26 - Leben und Tod

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Niemals hätte Mack damit gerechnet, dass Joey so früh zurück wäre. Normalerweise, wenn Mack ihn besuchte - eigentlich nur, um mehr über seinen Vater zu erfahren - war er erst am Abend da, aber nie tagsüber.
"Wie schön dich zu sehen!", Joey grinste über beide Ohren als er Amika sah. Freude war es jedoch nicht.
"Koslowski", wimmerte sie unsicher und achtete auf jede seiner Bewegungen. Noch nie zuvor waren alle Sinne gleichzeitig so aktiv wie jetzt gerade.
"Schickt der Bulle jetzt seine eigene Tochter los, um einen alten Mann auszuspionieren?", zuerst lachte Joey herzlich und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. Dann schüttelte er den Kopf als hätte er einen lustigen Witz gehört, der gleichzeitig dämlich war. "Stimmt ja, er liegt im Sterben... Wird auch Zeit!"

Beherrsche dich! Ihre gesamte Brust zog sich zusammen. War klar, dass er so einen Kommentar bringen würde.
Amikas Hände ballten sich zu Fäusten, so feste, dass ihre Fingerknöchel weiß anliefen. Du bist ein Idiot, wollte sie schreien. Ein gigantisches Arschloch!
"Also, was habt ihr hier verloren?"
Sofort wich Mack aus seiner Stillen Ecke und stellte sich vor seine Freundin, protektierend wie eine Mauer.
"Ich habe Amika hierher gebracht!", stieß er mit allem Mut aus und merkte, wie sein 'Vater' noch schlechtere Laune bekam. Dass das überhaupt möglich war. Joey war sowieso rund um die Uhr schlecht drauf.
"Mack...", empört entfernte er sich von der Wand, um steuerte auf Mack zu. Dann legte er seine knochige Hand auf Macks linke Gesichtshälfte. Was habe ich bloß gesagt? "Ich sagte dir doch, dass du niemandem etwas sagen sollst... NIEMANDEM! Und dann bringst du ausgerechnet die Tochter meines Todfeindes hier rein!"
"Mein Vater wird nichts erfahren", meldete sich Amika wieder zu Wort und versteckte die drei Spritzen hinter ihrem Rücken. Joey sollte sie lieber nicht sehen. 
Ihre Antwort bereute sie schnell wieder, sie ergab einfach keinen Sinn. Warum sollte sie es ihrem Vater nicht erzählen?
"Und das soll dir glauben?", erneut brach er in Gelächter aus. In großes, sarkastisches Gelächter. Vielleicht lag er gar nicht mal falsch. Früher oder später hätte sie eh irgendwem davon erzählen müssen... Egal ob es Kyu und Steven waren oder aber Lucien.

Stille kehrte ein. Und zwar vollkommene Stille, auch der Kunstrealisierer war verstummt.
Stimmt ja. Bei dem ganzen Aufruhr vergaß Amika, dass sie noch einen Klon von Kyu erzeugen wollte.
Sofort drehte sie sich um und schwang schnell die Hände vor ihren Bauch, damit Joey die Spritzen nicht sehen konnte. Viel mehr beschäftigte ihn der Artemier, den die Maschine geboren hatte: Einen Klon von Kyu.
Auch wenn sein Körper bereits perfekt geformt war, war sein farbliches Aussehen noch immer sehr sandig. 
Zitternd machte er einen Schritt nach vorne, lehnte sich dabei an der Wand neben sich ab. Seine Beine nahmen langsam die Farbe der dunkelblauen Jeanshose an, welche Kyu auf dem Foto getragen hatte, genauso wie sein halbes Gesicht die Hautfarbe annahm und sein Pulli sich rot verfärbte.
Es fühlte sich so merkwürdig an zu laufen... Es war als seien seine Beine Steif. Als wäre er gerade aus einer Narkose aufgewacht und sein Körper war noch nicht ganz bei Funktion...
Und dennoch schossen ihm schlagartig so viele Fragen durch den Kopf: Wer bin ich? Wo bin ich? Was geht hier vor sich?
"Wow", Mack unterdrückte einen Freudenschrei. Wie cool war das denn?! Ein waschechter Klon seines besten Freundes! Am liebsten wäre er ihm auf die Pelle gerückt und hätte ihn mit Fragen bombardiert. Das war ja noch cooler als in seinen Comics!

Vermutlich lag es noch an Vitos Schlägen, doch bei dem Anblick der Kopie wurde Amika schlagartig übel. Jetzt, wo sich seine Haut und Kleidung vollständig wie ein Chamäleon angepasst hatten, war es unfassbar, wie gut es das original traf. Faszinierend, als würde das original vor ihr stehen... Gleichzeitig war es etwas kränkend, wenn man so darüber nachdachte...
Vor wenigen Minuten konnte sie nicht einmal glauben, dass so etwas möglich war. Aber es stimmte, was Mack sagte. Jedes einzelne Wort! Auch, dass er mit Joey zu tun hatte...
Was hatte der Typ bloß davon, mit Mack in Kontakt zu treten? Wer weiß? Joey war nicht umsonst einer der bekanntesten Verbrecher auf dem Planeten. Und das machte ihr noch mehr Sorgen.
Mack war schon so naiv und ließ sich auf ihn ein. Was, wenn er genauso enden würde wie Joey? Verrottend im Knast? Ne.. Er wird schon kein Krimineller!

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