(Neu) 39 - Gestaltwandler

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"Kanntest du deine Kidnapper denn?", fragte Amika deren Neuzugang Eclaire, welche noch immer sehr schüchtern war. 
Mittlerweile hatte sich das Mädchen wieder aufrappeln können, auch wenn ihr noch immer alles schmerzte. Mal im Ernst, wie machten Steven und Kyu das? Sie hatten gebrochene Knochen und machten dennoch weiter. Und sie hatte bereits das Gefühl mit ein paar blauen Flecken lieber einen Arzt aufzusuchen. Okay, ein paar blauen Flecken und einer Schusswunde am Arm, die vor allem jetzt pochte wie verrückt. Wie sollte sie das denn ihrer Mutter erklären, wenn sie nach Hause kommen würde?
"Ich weiß es nicht", verzweifelt schüttelte Eclaire den Kopf. "Schon einige Tage bevor ich ihnen begegnet bin, als ich hier in dieser Welt aufgetaucht bin, hatte ich diese komplett verwaschenen Bilder im Kopf von den beiden Kerlen, die die Frau begleitet hatten... Ich glaube Betona und Bohros hießen die..."
"Bomby die Bilder auch erwähnt", grunzte Drahk, der auf einer weichen, warmen Decke hockte. Würde er sich aufs Sofa mit den anderen setzen, würde es in der Mitte durchbrechen. Doch er erinnerte sich wieder daran, wo sie im Wald spazieren waren und sie diese merkwürdigen Steinmonster auffanden. Bomby hatte da auch etwas von solchen seltsamen Kreaturen erwähnt, von denen er Bilder im Kopf hatte, obwohl er sie nicht kannte. "Auch verschwommen."

"Alles schön und gut, aber was bringt uns das, die und diese Lady Web zu finden?", kam Steven in das Gespräch dazu und spielte mit dem Rubin in der Hand herum. Er gab so ein angenehmes Kribbeln an seinen Fingerkuppen ab. "Selbst wenn wir nun wissen, wie sie aussehen und heißen, es sagt uns noch lange nicht, wo sie sind!"
"Aber dein Rubin könnte es", Gideon deutete mit dem Finger auf den Jungen. "Darf ich ihn mir später mal genauer ansehen? Vielleicht finde ich ja eine Methode, mit der ich die Kristalle aus weiterer Entfernung ausfindig machen kann..."
"Such dir deinen eigenen Kristall!", schnaubte Steven ihn an und ließ den Stein wieder zurück in seine Tasche verschwinden. "Ist meiner."
"Steven, willst du mich verarschen?", Amika beugte so weit auf ihrem Stuhl nach vorne, dass sie beinahe herunter fiel. "Wir brauchen diese scheiß Kristalle oder etwa nicht?! Gib ihm den doch, sind doch vielleicht nur fünf Minuten!"
"Sag mir nicht, was ich tun soll. Außerdem ist es ja wohl Bombys Schuld, dass uns der Turmalin zwischen die Finger geflutscht ist und wir nun Eclaire an Board haben..."
"Autsch", meldete sich Eclaire verletzt zu Wort. "Das war hart..."
Ups... Steven schämte sich auf einmal für seine eigene Aussage. Eclaire hatte ihm nie etwas getan, und dann war er so zu ihr? Das musste echt nicht sein, selbst für ihn nicht.
"T-tut mir leid, Eclaire, das hab ich so nicht gemeint, ich-", er stockte und sah sich kurz im Raum um. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, alle Sauer, bis auf Drahk. "Sorry..."

Seufzend und mit schlechtem Gewissen griff der Junge in seine Tasche und warf den Rubin dann dem Professor zu. "Machen Sie ihr Ding, Gideon. Ich halt' Sie nicht auf."
"Gut", sagte Amika und setzte sich wieder in ihrem Stuhl hin. Sie musste aber gestehen, ein wenig überrascht über das Verhalten des Teenagers war sie schon. Jedenfalls über das Verhalten, dass er sich entschuldigt hatte und Gideon den Rubin gegeben hatte. Genau das war etwas, das sie nicht von ihm erwartet hätte. Eher mit einem 'Na gut, nimm den Rubin und lass mich in Ruhe' oder ähnlichen Aussagen.
"Naja, ähm...", meinte Gideon und betrachtete den Rubin in seiner Hand. Zum allerersten Mal hielt er ihn selbst in seinen Händen. Ob er wohl auch reagieren würde, wenn er wollte, dass es zum Schwert würde? "Wie wäre es denn mit einem Themenwechsel?"
"Ja, wieso nicht?", kam Amika ihm entgegen. Ihr fiel eh nichts mehr ein, was sie hätte sagen können. Auch jetzt nicht mehr, weshalb sie die anderen anschaute. Zuerst Gideon, dann Drahk. Von dort ging ihr Blick weiter zu Eclaire und schlussendlich zu Steven, der mittlerweile aufgestanden war und aus dem Fenster schaute. Vor ihm war die gesamte Landschaft zu sehen, am Horizont stand bereits die Sonne. Dicht unter den Wolken flogen Vogelschwärme entlang, und nicht zu vergessen: Ein waschechter Phoenix. Sein rot-orangenes Gefieder erstrahlte im Prachtvollen Glanz wie Feuer, seine Flügel ausgebreitet im Wind über Metraville. Er war beinahe genauso groß wie die Peacemaker, bei der es sich von außen bereits um einen wuchtigen Helikopter handelte.
Ich hätte nie gedacht, jemals einen Phoenix sehen zu können...

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