43 - Verrat

65 13 149
                                    

Als Kei das Tor wieder erreichte, trat er sofort Eleysa gegenüber, die dort stand und ihn vor Wut kochend anschaute. Das gab es doch nicht, dass sie ihm den gesamten Weg hierher gefolgt war! Er hatte extra darauf geachtet, dass sie schlief. Scheinbar hatte er sie wach gemacht. Oder sie ahnte bereits etwas und hatte den Schlaf vorgetäuscht...
"Eleysa", so gut wie möglich versuchte er überrascht zu wirken. "Was machst du denn hier?"
"Was machst du hier?!", stellte sie als Gegenfrage und ließ ihm keine Zeit, die Frage zu beantworten. "Warum hast du mit Amika und Kyu gesprochen?!"
"Ich... ich wollte mich nur bedanken für Samstag, weißt du..?", erklärte er seufzend. In ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie ihm nicht glaubte.
"Du lässt dich blenden, du Idiot!", ihre Wut übernahm sie für einen Moment, weshalb sie ihn gegen das Schultor hinter ihm schubste. Ihre funkelnden Augen zitterten, die Splitter über ihrem Kopf tanzten immer schneller herum. So hatte er sie ja noch nie erlebt. Sie war schon immer eigen, aber nicht so aggressiv gegenüber ihm oder wem anders... Für einen Moment überlegte er sogar das Klappmesser zu zücken, welches er sich zur Verteidigung von seinem Trinkgeld gekauft hatte. In einer Großstadt wusste man nie, wann man es mal gebrauchen konnte... "Wir haben drüber gesprochen, Kei! Sie hatte irgendwas im Hinterkopf. Jetzt denken alle sie sei ein Engel! Und uns stellt man als die Schwachen dar. Als die armen Opfer, die sie selbst erschaffen hat." 

"Verdammt, Eleysa, sie hat mir das Leben gerettet!", begann er zu diskutieren und trat wieder vor, versuchte allerdings ruhig zu bleiben. "Und weißt du was? Vielleicht denkst du ja komplett falsch über sie. Und über die ganzen anderen. Schau es dir an!"
Mit einer Handbewegung deutete Kei auf die ganzen Kinder und Jugendlichen, welche ihre Zeit mit den Artemiern gemeinsam zu genießen schienen. "Keiner von ihnen tut den Artemiern weh. Egal, wie anders sie aussehen. Sie genießen das Leben gemeinsam."
Es war ihm bereits aufgefallen, während er über den Schulhof gelaufen war. Immer wieder gab es Kommentare, die von ihm handelten. Und zwar keine negativen. Ganz im Gegenteil. Er hörte Dinge wie "Oh wow, er sieht aus wie aus einem Anime! Wie cool!", die ihn Grinsen ließen. Es fühlte sich eher so an als würde man ihn so respektieren wie er war.
"Das tut nichts zur Sache, Kei!", ihre Stimme erhob sich und die Splitter nahmen tanzten immer wilder und wilder. "Sie und Kyu, sie haben mich zerstört! Was juckt es mich, wie sie mit dir umgehen? Hier geht es nicht um dich, sondern um mich!"
Auf einmal zog sich die Brust des Artemiers zusammen. Meinte sie es wirklich so..? Ich dachte, es geht um uns...

"Wenn es dir nur um dich geht... weshalb erschaffst du mich dann?", hinterfragte er diese Entscheidung, die sie einst getroffen hatte. Seine Augen wurden heiß, und er musste sich anstrengen nicht in Tränen auszubrechen.
"Ich hab dich erschaffen, um nicht alleine zu sein. Damit ich wen habe, der mich versteht. Aber scheinbar stellst du dich jetzt gegen mich!"
"Ich stelle mich doch gar nicht gegen dich! Und das würde ich niemals! Ich versuche dir zu helfen, aber du lässt es ja scheinbar nicht zu!", verzweifelt legte er eine Hand auf ihre Schulter. In ihrem Gesicht war sichtlich abzulesen, dass sie gekränkt und wütend war. "Ich liebe dich, Eleysa..."
Ihre Miene verzog sich kein Stückchen. Stattdessen schüttelte sie nur den Kopf. "Du solltest eine Assassine sein, und kein Romeo."
Kei spürte in seinem kurzen Leben noch nie solch einen Schmerz. Er erkannte sie plötzlich nicht mehr wieder. Anfangs war sie so gut zu ihm. Und jetzt... Der Hass auf die beiden Teenager nahm einfach Überhand, so besessen konnte doch kein Mensch oder Artemier von einer Racheaktion sein!
Wie konnte man sich bloß so sehr täuschen?

"Also war es dir die ganze Zeit über egal, was aus mir wird?", groß darauf eingehen tat sie nicht. Stattdessen packte sie ihn an der Schulter, schob ihn beiseite und marschierte durch das Schultor. Und mit einem aggressiven "Geh mir aus dem Weg!" ließ sie den Jungen dort stehen. Sie wollte die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen. Und wer weiß? Vielleicht konnte sie sich mit Joey ja wieder versöhnen, mit welchem das Mädchen gerade zu sprechen schien?

World of Living ArtOù les histoires vivent. Découvrez maintenant