Heiß und kalt (2|4)

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Die kahlen Steinwände flogen an mir vorbei. Meine schweren Absätze klapperten auf den Bodenfliesen. Die Angst saß mir wie ein Spinnentier im Nacken.

Ich bog um die nächste Ecke, wäre beinahe mit einem Studenten zusammengestoßen, keuchte eine Entschuldigung und stolperte weiter. Wohin, wusste ich eigentlich nicht. Am besten irgendwohin, wo viele Menschen waren. Oder ... Bruin. Ich musste Bruin finden.

Bevor ich jedoch auch nur daran denken konnte, diesen Plan in die Tat umzusetzen, wurde ich auch schon gepackt und herumgezerrt. Ich knallte mit dem Rücken gegen die Mauer. Der Anprall presste mir die Luft aus den Lungen. Sternchen tanzten vor meinen Augen.

»Lass mich!«, zischte ich und schlug wild um mich, doch Eldastin brachte meine Arme mühelos unter Kontrolle.

»Mach dich nicht lächerlich, Alionora«, sagte er, während er mich festhielt. »Wir müssen reden.«

»Reden?«, entfuhr es mir. »Denkst du echt, dass ich dir das glauben würde?«

»Bis eben dachte ich das.«

»Ich weiß genau, was du vorhast!«

Plötzlich kam mir eine Idee, wie ich ihn dazu bringen konnte, mich loszulassen. Wie alle Alben musste Eldastin Körperkontakt hassen. Also tat ich etwas Unerwartetes und warf mich ihm entgegen.

Eldastin reagierte, wie ich es erwartet hatte, und zuckte vor mir zurück. Dabei schaffte er es jedoch irgendwie, mich herumzureißen, sodass ich über meine eigenen Füße stolperte, das Gleichgewicht verlor und der Länge nach auf die Terrakottafliesen knallte.

Obwohl ich mich mit den Unterarmen abfangen konnte, fuhr eine Schmerzwelle durch meinen ganzen Körper und ließ meinen Kiefer und meinen Schädel vibrieren. 

Stöhnend rollte ich mich auf den Rücken und presste mir die Hände auf das Gesicht.

Eldastin ging neben mir in die Hocke. Das Leder seiner Stiefel quietschte und die asymmetrisch geschnittenen Schöße seiner Svila streiften über den Boden. Mit dem Anflug eines nachdenklichen Stirnrunzelns sah er auf mich herab. »Du hast dich verändert.«

»Ach ja?«

»Ja.« Eldastin sah sich um. »Können wir hier irgendwo reden? Irgendwo, wo nicht so viele ...« Er kräuselte die Lippen und machte eine unbestimmte Handbewegung. »... Menschen sind?«

»Das ist die Menschenwelt«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Hier sind überall Menschen.«

Eldastin sah mich an. Hinter der Indifferenz in seinen farblosen Augen lag eine stumme Drohung.

Unter normalen Umständen hätte ich ihm bestimmt nachgegeben, doch der Schmerz machte mich mutiger als ich es eigentlich war. »Bist du gekommen, um mich zu töten?«

Die Indifferenz blieb, aber das Stirnrunzeln wurde tiefer. »Weshalb sollte ich das tun?«

»Um dich zu rächen?«

Eldastin sah mich nur an.

»Um jemand anderen heiraten zu können?«

»Die Gesetze Albenheims sind in dieser Hinsicht sehr klar. Wir beide heiraten einander oder keiner von uns heiratet.«

»Ich dachte ... vielleicht hast du dich in jemanden verliebt.«

Schon in dem Moment, in dem ich die Worte aussprach, kam ich mir dumm vor. Ich mochte mich vielleicht verändert haben, aber Eldastin war ganz offensichtlich noch genauso wie damals, als ich Albenheim verlassen hatte.

»Nein«, antwortete er schlicht. Seine Miene verriet keine Gefühlsregung. Keinen Ärger, kein Bedauern. Wenn er mich für das hasste, was ich ihm angetan hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken. »Also ... können wir irgendwo unter vier Augen reden?«

ALBENBLUTWhere stories live. Discover now