44 - Familiengeheimnis

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Alarmiert schob Steven sich aus seinem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe, schnappte sich seinen Rubin und rannte aus seinem Zimmer.
Der Lärm, der vermutlich die ganze Familie aufgeweckt haben musste, kam definitiv von unter ihm, aus der Küche. Es klang beinahe danach als hätte man die Tür aufgebrochen. 
Innerlich hoffte er, dass es nicht Drahk war, der klopfen wollte und dann versehentlich die gesamte Tür aus ihren Verankerungen gedrückt hatte. Allerdings wusste der Große ganz genau, dass er Nachts nicht zu dem Haus kommen sollte. Oder generell nicht die Nachbarschaft betreten sollte, es sei denn, es ging nicht anders.
Mit vor Müdigkeit brennenden Augen betrat er den Stockdunklen Flur und tastete nach einem Lichtschalter, um die Lampen einzuschalten. Wenn er jetzt sein Schwert als Lichtquelle nutzen würde und seine Eltern ihn sehen würden, wäre alles vorbei. Ihr Geheimnis wäre raus, Kyu und er hätten Hausarrest und Bomby müsste wieder auf der Straße wohnen. Gut, mit letzterem konnte er leben. Außerdem hatte er noch immer die Peacemaker zum Schlafen.

"Was war das?", hörte er seine Mutter im Schlafzimmer gegenüber fragen. Dann hörte er, wie sein Vater die Tür aufriss. 
"Warte hier, Anja", sagte sein Vater leise und stand plötzlich direkt vor Steven. Der Teenager machte einen schnellen Schritt zurück, da die Augen von Magnus vor Wut glühten. Als hätte er bereits erwartet, dass es Steven war. Doch als er sah, dass Steven dort stand, wurde er blass. "Du... Du bist ja tatsächlich in deinem Zimmer..."
Wow... Wurde Steven irgendwie krank? Was auch immer das plötzlich war, der Satz stach direkt in sein Herz. Natürlich wurde er direkt wieder beschuldigt für etwas, obwohl er es nicht einmal war! Es war einfach immer dasselbe in dieser Familie...
"Ja? Warum sollte ich das nicht?", fragte Steven, obwohl er bereits die Antwort kannte. 'Du machst immer alles kaputt!' oder 'Wer in der Familie sollte denn sonst etwas zerstören?'. Doch tatsächlich schwieg sein Vater ihn einfach an und sah beschämt weg. Steven konnte es nicht einschätzen, was mehr schmerzte. Dass er direkt wieder Steven beschuldigen wollte oder dass er es nicht einmal aussprechen wollte.
"Lass uns lieber nachschauen, woher der Krach kam", lenkte der Junge vom Thema ab und ging voran Richtung Treppe, den Rubin fest umschlossen in seiner Faust versteckt. 

Während sie sich mucksmäuschenstill die Treppen herunterwagten, versuchten sie nach möglichen Stimmen zu lauschen. Doch das einzig hörbare war ein seltsames Krächzen. Grunzen. Unmenschliche Geräusche, allerdings konnte man sie auch keinem Tier zuweisen. 
Magnus warf seinem Sohn einen besorgten Blick zu, den er erwiderte. 
Wenn es wirklich kein Tier, sondern ein Artemier war, hatte Steven ein großes Problem. Er konnte sein Schwert schlecht vor seinem Vater ziehen, dann würde ja direkt alles auffliegen! Sich zurückzuhalten könnte schwierig werden, aber war wohl seine einzige Möglichkeit.
Die Geräusche in der Dunkelheit wurden immer bedrohlicher. Schwere Schritte stapften durch die Küche, wurden immer lauter und kamen näher.
Wie auf Knopfdruck hielten sowohl Vater als auch Sohn inne. Stevens Herz raste wie wilde, die Hand noch immer vorsichtshalber um den Rubin gelegt. Du darfst ihn nicht verwenden... Aber was, wenn ich keine andere Wahl habe?
Das, was für die Schritte verantwortlich war, erschien nun direkt vor der Treppe, starrte zu ihnen herauf. Eine Gestalt aus Gestein und Kristall, auf zwei kurzen Beinen stehend und bedrohlich. Einen Kopf besaß die Kreatur nicht, dafür hatte sie  zwei Augenhöhlen in ihrem Torso und zwei breite Arme.
Solch einen Artemier hatte Steven noch nie zuvor gesehen. Was wollte er überhaupt hier? 

"Äh... Was ist das?", fragte Magnus verunsichert, Steven zuckte nur mit den Schultern, während es die erste Treppenstufe betrat und die beiden rückwärts wieder nach oben gingen.
"Woher soll ich das wissen!? Scheißegal jetzt... Gehen wir einfach langsam wieder zurück...", schlug der Junge vor. Das taten sie auch, Schritt für Schritt liefen sie nach hinten, während das Monstrum ihnen folgte. Doch als es einen Grunzer ausstieß, entschieden sich die beiden dafür, die Beine in die Hand zu nehmen. "Weißt du was, vergiss es. Lauf!"
So schnell sie konnten sprinteten sie zum Schlafzimmer der Eltern, wo der Vater die Tür aufriss. Steven bremste jedoch noch mitten auf dem Gang ab und drehte sich zum Monster um. Mit jedem Schritt, das es machte, hinterließ es einen breiten, runden Abdruck im Laminat. Wenn das vorbei war, müssten sie den Boden definitiv erneuern. 
"Komm schnell rein!", forderte Magnus seinen Sohn auf als er die Tür offen hielt für ihn. Doch Steven wartete ab. 
Wenn der Steingolem bereits in die Wohnung kommen konnte, würde ihn eine einfache Schlafzimmertür nicht aufhalten. Er musste handeln, und zwar jetzt!
Bevor Steven handelte, wartete er noch ab bis der Artemier nahe genug gekommen war. Und als zwischen ihnen keine drei Meter Abstand mehr waren, riss der junge Held seinen Rubin aus der Tasche. 

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