schulter. „Sind es deine Anfälle? Kommen sie wieder? Ich dachte sie wären weg..."

Von meinen Schuldgefühlen gequält schloss ich die Augen. „Das dachte ich auch."

„Aber scheinbar sind sie wieder da", ergänzte Jackson und tätschelte meine Schulter für einen Augenblick. „Wie gesagt, wenn du reden willst, ich bin immer da. Niemand sollte solch einen Verlust allein durchstehen müssen. Wir haben alle harte Zeiten hinter uns und sind füreinander da... Das ist eine Sache, die nämlich auch Kriminelle können."

Mir entwich ein kleines Lachen.

„Ey, ich meine das ernst!", entrüstete sich der Schwarzhaarige. „Wir haben zwar unserer eigenen Gesetze und sind momentan nicht in unser Blüteform, aber-"

„In unserer Blüteform, alter!", rief Ryan lachend aus der Küche. „Wirst du jetzt zum Autor? Philosophen? Das war ja mal das Schrägste, was ich von dir je gehört hab! Und ich hab schon einiges gehört. Nicht einmal Nero hat-" Augenblicklich brach er ab. Eine seltsame Stille legte sich über die Wohnung und anhand Jacksons verletzten Gesichtsausdrucks registrierte ich die Schwere von Ryans Worten. Diesen und Matt konnte ich nicht einmal sehen und dennoch wusste ich, dass sie die Stimmung bemerkten.

Nero war seit seiner Verbannung ein rotes Tuch innerhalb unserer Gruppe. Sein Name wurde nicht einfach mal so erwähnt und die Erinnerungen an ihn nicht einfach mal so ausgegraben. Er war Vergangenheit.

„Also... habt ihr eigentlich schon von den neuen Straßenrennen gehört? Irgendein Typ will das ganz neu aufziehen... und vielleicht, also ich dachte, könnten wir ja mal hin. Geld und so weiter?", versuchte Ryan die Stimmung wieder zu retten und betreten mied ich den Blick zu Jackson.

Dieser strafte seltsam verspannt die Schultern. „Hm, können es uns ja mal ansehen."

Matt nahm in der Küche langsam wieder das Kochen auf und die Kälte, die Neros Name hinterlassen hatte, verschwand schleichend. Auch ich streckte meine Beine durch, damit sie wieder ordentlich durchblutet wurden und drehte mich für eine bequemere Haltung zur Seite.

Jackson räusperte sich. „Also wie gesagt... Du kannst jederzeit mit mir reden."

„Danke."

Der Alpha stand auf und verließ das Wohnzimmer, ließ mich mit meinem Gewissen zurück. Der Fernseher lief noch immer und wenig interessiert wandte ich mich dem Elefanten mit seiner Blume zu, während es draußen immer dunkler wurde und die Wohnung dadurch immer gemütlicher.

Als Matt dann zum Essen rief, hätte ich am liebsten im Erdboden versinken können.

Jackson schlug doch echt vor mich zu tragen. Dabei war mein kleiner Schwächeanfall schon einige Stunden her! Und ich hatte zwei gesunde Beine mit denen ich laufen konnte. Der Alpha sah das jedenfalls anders. Aufmerksam beobachtete er jeden meiner Schritte in die Küche und setzte sich neben mich.

„Willst du ihn auch noch füttern?", fragte Ryan grinsend und Matt schüttelte müde mit dem Kopf.

Verärgert hatte ich etwas zu aggressiv mein Besteck genommen und demonstrierte damit, dass ich durchaus allein essen konnte und als Beta nicht pflegebedürftig war.

„Er wird schon nicht sterben oder sich verschlucken", meinte irgendwann Matt, der von Jacksons aufmerksamen Blick mir gegenüber deutlich genervt war. „Was habt ihr überhaupt miteinander? Du bist doch sonst nicht so empfindlich, Jacks."

Grinsend legte Ryan sein Besteck ab und verschränkte die Hände miteinander. „Alpha-Beta-Sache eben."

Stöhnend verdrehte Jackson die Augen. „Dein Ernst?"

„Jop."

Hilfesuchend sah unser Anführer zu mir, doch ich zuckte nur belustigt mit den Schultern. „Schau mich nicht so an, du hast Das gesagt."

Der restliche Abend verlief ähnlich, wir lachten viel und meine Panikattacke war, außer von Jackson, schon fast vergessen. Und die Tatsache, dass er mich nicht zu einer Erklärung drängte, erleichterte mich enorm. Ich hatte eh schon keine Ahnung wie ich mein Problem lösen sollte und weiteren Druck konnte ich nicht gebrauchen.

„Ich sollte dann auch mal langsam gehen", warf Jackson ein als wir alle zusammen auf dem Sofa saßen und Ryans Film weitersahen.

„Du kannst auch hier schlafen", schlug dieser vor.

Doch Jacks ließ sich nicht umstimmen. „Nein, danke. Ich muss nochmal zu meiner Mum."

„Sie hat wohl endlich herausbekommen, was du mit ihrem Geld gemacht hast?" Lachend stieß Ryan seinen besten Freund an. „Die Ducati war ja auch genau das, was sie sich vorgestellt hat."

„Nein." Eilig zog Jackson sich Jacke und Schuhe an. „Ist was Privates", erklärte er und zweifelnd sahen wir drei uns an. „Vergesst das Rennen morgen Abend nicht, wir könnten mal wieder etwas Kohle gebrauchen, also seid gefälligst ausgeschlafen." Damit rauschte er aus der Wohnung.

RIDERS ~ Lost MemoriesWhere stories live. Discover now