33 - Kenny

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An Tagen wie diesen konnte Amika nie fassen, was nicht alles an einem einzigen Tag schiefgehen konnte. Ein Streit mit Kyu, dass Mack angeschossen wurde von Joey, der Einbruch – und zusätzlich noch eine Zeitbombe sowie ein Mann mit übermenschlichen Kräften... Beschissener konnte der Tag ja wohl nicht werden!
Knapp konnte sie einem Schlag des Mannes ausweichen, welcher seinen Tentakel peitschenartig auf sie zu schwang und dabei ein halbes dutzend Dosen mit Haarfärbemittel von den Regalen riss. Mit einem lauten Zischen platzten ein paar von denen und sorgten für eine gewaltige Rauchschwade in allen verschiedenen Farben, eine imaginäre Mauer zwischen Amika und Kenny.
Schützend hielt sie ihren Arm vor die Augen und riskierte dadurch, dass ihre Haut sich in dem Nebel verfärbte – und ihre Kleidung auch. Wie sollte sie das bloß ihren Eltern beibringen..?

„Verdammt!", hörte sie ihn fluchen und sah, wie er sich versuchte die Farbe aus dem Gesicht zu wischen, wobei er etwas nach hinten wich.
Wer hätte gedacht, dass ihn ein bisschen Farbe aufhalten konnte?
Auf genau solch einen Moment hatte Steven gewartet. Er hatte sich die ganze Zeit über ein Stückchen zurückgezogen, nur um ihn zu beobachten. Der Lade war voll mit Ramsch gewesen, dass er irgendwann etwas umstoßen würde oder sich sich verfing, war von vornherein klar. In anderen Worten: Der richtige Moment, einen Angriff zu starten.
Blitzschnell spurtete er aus seinem Versteck heraus, das Schwert glitt neben ihm her, möglichst so spitz zulaufend, dass er den kleinstmöglichen Luftwiderstand hatte.
Sein Herz begann zu rasen. Wenn ihm dieser Schlag gelingen könnte, würden sie endlich den Turmalin haben. Den Turmalin, welcher soeben begann schneller zu pulsieren. Mit jedem einzelnen Schritt, den sich der Teenager näherte, wurde auch die Reaktion schneller. Hoffentlich verrät mich das nicht.
Die letzten paar Meter kamen ihm vor wie eine halbe Ewigkeit. Als würde er auf der Stelle rennen oder Kenny entfernte sich nur weiter von ihnen. Nur noch ein Stück!

Dann war es soweit. Nur noch ein paar Schritte, dann konnte er endlich den entscheidenden Schlag durchführen. Sofort machte er sich bereit, änderte den Griff um sein Schwert – und dann drehte Kenny sich in seine Richtung um. Seine Augen zeigten glasklar, welche Wut er in sich trug. Wut, Verzweiflung, Trauer... Es sagte so vieles über ihn aus.
Ohne einen Ton rauszubekommen, formte er mit seinen Lippen die Wörter „netter Versuch" und brachte Steven abrupt zum Abbremsen. Eigentlich hatte er das gar nicht vor. Es geschah einfach!
Direkt vor seiner Nase blieb der Junge stehen. Vollkommen ausgeliefert...
Einer der Tentakel flog wie eine peitsche auf ihn zu und traf ihn direkt in die Rippen. Durch den herben Schwung wurde er gegen eine kleine Erhebung geschubst, auf welchen die Schaufensterpuppen standen, ihm das Gefühl gaben auf ihn herabzusehen und ihn auszulachen.
Kenny stieß einen leisen Wutschrei aus und lief auf ihn zu, während Steven, sich die Rippen haltend, zwischen den Puppen entlang kroch. Ein extremer, stechender Schmerz durchfuhr den Oberkörper des Jungen und ließ ihn die Zähne zusammenbeißen. So musste sich sein Bruder die ganze Zeit über also fühlen... Was war er bloß für ein schlimmer Bruder, dass er sich auch noch über ihn lustig gemacht hatte?

„Hört endlich auf, wegzurennen!", schnaufend schubste Kenny jede einzelne Puppe aus dem Weg, welche ihm im Weg stand, während Steven weiter nach hinten robbte. Komplett planlos. Wenn er jetzt aufstehen würde, würde dieses Monstrum ihn erst recht in die Finger bekommen.
„Leck mich!", prustete Steven und schwang sein Schwert vor sich. Kenny traf er zwar nicht, doch er schnitt in die Beine der Plastikpuppen, welche zu schmelzen begannen und umknickten, sodass sie nun wie eine Barriere zwischen Kenny und Steven wirkten.
Aufhalten tat es ihn nicht. Gab ihm aber endlich die Gelegenheit, aufzustehen. Und was sagte man dazu: Die Schmerzen in den Rippen verflogen schneller als gedacht, und das in maximal einer Minute. Tatsache, er hatte eine neue Superkraft!
Entweder das oder seine Rippen waren einfach nicht so krass verletzt worden...
Kenny schleuderte die Puppen vor ihm quer durch den Raum, wo sie beinahe Bomby trafen, der gerade eine Uhr verstellte.
„Passt doch auf!", meckerte die kleine Bombe los und trampelte auf dem Boden herum. „Ich versuche hier Zeit zu schinden!"
„Ich weiß ja nicht, was du da genau vor hast", ganz knapp wich Steven einem Tentakel aus. Einen weiteren Schlag blockte er mit dem Schwert ab. Zu seiner Überraschung schnitt die Klinge nicht einmal durch das Fleisch. Es hinterließ nicht einmal eine Brandverletzung! Als seien seine Arme genauso wie die Klinge... „Aber das wird uns nicht helfen."
„Und was soll ich dann machen?! Ich kann weder fliegen noch sonst was...", schon die gesamte Zeit über fühlte Bomby sich extrem nutzlos. Ohne Kyu war er nichts, und andersrum genauso. Er hatte keinen Blaster, keine Fähigkeiten. Er war nur eine kleine, schwächelnde Bombe mit einem harten Gehäuse. Natürlich, er war eine Bombe. Aber was brachte es ihm, wenn er seine Freunde mit in die Luft jagen würde..?

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